Eine Grenze nach der anderen Trump ignoriert Trennung von Amtsmacht und Wahlkampf

Aamer Madhani, Jill Colvin/AP

8.2.2020

Was erlaubt sich US-Präsident Donald Trump als nächstes?
Was erlaubt sich US-Präsident Donald Trump als nächstes?
Bild: Patrick Semansky/AP/dpa

Eine Ansprache im Kongress wird zur reinsten Wahlrede, Regierungsmitarbeiter werden gezielt nach Iowa entsandt, scheinbar staatliche Wohltaten sind in Wahrheit privat finanziert – im Kampf um die Wiederwahl im Herbst lässt der US-Präsident manche Grenze verschwimmen.

Der Impeachment-Freispruch wurde ausgiebig gefeiert – und zwar im Weissen Haus. Schon das hatte aus Sicht von Kritikern einen Beigeschmack: Donald Trump nutzte die Aura des Gebäudes, dem Amtssitz des amerikanischen Staats- und Regierungschefs, für eine persönliche Abrechnung. Und mit dem, was er bei der Feier am Donnerstag sagte, machte er indirekt deutlich, dass private und öffentliche Interessen für ihn ein und dasselbe sind.

Wahlkampf-Show in eigener Sache

Wenige Tage zuvor hatte der Präsident die jährlich anstehende «Rede zur Lage der Nation» in eine Wahlkampf-Show in eigener Sache umfunktioniert. Einige Parteikollegen im Raum skandierten sogar Parolen – «Four more years!» («Vier weitere Jahre!») riefen sie, als wäre der ehrwürdige Saal auf dem Capitol Hill eine Turnhalle in der Provinz. Viele Demokraten zeigten sich empört, dass der in der Verfassung vorgesehene «Lagebericht» in dieser Art missbraucht worden sei. «Schon klar», schrieb der Senator Chris Murphy auf Twitter, Präsidenten hätten bei der letzten «State of the Union Address» immer auch die Wiederwahl im Blick.
«Aber das hat eine Grenze überschritten.»

An einem Punkt während der Rede kündigte Trump mit einer an Oprah-Winfrey-Talkshows erinnernden Dramatisierung an, die Viertklässlerin Janiyah Davis aus Philadelphia werde ein Stipendium erhalten, um anstelle der öffentlichen Schule vor Ort künftig eine Privatschule besuchen zu können. Er wandte sich dabei direkt an das kleine Mädchen, dass im Publikum in der Nähe der First Lady Melania Trump sass. Er könne «heute Abend stolz verkünden, dass ein 'Opportunity Scholarship' verfügbar geworden sei», sagte der Präsident. «Es wird an Dich vergeben und schon bald kannst Du zu der Schule Deiner Wahl gehen!»

Wie sich später herausstellte, stammt das Geld für das versprochene Stipendium nicht aus dem Budget irgendeiner staatlichen Stelle. Es stammt vom Privatkonto der US-Bildungsministerin Betsy DeVos. Die Ministeriumssprecherin Elizabeth Hill erklärte auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AP, DeVos, die ihr Gehalt als Ministerin für wohltätige Zwecke spende, werde «das Stipendium für Janiyah unmittelbar bereitstellen». Das Geld werde direkt an die von der Familie ausgewählte Schule überwiesen, fügte sie hinzu. Wie das Ministerium gerade auf dieses Mädchen aufmerksam geworden sei, wollte Hill nicht erläutern.

«Mindestens unangemessen»

Donald Sherman von der in Washington ansässigen Organisation Citizens for Responsibility and Ethics sagt, das Arrangement «könnte ganz sicher etwas Unethisches haben» und sei «mindestens unangemessen». «Der Präsident liess es so erscheinen, als profitiere diese junge Frau von einem Regierungsprogramm, während sie de facto vom persönlichen Wohlwollen der Ministerin DeVos profitiert, was einen politischen Vorteil für deren Chef hat», betont der Transparenz-Aktivist.

