Ukraine-Konflikt Washington schlägt Alarm wegen russischen Aufmarschs 

Von Philipp Dahm

13.11.2021

Es liegt was in der Luft: Ein ukrainischer Soldat zeigt in einem Schützengraben nahe Donezk im Mai auf einen Helikopter. 
Es liegt was in der Luft: Ein ukrainischer Soldat zeigt in einem Schützengraben nahe Donezk im Mai auf einen Helikopter. 
KEYSTONE

Satellitenbilder zeigen, dass Russland an der Grenze zur Ukraine Truppen zusammengezogen hat. Washington findet das suspekt – und warnt seine Verbündeten vor einem möglichen neuen Einmarsch.

Von Philipp Dahm

Wenn die CIA mit Russland reden will, hat der US-Geheimdienst seine Kanäle. Wenn sein Direktor aber persönlich nach Moskau fliegt, wie Anfang November geschehen, liegt was in der Luft.

Kein Wunder, dass der «seltene Ausflug» beim US-Nachrichtensender CNN für Erstaunen gesorgt hat: Bill Burns hat die Reise nach Osten angetreten, um dort über einen Aufmarsch russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine zu reden, der Washington beunruhigt.

Schon im April hatte der Aussenbeauftragte der EU vor der Lage an der Grenze gewarnt: Russland habe 100'000 Mann dort zusammengezogen, warnte damals Josep Borrell. Im November haben neue Satellitenaufnahmen gezeigt, dass sich die Truppen nur rund 300 Kilometer von der Grenze entfernt gesammelt und mit Artillerie und Panzern verstärkt haben.

Die Angst vor der Wiederholung

90'000 Soldaten sollen noch immer auf russischer Seite stationiert sein, die die Ukraine mit Drohnen beobachten lässt. Kiew macht sich Sorgen: «Der Aufmarsch gepaart mit der Energie-Erpressung spricht für eine aggressivere russische Haltung», erläutert ein Vertrauter des ukrainischen Präsidenten im Interview mit CNN.

Der Besuch von CIA-Chef Burns in Moskau wurde dann auch als Versuch verkauft, deeskalierend in der Region zu wirken. Befriedigende Antworten hat der Mann aber offenbar nicht bekommen: Am Mittwoch räumte US-Aussenminister Antony Blinken ein, Moskaus Motive seien unklar – und warnte den Kreml gleichzeitig.

«Unsere Sorge ist, dass Russland den schweren Fehler begehen könnte, zu versuchen, das Geschehen von 2014 zu wiederholen», zitiert die «New York Times» Blinken. «Damals wurden Truppen an der Grenze gesammelt und in souveränes Territorium der Ukraine bewegt, während man [gelogen] hat, man sei provoziert worden.»

Seit sieben Jahren immer nur Ärger

Natürlich könnte das Ganze auch nur ein Manöver sein, mit dem Moskau Stärke demonstrieren will: Einerseits soll Kiew davon abgehalten werden, zu versuchen, die Regionen Donezk und Luhansk zurückzuerobern. Andererseits soll auch einem Staat wie der Türkei bewiesen werden, dass Russland immer noch wehrhaft ist, spekuliert «Foreign Policy».

Ukrainische Soldaten im Mai nahe Donezk an der Front.
Ukrainische Soldaten im Mai nahe Donezk an der Front.
KEYSTONE

In Kiew ist die Nachricht angekommen. «Wir wollen niemandem Angst machen, aber wir müssen wachsam bleiben», sagte der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba dem US-Sender ABC. «Wir sind extrem besorgt, aber wissen Sie: Wenn Sie seit sieben Jahren in einem bewaffneten Konflikt neben Russland leben, lernt man irgendwie, besorgt zu sein. Man gewöhnt sich dran.»

«Bloomberg» berichtet nun, dass Washington dennoch vermutet, dass mehr hinter dem Truppenaufmarsch steckt: Angeblich haben die US-Behörden die Europäer nun vor einer möglichen neuen Invasion gewarnt und Ihnen weitere Informationen zukommen lassen.

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