Erfolg sieht anders aus Warum die US-Politik im Nahen und Mittleren Osten so gut wie tot ist

Von Philipp Dahm

11.9.2019

36 Tonnen Bomben: Einschläge auf der irakischen Insel Qanus.
36 Tonnen Bomben: Einschläge auf der irakischen Insel Qanus.
Screenshot: YouTube

Die Realität am 11. September 2019 ist: Die US-Botschaft in Kabul wird kurz nach Mitternacht angegriffen, im Irak werfen die Amerikaner 36 Tonnen Bomben ab, und in Syrien wird ein weiteres Massengrab entdeckt.

Eigentlich hatte es ein Überraschungscoup des Weissen Hauses sein wollen: Donald Trump wollte mit den Taliban in den USA direkte Verhandlungen führen. Ausgesucht hatte sich der 73-jährige Republikaner dafür ausgerechnet Camp David: Der Landsitz der US-Präsidenten ist auch jener historische Ort, an dem Jimmy Carter einst einen Friedenvertrag zwischen Israel und Ägypten vermittelt hat.

An diesen Erfolg von 1979 wollte Trump offenbar anknüpfen, als er die Afghanen in den Bundesstaat Maryland eingeladen hat, doch die Verhandlungen wurden abgebrochen, noch bevor sie begonnen hatten. Per Twitter informierte das Weisse Haus, dass das geheime Treffen nun doch nicht stattfinde – kurz vorher hatten sich die Taliban zu einem Anschlag bekannt, bei dem auch ein US-Soldat um Leben gekommen war.

Die Taliban hatten jüngst überhaupt verstärkte Angriffe auf US-Truppen angekündigt – und ihren Worten liessen sie nun Taten folgen. Kurz nachdem in der Nacht auf heute Mittwoch der 18. Jahrestag der 9/11-Terrorattacken angebrochen war, feuerten sie in Kabul eine Rakete auf die US-Botschaft ab. Dies war von eher symbolischer Natur: Verletzt wurde bei der Explosion niemand, wie Nato-Angehörige auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AP bestätigten.

«Es gab immer zwei Wege, die Besatzung Afghanistans zu beenden», sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid dem Sender «Al Jazeera». «Der eine besteht aus Dschihad und Kampf, der andere aus Gesprächen und Verhandlungen. Wenn Trump nicht mehr reden will, wählen wir den ersten Weg, und er (Trump) wird es sehr bald bereuen.»

Eigentlich wollte Trump ja bis 2020 14'000 US-Soldaten aus Afghanistan abziehen – doch bleibt es dabei?

Flächenbombardement irakischer Insel

Auch im Irak läuft es nicht. Mitte August musste Washington der Regierung in Bagdad zusagen, keine Luftangriffe auf IS-Truppen mehr zu fliegen, ohne die Iraker darüber zu informieren. Doch als vor wenigen Stunden der Luftraum für US-Jets freigegeben war, warfen F-15- und F-35-Bomber sage und schreibe 36 Tonnen Bomben über einer Insel ab, die von Isis-Extremisten gehalten wird.

Die Air Force veröffentlichte ein Video des Flächenbombardements der Insel Qanus, es zeigt diverse Detonationen. Im Anschluss sind irakische Bodentruppen auf die Insel vorgerückt, die ein Sammellager für Kämpfer aus Syrien beherbergen soll. Ob die Rückkehr zur «Shock and awe»-Taktik Erfolg haben wird – diese setzt auf massive Luftangriffe, um Bodentruppen zu schocken und zu verängstigen und so kampfunfähig zu machen –, muss bezweifelt werden.

Luftbetankung einer F-35 während des Angriffs auf Qanus.
Luftbetankung einer F-35 während des Angriffs auf Qanus.
Bild: USAF

16. Massengrab in Syrien entdeckt

Angriffe aus sicherer Entfernung haben sich schon im Syrienkonflikt als wenig zielführend entpuppt: Im Verlaufe des dortigen Bürgerkriegs haben die US-Truppen kaum ein gesetztes Ziel erreicht. Bashar al Assad hat in Damaskus weiterhin das Sagen – auch dank Moskaus Mithilfe. Russland kann im Gegenzug etwa den Hafen von Tartus als Mittelmeer-Basis nutzen.

Die IS-Schergen machten auch vor der Zivilbevölkerung nicht Halt, weder Moskau noch Washington konnten die Tötungen unterbinden: Nahe der letzten IS-Hochburg Raqqa ist jetzt ein weiteres Massengrab entdeckt worden – es soll das 16. sein –, dies zwei Jahre nachdem der Ort von den Extremisten befreit worden ist.

Zunächst seien im Hof einer IS-Schule zwei Tote geborgen worden, wie der «Independent» berichtet. Bald waren es 20 Opfer – unter ihnen Frauen und Kinder. 

Patt-Situation im Iran

Im Juni und Juli roch es nach Krieg am Persischen Golf: Donald Trump blies ein Bombardement des Iran in letzter Minute ab, nachdem Öltanker im internationalen Gewässer angegriffen worden waren.

«Seit der amerikanischen Kündigung des Atomabkommens ist die Lage angespannter geworden» warnte damals der Konfliktforscher Lars-Erik Cederman von der ETH Zürich im «Bluewin»-Interview. «Das Risiko eines ungewollten Kriegsausbruchs durch beidseitige Fehleinschätzung ist erheblich.»

Trotz weiterer Schifffahrtskonflikte und des Abschusses von Militärdrohnen ist dieser Konflikt bis anhin nicht weiter eskaliert. Vergangenen Freitag versicherte Trump via Twitter sogar, die USA hätten nichts mit einem fehlgeschlagenen Raketenstart zu tun, bei dem in Semnan eine Safir-Rakete explodierte. Vor allem aber gab der Präsident mit seinem Tweet preis, dass das Pentagon seinen neuesten Spionagesatelliten USA 224 vom Typ KH-11 über dem Iran einsetzt.

Experten beschreiben diesen als eine Art Hibble-Teleskop, das jedoch nicht ins All, sondern auf die Erde gerichtet ist.

«Ich kann mir vorstellen, dass Feinde sich diese Foto genau ansehen werden und es nachverfolgen werden, um herauszufinden, wie die Sensoren arbeiten und welche Technik bei der Postproduktion benutzt wird», sagte die Wiener Fachfrau Melissa Hanham auf Nachfrage des US-Senders NPR: Selbst gut gemeinte US-Vorstösse im Nahen Osten gehen derzeit schief.

Falsches Personal

Mit viel Tamtam hatte Donald Trump seinen Schwiegersohn als Sonderberater für den Nahen Osten installiert und getönt: Wenn einer der Region Frieden bringen könne, dann Jared Kushner. Und was ist dabei herausgekommen?

Im Juni präsentierte Kushner schliesslich seinen Friedensplan, doch dieser verschwand umgehend wieder in der Versenkung. Wer die Wahl von Kushner schon für einen Fehler hielt, der muss letzte Woche erst recht den Kopf geschüttelt haben, als Kushners Nachfolger vorgestellt wurde.

Ausgerechnet dessen Assistent und Berater Avi Berkowitz solle den Job nun übernehmen, berichtet der «Telegraph». Der erst 30-jährige Berkowitz hat keinerlei aussenpolitische Erfahrung und war vor zwei Jahren noch dafür zuständig, seinem Boss Kaffee zu organisieren und Meetings anzuberaumen.

Die Ernennung hat in politischen Kreisen für Fassungslosigkeit gesorgt – und Zweifel genährt, ob Washingtons wirklich ein Interesse an Frieden in der Region hat.

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