Trump «geladen» Ölschock? Was man zum Raffinerie-Angriff bei den Saudis wissen muss

Von Philipp Dahm

16.9.2019

Das hochgerüstete Saudi-Arabien hat nach einem Angriff mit zehn Billigdrohnen die Hälfte seiner Raffineriekapazität verloren: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Attacken auf den Öl-Riesen Saudi Aramco.

Was ist passiert?

In der Nacht von Freitag auf Samstag sind Raffinerien des Öl-Riesen Saudi Aramco angegriffen worden. Etwa zehn Drohnen haben die grösste Raffinerie der Welt in Abkaik getroffen – sie ist 250 Hektar gross, das entspricht rund 350 Fussballfeldern. Auch das zweitgrösste Ölfeld Saudi-Arabiens in Khurais wurde in Brand gesetzt.

Die Drohnen-Attacke soll, wie berichtet wird, am Freitagabend um 23 Uhr unserer Zeit begonnen haben. Verletzt worden sei niemand. Die Angriffe könnten ein Resultat des Jemen-Konflikts sein, der nun bereits seit vier Jahren andauert. Eine Allianz unter Führung Saudi-Arabiens versucht im Jemen, den sunnitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi an der Macht zu halten – schiitische Huthi-Rebellen wiederum wollen diesen stürzen.

Brennende Ölanlagen in Saudi-Arabien.

An der Seite Riads kämpfen sunnitisch-regierte Staaten wie Bahrain, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate, die von den USA unterstützt werden. Aufseiten der schiitischen Rebellen steht wiederum der Iran – er duelliert sich mit Riad seit Langem um die regionale Vorherrschaft.

Welche Reaktionen gab es auf die Attacke?

Die Huthi-Rebellen haben sich zu den Drohnenangriffen bekannt und diese mit dem anhaltenden Konflikt mit Riad begründet. US-Aussenminister Mike Pompeo verwies schon am Samstag darauf, dass es für die Version keine Beweise gebe, wonach die Drohnen im Jemen gestartet seien. Die iranische Führung tue einmal mehr so, als würde sie Konflikte diplomatisch lösen wollen, so Pompeo, doch in Wahrheit stecke sie hinter «fast 100 Angriffen auf Saudi-Arabien».

Der Iran hat Pompeos Unterstellung vehement zurückgewiesen. Abbas Mussawi, Sprecher des Aussenministeriums, bezeichnete die Aussagen als unglaubwürdig und suggerierte, die Amerikaner würden «ganz andere Ziele» verfolgen. US-Präsident Donald Trump wiederum liess auf Twitter durchblicken, das Weisse Haus wisse sehr wohl, wer hinter der Attacke stünde. Die US-Armee habe deshalb «geladen und entsichert»: Er brauche nur noch eine Bestätigung, bevor er Vergeltung üben werde.

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Angriff?

Die Angriffe haben Saudi-Arabiens Ölwirtschaft empfindlich getroffen. Gemäss der staatlichen saudischen Nachrichtenagentur SPA habe sich die Produktionsmenge vorübergehend halbiert, was umgerechnet einem Förderausfall von 5,7 Millionen Barrel entspricht. Und diese Menge wiederum stellt den Tagesverbrauch der USA dar.

Die Ölpreise stiegen am Montag um rund 20 Prozent: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete 66,54 US-Dollar und damit 6,32 Dollar mehr als am Freitag. Donald Trump kündigte an, US-Ölreserven auf den Markt zu werfen, um den Anstieg des Ölpreises abzufedern. Experten halten es dennoch für möglich, dass der Preis pro Barrel auf bis zu 75 Dollar ansteigen könnte. 

Zuletzt war der Ölpreis wegen der schwächelnden Weltkonjunktur im Sinken begriffen. Von der aktuellen Preissteigerung profitieren die USA, die Saudi-Arabien als grössten Erdöl-Förderer abgelöst haben, aber auch Riad selbst – und nicht zuletzt der Iran, der trotz Sanktionen rund 80 Prozent seiner Einnahmen aus dem Ölexport bezieht.

Hat das auch Folgen für die Schweiz?

Die Schweiz ist mengenmässig nicht auf Erdöl aus Saudi-Arabien angewiesen, sagt Roland Bilang , Geschäftsführer von Avenergy Suisse, im «Tagesanzeiger».

Aus Qualitätsgründen wird hierzulande hauptsächlich auf leichtes, schwefelarmes Mineralöl gesetzt. Die grössten Importeure, die hiesige Raffinerien beliefern, sind Kasachstan und Nigeria. Eine kleine Menge steuert Libyen bei.

Hiesige Autolenker wären vom saudischen Ölausfall nur dann in Mitleidenschaft gezogen, fielen die Produktionskapazitäten über längere Zeit aus – Riad hat jedoch bereits angekündigt, die Schäden schnellstmöglich zu beseitigen.

Was für und was gegen iranische Mithilfe spricht

Es wäre nicht das erste Mal, dass Huthi-Rebellen im Krieg gegen Saudi-Arabien Drohnen einsetzten: Im Mai wurde eine Ölpipeline attackiert und erst Anfang August der Flughafen der saudischen Stadt Ahba.

Im Gegensatz zu handelsüblichen Drohnen, die beispielsweise die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak eingesetzt hatte, wurden in der Vergangenheit bei den Huthis vor allem Drohnen vom Typ «Qasef-1» nachgewiesen – sie sollen im Iran produziert worden sein.

Die Lage von Abkaik (hier in englischer Schreibweise: Abqaiq).
Die Lage von Abkaik (hier in englischer Schreibweise: Abqaiq).
Karte: Google Maps

Dieses Modell hat eine Spannweite von rund drei Metern und kann einen 30 bis 45 Kilogramm schweren Sprengsatz mitführen. Die Reichweite beträgt rund 150 Kilometer. Experten gehen davon aus, dass die neuesten Drohnen des Irans eine Reichweite von bis zu 1’000 Kilometern haben könnten.

Khurais ist nicht weit von Abkaik entfernt – im Gegensatz zur jemenitischen Grenze.
Khurais ist nicht weit von Abkaik entfernt – im Gegensatz zur jemenitischen Grenze.
Karte: Google Maps

So eine Reichweite bräuchten die Drohnen auch, sollten sie aus dem Jemen nach Abkaik und Khurais geflogen sein. Das Pentagon hingegen glaubt, der Anflug habe nur deshalb unerkannt stattfinden können, weil die Fluggeräte nicht aus dem Süden, sondern aus dem Nordwesten gekommen seien – sprich: aus dem Iran. 

Wie es nun weitergehen könnte

Noch am Samstag hat Donald Trump dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman telefonisch seine volle Unterstützung zugesagt – oben geposteter Tweet liest sich so, als würde das Weisse Haus nur noch auf grünes Licht aus Riad warten, um gegen den Iran vorzugehen. Sollte es tatsächlich soweit kommen, würden die USA wohl die iranische Erdölproduktion ins Visier nehmen – Teheran würde dann nicht von den steigenden Rohölpreisen profitieren.

Ob der Iran US-Luftschlägen mit F-35-Tarnkappenbombern viel entgegenzusetzen hätte, wird bezweifelt. Doch Nadelstiche wären durchaus möglich. Das Regime warnte Washington dann auch, man werde im Falle eines Angriffs jede US-Basis und jeden Flottenverband angreifen, der innerhalb der 2'000 Kilometer Reichweite iranischer Raketen liege.

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