Peng Shuai Wie China gegen #MeToo vorgeht

AP/toko

27.11.2021 - 00:00

Zhou Xiaoxuan wurde während einer Gerichtsanhörung zu ihrer Zivilklage gegen den bekannten Fernsehmoderator Zhu Jun von aggressiven Schaulustigen angeschrien, die sie davon abhalten wollten, mit der Presse zu sprechen.
Zhou Xiaoxuan wurde während einer Gerichtsanhörung zu ihrer Zivilklage gegen den bekannten Fernsehmoderator Zhu Jun von aggressiven Schaulustigen angeschrien, die sie davon abhalten wollten, mit der Presse zu sprechen.
AP Photo/Andy Wong/Keystone (Archivbild)

Das Verschwinden der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai hat weltweit für Empörung gesorgt. In der Volksrepublik ist das Vorgehen gegen die junge #MeToo-Bewegung jedoch längst trauriger Alltag.

Von Huang Xueqin und Wang Jianbing fehlt seit ihrer Festnahme im September jede Spur. Die chinesische Aktivistin Huang hatte öffentlich eine Frau unterstützt, die einem Professor sexuelle Übergriffe vorwarf. Wang hatte Frauen bei Anzeigen wegen sexueller Belästigung geholfen. Mehrere weitere Frauenrechtlerinnen sind Hetzkampagnen in sozialen Medien ausgesetzt, von einigen wurden die Accounts gesperrt.

Der Fall der verschollenen chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai hat in diesem Monat international Empörung ausgelöst. Peng hatte einen ranghohen chinesischen Politiker beschuldigt, sie sexuell genötigt zu haben. Doch in der Volksrepublik ist sie nur eine von vielen, die aus der Öffentlichkeit verschwanden, angeklagt, online verfolgt oder zum Schweigen gebracht wurden. Dies kann jedem oder jeder drohen, die sich in China offen zur täglichen Belästigung, Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen äussern.

«Sie schliessen uns aus dem rechtmässigen öffentlichen Raum aus»

Huang hatte 2018 an der Basis eine #MeToo-Bewegung in China gestartet. Diese zog relativ breite Aufmerksamkeit auf sich und verzeichnete einige Erfolge, darunter die erste gesetzliche Definition von sexueller Belästigung. Allerdings stiess sie auch auf starken Widerstand der chinesischen Behörden, die rasch soziale Bewegungen ins Visier nehmen, in denen sie eine Bedrohung ihrer Macht wittern. In diesem Jahr hat sich das Vorgehen verschärft.



«Sie schliessen uns aus dem rechtmässigen öffentlichen Raum aus», sagt die Aktivistin Lu Pin, die inzwischen in den USA lebt, sich aber weiter für die Frauenrechte in China einsetzt. «Die Mitte der Gesellschaft verschwindet.»

Das harte Vorgehen der Behörden richtet sich vor allem gegen Aktivisten, die kaum bekannt sind, über wenig Einfluss verfügen und die mit gesellschaftlichen Randgruppen arbeiten. Huang and Wang engagierten sich beide seit längerem für benachteiligte Menschen. Nach ihrer Festnahme in der südchinesischen Stadt Guangzhou wurden sie nach Angaben eines gemeinsamen Freundes wegen «Untergrabung der Staatsgewalt» angeklagt. Dieser vage Vorwurf wird häufig gegen politische Dissidenten verwendet. Die Familien von Huang und Wang haben seitdem nichts von den beiden gehört und können keinen Kontakt mit ihnen aufnehmen – ebenfalls eine gängige Taktik in politisch motivierten Fällen.

