Putin profitiert vom Nahost-Krieg «Präsident Selenskyj ist mit Grund nervös»

Von Dominik Müller

18.10.2023

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versucht, die Kriegssituation in der Ukraine auf der weltpolitischen Agenda zu halten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versucht, die Kriegssituation in der Ukraine auf der weltpolitischen Agenda zu halten.
Bild: Keystone

Der Krieg in Nahost verdrängt den russischen Angriffskrieg in der Ukraine von den Frontseiten westlicher Medien. Russland-Experte Ulrich Schmid erläutert für blue News, wieso das Putin gelegen kommt.

Von Dominik Müller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Schlagzeilen im Westen sind vom Krieg in Nahost dominiert. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat dagegen etwas an Aufmerksamkeit eingebüsst.
  • Laut Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen dient Putin der Nahost-Krieg als Ablenkung von der Rolle als Aggressor.
  • Russland spekuliere darauf, dass amerikanische Militärhilfe aus den USA vermehrt nach Israel statt in die Ukraine fliesst.
  • Mit einem direkten Eingreifen Russlands in den Nahost-Krieg rechnet Schmid nicht.

Seit Februar 2022 dominiert der Krieg in der Ukraine die weltweiten Schlagzeilen. Nach dem Terrorangriff der radikalislamischen Hamas gegen Israel sind die Augen der Weltöffentlichkeit nun aber auf den Nahen Osten gerichtet.

Profitiert Wladimir Putin davon, dass Russlands Invasionskrieg von den Frontseiten verdrängt wird? Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen bejaht auf Anfrage von blue News: «Russland kann von seiner Rolle als Aggressor ablenken und prangert das Versagen des Westens in der Lösung der Palästina-Frage an.»

Chance zur Imageaufbesserung

Russland habe sich bereits als möglicher Friedensvermittler in Nahost ins Spiel gebracht. Friedensbringer statt Kriegstreiber – die Chance zur Imageaufbesserung für Putin scheint gross.

Brüssel und Washington versichern Kiew nach wie vor ungebrochene Solidarität und Unterstützung. «Russland spekuliert aber darauf, dass amerikanische Militärhilfe nun vermehrt nach Israel statt in die Ukraine fliesst», so Ulrich Schmid.

In der Tat stellt sich die Frage, ob die USA zwei Kriegsparteien gleichzeitig unterstützen können. Die Lieferung von amerikanischer militärischer Ausrüstung nach Israel hat bereits begonnen, darunter luftgestützte, präzisionsgelenkte Raketen. Material, das auch in der Ukraine dringend gebraucht würde. Noch dazu haben die USA aufgrund von Budget-Streitigkeiten bis mindestens Mitte November sämtliche militärische Unterstützung für die Ukraine eingestellt.

Obwohl der Krieg in Nahost Putin gelegen gekommen sein dürfte, rechnet Ulrich Schmid nicht mit einem direkten russischen Eingreifen: «Russland verfügt sowohl zu Israel als auch zu den Palästinensern über einigermassen gute Kontakte und will diese Doppelstrategie nicht aufgeben.» Viel mehr werde es weiterhin versuchen, Ansprechpartner für beide Kriegsparteien zu sein.

Kein Fehlverhalten westlicher Medien

Die westlichen Medien hätten sich laut dem Russland-Experten in der Gewichtung der beiden Kriegsverläufe kein Fehlverhalten anzulasten. «Es ist nachvollziehbar, dass der Krieg in Nahost grosse Aufmerksamkeit auf sich zieht, zumal der Krieg in der Ukraine seit Längerem in den Schützengräben stecken geblieben ist.»

Entwicklungen, die der Ukraine Sorge bereiten dürften. Auch Ulrich Schmid sagt: «Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist mit Grund nervös und versucht, die andauernde Kriegssituation in der Ukraine auf der weltpolitischen Agenda zu halten.»

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