Auch bei anderen Gelegenheiten liessen sich von Trump ernannte Minister zuletzt für dessen politische Kampagnen einspannen. Vor den Vorwahlen in Iowa am 3. Februar machten sich mehr als 80 hochrangige Unterstützer des Amtsinhabers auf den Weg in den symbolisch wichtigen US-Staat, darunter etliche Staatsbedienstete. Neben DeVos traten drei weitere Minister sowie der amtierende Stabschef des Weissen Hauses dort auf. Das Trump-Team charterte eigens eine Boeing 737, um die gesamte Gruppe von Washington nach Iowa und wieder zurück zu bringen.

Laut Gesetz dürfen Regierungsmitarbeiter bei politischer Arbeit nicht als Amtsträger auftreten. Bei den Terminen in Iowa wurden diese daher nur mit ihren Namen angekündigt, also ohne expliziten Hinweis auf ihre Funktionen in Washington. Darüber hinaus dürfen Staatsangestellte nicht während ihrer offiziellen Arbeitszeit parteipolitisch aktiv sein. Der Präsident und sein Vize sind von dieser Regel ausgenommen. Kommende Woche werden sich erneut hochrangige Trump-Unterstützer auf die Reise machen – diesmal nach New Hampshire, wo am Dienstag abgestimmt wird.

Auch andere Präsidenten – Republikaner wie Demokraten – haben die Regeln in der Vergangenheit oft etwas gebeugt. Barack Obama liess 2012 fünf Mitglieder seines Kabinetts bei einem Parteitag in Charlotte in North Carolina für seine Wiederwahl werben. Vier Jahre später, als seine ehemalige Ausssenministerin Hillary Clinton gegen Trump antrat, untersagte Obama seinen Ministern dagegen, sich aktiv in deren Wahlkampf einzubringen.

US-Präsident Donald Trump überschreitet am laufenden Band Grenzen.
US-Präsident Donald Trump überschreitet am laufenden Band Grenzen.
Bild: J. Scott Applewhite/AP/dpa

Grenzüberschreitungen am laufenden Band

Kritiker warfen Obama auch vor, politische Beschlüsse zur Unterstützung seines Wahlkampfs im Jahr 2012 eingesetzt zu haben – etwa als er per Dekret den Schutz der «Dreamer» anordnete, also der Migranten, die als Minderjährige illegal ins Land gekommen waren. Zudem wurde 2012 der damaligen Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius vorgehalten, sie habe verbotenerweise bei einem Termin in offizieller Funktion unter anderem zur Wiederwahl von Obama aufgerufen.

Trump hat diese Linie bereits viele Male übertreten. Die unabhängige Organisation Office of Special Counsel listet zahlreiche Gelegenheiten auf, bei denen sich führende Mitarbeiter des Präsidenten politisch engagierten und damit gegen den sogenannten Hatch Act verstiessen. Vor den Zwischenwahlen im Jahr 2018 hatten demnach sechs Mitarbeiter des Weissen Hauses den Trump-Slogan «Make America Great Again» über offizielle Twitter-Accounts gepostet oder weitergeleitet. Vor allem Trumps Beraterin Kellyanne Conway wurde von der Organisation kritisiert.

Auch diverse politische Initiativen Trumps sorgten in dieser Hinsicht für Aufregung. Wohl vor allem um seine Stammwähler zu mobilisieren, warnte er 2018 aus dem Weissen Haus heraus etwa vor einer «Invasion» von Migranten und schickte die Streitkräfte an die Südgrenze. Mit solchen wahltaktischen Manövern bewegt er sich allerdings in einer Grauzone – schliesslich treffen alle Präsidenten Entscheidungen, die im Einklang mit einer im Wahlkampf vertretenen Politik stehen.

Die «Rede zur Lage der Nation» wird laut der Politikwissenschaftlerin Susan MacManus vom jeweiligen Präsidenten sehr häufig auch dazu genutzt, bestimmte Wählergruppen anzusprechen. Trump habe dies aber nun auf einer ganz anderen Ebene getan – mit einer Rede voller Passagen, die genau etwa auf Afroamerikaner, Familien von Soldaten oder Konservative gemünzt gewesen seien, sagt die Expertin der University of South Florida. «Das war ein klassisches Beispiel für gezielte Ansprache von Leuten, die er nach eigener Einschätzung noch braucht.»


Bilder des Tages

Zurück zur Startseite