Rätselraten um Fischsterben Tödliche Fracht in der Oder?

dpa

16.8.2022 - 04:17

Oder-Fischsterben: Bundesumweltministerin fordert «vollständige Aufklärung und Transparenz» von Polen

Oder-Fischsterben: Bundesumweltministerin fordert «vollständige Aufklärung und Transparenz» von Polen

STORY: Die deutsche Bundesumweltministerin fordert von Polen eine umfassende Aufklärung der Gewässerverunreinigung in der Oder, die zu einem massiven Fischsterben geführt hat. Am Samstag machte sich Steffi Lemke in Frankfurt/Oder selbst ein Bild der Lage. Vor allem Untersuchungsdaten seien die polnischen Behörden bisher schuldig geblieben, so Lemke. «Das heisst, das, was auf Brandenburger Seite als Erstanalyse vorliegt, gibt es von der polnischen Seite bisher nicht. Ich plane gegenwärtig, einen Termin morgen Abend in Stettin mit der polnischen Kollegin gemeinsam noch mal zu machen. Hoffe dann weitere Erkenntnisse dort zu haben und erwarte natürlich von der polnischen Seite eine vollständige Aufklärung und vollständige Transparenz darüber, was passiert ist, was zu dieser Katastrophe geführt hat.» Sie wisse nicht, wann sich die Belastung der Oder so weit verdünnt haben wird, dass sie für Natur und Menschen nicht mehr gefährlich sei, sagte Lemke. Das deutsche Umweltministerium erklärte, es könne mehr als eine Ursache geben, und verwies auf niedrige Wasserstände und hohe Temperaturen aufgrund der jüngsten Hitzewellen.

14.08.2022

100 Tonnen Fischkadaver: Das ist die jüngste Schätzung von Umweltschützern zur Katastrophe in der Oder. Noch immer ist unklar, was den Tieren zum Verhängnis wurde. Auch am Stettiner Haff wachsen die Sorgen.

Was hat die Fische in der Oder getötet? Hat das Massensterben eine einzige Ursache oder haben mehrere Faktoren dazu beigetragen? Am Dienstag erhoffen sich Verantwortliche und Bürger Antworten auf diese Fragen. Möglicherweise lägen dann Ergebnisse vor – das zumindest hatte das Bundesumweltministerium am Montag mitgeteilt. Bislang ist nur klar: Quecksilber ist laut polnischen Behörden nicht der Grund.

Nach einer Schätzung des Umweltverbandes BUND sind in den vergangenen Tagen bis zu 100 Tonnen Fisch in der Oder verendet. 500 Kilometer Flusslauf seien betroffen.

Das sorgt auch für Beunruhigung in Mecklenburg-Vorpommern. Bis zum Montagnachmittag waren nach offiziellen Angaben zwar keine Auswirkungen im Nordosten bekannt. «Das ist die gute Nachricht», sagte der Landrat von Vorpommern-Greifswald Michael Sack (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.

Tote Fische schwimmen an der Wasseroberfläche des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder.
Tote Fische schwimmen an der Wasseroberfläche des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder.
Bild: Keystone/dpa

Schweriner Gesundheitsministerium ruft zur Vorsicht auf

Aber: Die Menschen an den Ausläufern des Stettiner Haffs sind zur Vorsicht aufgerufen. Das Schweriner Gesundheitsministerium rät für mehrere Badestellen vom Schwimmen ab. Der Landkreis sowie das Landesumweltministerium hatten schon zuvor empfohlen, auf Angeln und Fischen oder die Entnahme von Wasser zu verzichten.

Ölsperren sollen verhindern, dass sich Fischkadaver im Haff ausbreiten. Die Oder mündet in das Haff, das mit rund 900 Quadratkilometern etwa doppelt so gross ist wie der Bodensee. Es gehört zu zwei Dritteln zu Polen. Von dort verlaufen Wasserverbindungen zur Ostsee.

Polnische Behörden hatten nach Regierungsangaben schon Ende Juli erste Hinweise, dass in dem Fluss massenweise verendete Fische treiben. Seit vergangener Woche herrscht auch in Deutschland Alarmstimmung. Bürger sollen das Oder-Wasser nicht berühren. Freiwillige Helfer fischten tonnenweise stinkende Kadaver aus dem Wasser, die auf dem Gelände der PCK-Raffinerie in Schwedt verbrannt werden. Welche Folgen langfristig für Fische, Tiere und Pflanzen der Oderregion und der Ostsee drohen, ist nicht absehbar.

Unmut über fehlende Hinweise aus Polen

Sowohl die Bundesregierung als auch das Land Brandenburg bekräftigten ihren Unmut über fehlende Informationen aus Polen. Angaben seien nur «kleckerweise» oder «überhaupt nicht» gekommen, kritisierte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke bei einem Besuch in Lebus an der Oder, wo er sich ein Bild der Lage machen wollte. Der SPD-Politiker bekräftigte: «Wir wissen bis jetzt nicht, was genau diese Vergiftungserscheinungen bei den Fischen verursacht hat.»

Der Deutsche Angelfischer- und der Deutsche Fischerei-Verband kritisierten indes die deutschen Behörden. «Von aussen wirkte die Aktivität der deutschen Behörden nicht wie ein souveränes Krisenmanagement», hiess es in einer gemeinsamen Mitteilung vom Montag. Der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Paul Ziemiak, forderte eine «lückenlose Aufklärung». Statt um Schuldzuweisungen gehe es nun aber darum, gemeinsam «dieses gefährliche Umweltproblem» zu lösen, sagte der CDU-Politiker der Funke Mediengruppe.

Die polnische Seite sei dabei, in ihrem Zentrallabor nach 300 Stoffen zu fahnden, berichtete Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) vor Ort. Für das Fischsterben gibt es nach seiner Einschätzung wohl auch mehr als nur eine Ursache. Die Dürre und die geringe Wasserführung hätten ziemlich sicher einen Anteil daran. Das gesamte Ökosystem der Oder sei geschädigt.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Freitag erklärt, das Fischsterben sei offenbar durch Einleitung einer «riesigen Menge» von Chemieabfällen ausgelöst worden. Die polnische Regierung setzte eine Belohnung von mehr als 200'000 Euro für die Aufklärung aus.

dpa