Brexit Johnson droht mit Neuwahlen, wenn das Parlament nicht spurt

SDA

22.10.2019 - 18:58

Der britische Premierminister Boris Johnson hat offen damit gedroht, seinen Brexit-Deal zurückzuziehen und Neuwahlen anzustreben. Wie viel Rückhalt sein Brexit-Deal im Parlament geniesst, war zunächst unklar. 

Boris Johnson machte seine Brexit-Pläne am Dienstag nur wenige Stunden vor einer entscheidenden Abstimmung im Unterhaus auf den Tisch. Die Ausrufung von Neuwahlen sei dann nötig, wenn ihm die Abgeordneten die Zustimmung für den Zeitplan zur Beratung des Brexit-Gesetzes verweigerten, machte Johnson deutlich. Eine Ablehnung des Zeitplans würde «den Pfad für einen No-Deal-Brexit in neun Tagen öffnen».

Johnson steuerte am Dienstagabend auf eine hauchdünne und möglicherweise wegweisende Parlamentsentscheidung zum Brexit zu. Die Abgeordneten des Unterhauses werden nach der zweiten Lesung des Brexit-Deals nicht nur ein Meinungsbild zu dem Gesetzespaket abgeben, sondern auch über den von Johnson vorgeschlagenen Zeitplan abstimmen.

Der Premierminister sagte weiter, eine Abstimmungsniederlage würde die Macht über den weiteren Verlauf an die EU weitergeben. Der beste Weg, einen No-Deal-Brexit zu vermeiden, sei es, einem Deal zuzustimmen.

Unklare Mehrheitsverhältnisse

Am Mittag, als Johnson die Debatte im Unterhaus eröffnete, waren die Mehrheitsverhältnisse für die Abstimmung am Abend nicht eindeutig. «Wir können den Brexit erledigen und unser Land voranbringen», sagte Johnson an die Abgeordneten gerichtet. Gleichzeitig könnten dann auch die Vorbereitungen für einen ungeregelten Brexit beendet werden.

Während der Premier bessere Chancen hat, die Abstimmung zum Meinungsbild zu gewinnen, könnte ihm die Mehrheit für den Zeitplan fehlen. Unter anderem überlegen nach britischen Medienberichten die zehn Abgeordneten der nordirischen DUP, gegen den straffen Zeitplan Johnsons zu stimmen, der das 110 Seiten starke Gesetz mit zahlreichen Querverweisen auf weitere Bestimmungen in nur drei Tagen durchboxen will.

Kritik an Brexit-Deal

Kritik war daran zuvor auch von Labour und der schottischen SNP laut geworden. Nach BBC-Informationen überlegen auch Rebellen aus Johnsons eigener konservativer Tory-Partei, ihren Regierungschef im Stich zu lassen.

Normalerweise gilt für solche Vorhaben eine Mindestdauer von 21 Tagen für den parlamentarischen Prozess. Die Kritiker machen geltend, in drei Tagen seien die Implikationen des Gesetzes nicht zu erfassen.

Der Labour-Experte Keir Starmer bezeichnete das Vorgehen als «skandalös». Auch Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei war erbost: «Wie um Himmels willen sollen wir die Chance haben, das angemessen zu beurteilen?»

Nach Angaben des Brexit-Experten Joe Owen von der Denkfabrik The Institute for Government bekommt das Gesetz zum EU-Austritt weniger Zeit im Unterhaus als ein Gesetz für Wildtiere in britischen Zirkussen.

EU-Parlament stellt Bedingungen

Der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, stellte unterdessen Bedingungen für die Ratifizierung des Austrittsvertrags. Es seien noch einige Probleme zu lösen, sagte er am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg.

So dürften EU-Bürger aus Grossbritannien nicht ausgewiesen werden, weil sie Fristen zur Registrierung verpasst hätten oder bedürftig seien. «Ich möchte, dass dieses Problem gelöst ist.»

Im Übrigen werde das Parlament dem Austrittsvertrag erst zustimmen, wenn das Ratifizierungsverfahren in London abgeschlossen sei, sagte Verhofstadt. Das werde nicht mehr diese Woche geschehen. Johnson hatte auf Geheiss seines Parlaments - widerwillig - eine Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Januar beantragt, die die EU-Staaten bewilligen könnten.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zog vor dem EU-Parlament eine ernüchternde Brexit-Bilanz: «Es war eine Zeit- und Energieverschwendung.» Die EU wird laut EU-Ratspräsident Donald Tusk alles tun, um einen Brexit ohne Vertrag zu verhindern. «Ein No-Deal-Brexit wird niemals unsere Entscheidung sein.»

Neue Aufgabe für Barnier

Die EU-Kommission gab am Dienstag ausserdem bekannt, dass Brexit-Unterhändler Michel Barnier neu Chef einer Task Force für die Beziehungen der EU zu Grossbritannien wird. Sie gilt ab Mitte November. Barnier soll zunächst die Verhandlungen mit London über den EU-Austritt zu Ende führen und die Vorbereitungen für einen etwaigen Brexit ohne Vertrag leiten.

Unmittelbar nach der Trennung will die EU dann mit Verhandlungen über die künftigen Beziehungen beginnen. Barnier sagte am Dienstag im EU-Parlament, der Aufbau neuer Beziehungen könne Jahre dauern. Es gelte, einen Freihandelsvertrag ohne Sozial- oder Umweltdumping auszuhandeln.

Auch die Kooperation in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Aussenpolitik müsse neu geklärt werden. «Die Konsequenzen des Brexit sind zahllos und werden oft unterschätzt», sagte Barnier. Er habe immer dafür plädiert, über die künftigen Beziehungen genau nachzudenken.

Die Bilder des Tages

Zurück zur Startseite

SDA