Intrigen und Kinderhandel? «QAnon»-Verschwörungstheorie breitet sich unter Trump-Fans aus

dpa / AP

17.2.2020

Die «QAnon»-Verschwörungstheorie breitet sich unter Trump-Fans aus. 
Die «QAnon»-Verschwörungstheorie breitet sich unter Trump-Fans aus. 
Bild: Matt Rourke/AP/dpa

Eine geheime Trump-Kampagne gegen den «tiefen Staat», Intriganten und vermeintliche Kinderhändler wie Hillary Clinton und Barack Obama: Diese Verschwörungstheorie findet unter Fans des Präsidenten offenbar wachsenden Anklang. Und sie wird nicht nur im Internet gehandelt.

Donald Trump war mitten in einer Wahlkampfrede in der Stadt Milwaukee, als Chrisy, einer Zuhörerin, eine Geste mit seiner Hand ins Auge fiel. Die 51-Jährige war überzeugt, dass der US-Präsident mit seinen Fingern den Buchstaben Q in die Luft gezeichnet hatte – als eine geheime Botschaft an die Anhänger von «QAnon», einer rechtsgerichteten Trump-freundlichen Verschwörungstheorie. Aufgeregt wandte sich die Frau, die nur ihren Vornamen angab, an ein Ehepaar neben ihr, Diane und Randy Jacobsen. «Habt Ihr das Q gesehen?», fragte sie. «Ich glaube, es war eines.»

Die Jacobsens, Chrisy und deren Mann hatten sich Stunden zuvor beim Schlangestehen vor der Kundgebungshalle kennengelernt und prompt angefreundet: Bindeglied war ihr gemeinsames Interesse an «QAnon». Die Verschwörungstheorie rankt sich um den – haltlosen – Glauben, dass Trump einen geheimen Kampf gegen Feinde im «tiefen Staat» führt – Gruppen, die vermeintlich gegen ihn intrigieren, einen Putsch planen und ausserdem einen sexuellen Kinderhändlerring betreiben. Beteiligt sind der Theorie zufolge prominente Vertreter aus Staat und Wirtschaft, etwa Topdemokraten wie Hillary Clinton und Barack Obama.

Der «tiefe Staat»

Viele «QAnon»-Anhänger glauben, dass die beiden und Tausende andere Akteure im «tiefen Staat» eines nicht fernen Tages festgenommen und ins Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba gebracht werden, im Rahmen einer Operation namens «The Sturm» (Der Sturm).

«QAnon» hat seinen Ursprung am rechten politischen Rand und tauchte erstmals 2017 auf. Seitdem brüten Anhänger über verworrene konspirative Hinweise im Internet, die angeblich von einem hochrangigen Regierungsbeamten stammen, der sich im direkten Umfeld Trumps bewegt und nur als «Q» bekannt ist. Das Kürzel «Anon» steht für «Anonym».

Spielte sich die Sache anfangs in einer dunklen Ecke des Internets ab, sickert «QAnon» seit mehr als einem Jahr auch in die etabliertere politische Arena ein. Und angesichts von Trumps Wahlkampf sieht es nicht danach aus, als würde der Trend bald nachlassen. Die lärmenden Kundgebungen des Präsidenten ziehen ein loyales Publikum von Verschwörungstheoretikern und andere Randgruppen an.

Trump selbst hat Twitter-Konten mit Werbung für «QAnon» weitergeleitet. Anhänger tragen bei seinen Wahlkampfauftritten Kleidung und Kappen mit «QAnon»-Symbolen und -Slogans. Mindestens 23 aktuelle oder frühere Kongresskandidaten hätten sich hinter «QAnon» gestellt oder dafür geworben, berichtet die liberale Beobachtergruppe «Media Matters for America».