Ein Mann nimm einem Demonstranten in Peking ein Schild ab, mit dem dieser seine Unterstützung für eine ehemalige Praktikantin des Staatsfernsehens bekundet hatte.
Ein Mann nimm einem Demonstranten in Peking ein Schild ab, mit dem dieser seine Unterstützung für eine ehemalige Praktikantin des Staatsfernsehens bekundet hatte.
AP Photo/Mark Schiefelbein/Keystone (Archivbild)

Die #MeToo-Bewegung wurde in China bekannt, als Huang eine Frau namens Luo Xixi unterstützte. Luo warf öffentlich ihrem Professor an der Beihang-Universität vor, er habe sie zum Sex nötigen wollen. Die Hochschule leitete eine Untersuchung ein und entliess den Professor wegen Verstosses gegen das Berufsethos.

Lous Fall ermutigte Dutzende weitere Frauen, mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen – alle online. Tausende Studierende unterzeichneten Petitionen und setzten ihre Universitäten unter Druck, sich mit dem Thema sexuelle Gewalt auseinanderzusetzen. Auch Frauen aus anderen Branchen meldeten sich zu Wort. Dies löste Diskussionen aus über Machtungleichheiten zwischen Männern und Frauen an vielen Arbeitsplätzen, über fehlende Gerechtigkeit für Überlebende sexueller Gewalt und über die Frage, wie das Geschlecht bestimmen kann, wie jemand in der chinesischen Gesellschaft behandelt wird.

Angriffe gegen Aktivistinnen auf Social-Media

Die Behörden reagierten zwar von Anfang an beunruhigt auf diese nationale Debatte. In diesem Jahr verschärften sie aber das Vorgehen gegen Frauenrechtlerinnen – mit Unterstützung von nationalistischen, regierungstreuen Influencern mit Millionen Followern. Innerhalb weniger Wochen im Frühling starteten diese eine Welle von Angriffen gegen Frauenrechtsaktivistinnen auf Weibo, einer der führenden Social-Media-Plattformen im Land. Ohne jegliche Belege warfen sie ihnen vor, von ausländischen Kräften unterstützt zu werden.

Bis Ende April wurden die Accounts von etwa einem Dutzend Aktivisten und Nonprofit-Organisationen zeitweise eingeschränkt oder dauerhaft blockiert. Eine Aktivistin, Liang Xiaowen, erhielt für die Sperrung ihres Kontos von Weibo die Begründung, sie habe dort «illegale und schädliche Informationen geteilt».

Aggressiven Schaulustige vor Gericht

Auch Zhou Xiaoxuan sah sich einer Beschimpfungskampagne im Netz ausgesetzt und kann auf ihren öffentlich zugänglichen Seiten nichts mehr posten. Sie hatte den bekannten Fernsehmoderator Zhu Jun beschuldigt, sie während ihres Praktikums begrapscht zu haben, und war dafür einst sehr gelobt worden. Infolge der Blockaden finden Diskussionen über Belästigungen, Gewalt und Benachteiligungen von Frauen inzwischen nicht mehr öffentlich statt. Sie fühle sich komplett abgeriegelt und habe keine Möglichkeit mehr sich mitzuteilen, sagt Zhou.



Die Bedrohungen blieben für sie nicht auf den digitalen Raum beschränkt. Während einer Gerichtsanhörung zu ihrer Zivilklage gegen Zhu wurde sie von aggressiven Schaulustigen angeschrien, die sie davon abhalten wollten, mit der Presse zu sprechen. Die Polizei vor Ort griff nicht ein. Auf dem Heimweg vom Gericht wurde Zhou nach eigenen Angaben von Männern in zwei Autos verfolgt, die anschliessend eine halbe Stunde lang vor ihrem Wohnhaus standen.

Aktivisten hoffen dennoch, dass die #MeToo-Bewegung eine Tür aufgestossen hat, die nicht wieder geschlossen werden kann. «Es reicht nicht, ein paar feministische Bloggerinnen zu finden und ihre Accounts zu sperren», sagt Zhou. «Wer einmal zur Feministin geworden ist, kann das schwer wieder aufgeben. Und die sehr wichtige Bedeutung von #MeToo ist, dass es eine breite feministische Gemeinschaft beflügelt hat.»

AP/toko