Gefühl der Zusammengehörigkeit

Es ist indes unklar, ob diese Verschwörungstheorie mehr Anhänger anzieht als andere, die ebenfalls mit der US-Politik zu tun hatten, wie Geschichtsprofessorin Kathryn Olmsted von der University of California in Davis sagt. Der Unterschied zu früheren Fällen liege darin, «dass Leute an der Macht die Verschwörungstheorie verbreiten». Trumps von eigener Verschwörungsgesinnung durchtränkte Rhetorik scheine Teile seiner Basis zu befeuern, so Olmsted, die ein Buch über Verschwörungstheorien geschrieben hat. «Endlich ist da jemand, der sagt, dass sie nicht verrückt sind.»

Travis View, ein Autor und Forscher zu Verschwörungstheorien, glaubt, dass die «QAnon»-Anhänger ein Gefühl der Zusammengehörigkeit haben. Daher halte sich ihre Theorie teils länger als andere. Man betrachte es als gemeinsames Ziel, «die wirkliche Wahrheit hinter den Kulissen aufzudecken».

Verschwörungstheorien sind zwar kein neues Phänomen, doch sehen Sicherheitsexperten vor dem Hintergrund der sozialen Medien als mächtigem Motor und eines aufgeheizten politischen Klimas ein wachsendes Gewaltpotenzial. Tatsächlich wurde bereits im Mai vergangenen Jahres in einer FBI-Mitteilung gewarnt, dass von Verschwörungstheorien angetriebene Extremisten zu einer heimischen Terrorbedrohung geworden seien.

Es hat auch schon Verbindungen zwischen «QAnon» und Gewalttaten gegeben. So stellte ein wegen der Ermordung eines mutmasslichen Mafiabosses angeklagter Mann im vergangenen Jahr vor Gericht ein «QAnon»-Symbol auf seiner linken Hand zur Schau. 2017 wurde ein Mann zu einer Haftstrafe verurteilt, nachdem er in einer Washingtoner Pizzeria Schüsse abgegeben hatte. Das Restaurant stand im Mittelpunkt der «Pizzagate»-Verschwörungstheorie: Sie besagte, dass prominente Demokraten vom – nicht existenten – Keller des Gebäudes aus einen Kinderhändlerring zur sexuellen Ausbeutung betrieben.

Anfragen der Nachrichtenagentur AP zu «QAnon» an Trumps Wahlkampfteam und das Weisse Haus blieben unbeantwortet. 2018 hatte die damalige Trump-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders zu dem Thema gesagt, Trump verurteile «jede Gruppe, die Gewalt gegen andere Personen befeuert».

Geheime Trump-Botschaften

Wie auch immer: «Pizzagate» und andere Theorien sind verblasst, doch blüht und gedeiht «QAnon» weiter. So hatte Diane Jacobsen bei der Trump-Kundgebung in Milwaukee Mitte Januar ein pinkfarbenes und ein blaues «Q» an ihre Baseballkappe geheftet. Es war das erste Mal, dass sie und ihr Mann zu einem Trump-Wahlkampfauftritt gekommen waren – und sie konnten es kaum abwarten. «Trump versucht uns zu vermitteln, was wirklich vor sich geht, so gut er es kann, ohne geheimdienstliche Erkenntnisse zu kompromittieren», sagte Jacobsen, während sie mit Tausenden anderen Schlange stand.

Stunden später, während der Trump-Rede, ging ein Strahlen über das Gesicht von Chrisys Mann Paul, als der Präsident sagte, dass «die ganze Welt verfolgt», wie der Iran mit Demonstranten umgehe. «Das ist ein Bezug auf Q», so Paul mit dem Hinweis, dass die Formulierung «die Welt verfolgt» mehrmals in «Q»-Botschaften im Internet aufgetaucht sei. «QAnon»-Anhängerin Donna Shank stiess im Netz auf die Verschwörungstheorie und schloss sich Facebook-Gruppen an, um mehr darüber zu erfahren. Und nun, sagt die 50-Jährige, «bin ich aufgewacht».

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