Notfallplan tritt in Kraft So will Europa Gas sparen

dpa/tgab

9.8.2022 - 11:47

So setzt sich der Preis von Benzin und Diesel zusammen

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17.03.2022

Werbekampagnen für kürzeres Duschen oder Geldstrafen für das Nutzen der Klimaanlage bei offen stehenden Türen – um den Gasverbrauch um 15 Prozent zu senken, haben sich die EU-Länder Massnahmen überlegt. Aber nicht alle machen mit.

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Kürzer duschen, weniger Strassenbeleuchtung, schwitzen im Büro: Mit Massnahmen wie diesen wollen die EU-Staaten in den kommenden Monaten Gas sparen, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein – einen Lieferstopp aus Russland.

Seit diesem Dienstag gilt der Gas-Notfallplan der EU. Er sieht vor, dass die 27 Staaten ihren Gaskonsum von Anfang August bis Ende März 2023 freiwillig um 15 Prozent reduzieren, verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre. Der Notfallplan gilt zunächst für ein Jahr.

Falls nicht genug gespart wird und es weitreichende Versorgungsengpässe gibt, kann im nächsten Schritt ein EU-weiter Alarm mit verbindlichen Einsparzielen ausgelöst werden. Die Hürde dafür ist allerdings hoch: Nötig wäre die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Doch nicht alle Länder zeigen vollen Einsatz. Während viele EU-Mitgliedstaaten konkrete Massnahmen vorschlagen,  haben andere noch gar keine Pläne präsentiert, um das europäische Sparziel umzusetzen. Ungarn blockiert die Pläne komplett. Ein Überblick: 

Deutschland: Stein- und Braunkohlekraftwerke wieder im Einsatz

Das besonders von russischem Gas abhängige Deutschland soll nach Angaben des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums sogar mehr als die vereinbarten 15 Prozent schaffen. Um Gas zu sparen, produziert seit Ende Juli ein zuletzt in Reserve gehaltenes Steinkohle-Kraftwerk wieder Strom. Weitere sollen folgen, ebenso Braunkohlekraftwerke.

Eine staatliche Kampagne soll die Menschen zum Energiesparen motivieren. Geplant sind zudem etwa Einsparungen in öffentlichen Gebäuden, in denen nur sporadisch genutzte Bereiche wie Flure oder Foyers nicht mehr geheizt werden sollen. Für Erdgasheizungen in Wohngebäuden soll eine verpflichtende Überprüfung kommen, um zum Beispiel die Temperatur beim Vorlauf oder nachts zu senken. Für Unternehmen soll die Möglichkeit, ungenutzte Gasmengen in Auktionen zu verkaufen, Anreize zum Energiesparen bieten.

Österreich: Umrüsten auf Erdöl

Österreich setzt auf andere Brennstoffe. So soll das stillgelegte Kohlekraftwerk Mellach im Bedarfsfall wieder in Betrieb genommen werden. Ausserdem sollen Grossbetriebe und Kraftwerke ab Herbst als Alternative zum Gas auch Erdöl einsetzen können, die Kosten für die Umrüstung trägt der Staat. Zudem wird im Herbst eine Kampagne zum Energiesparen gestartet. Die hohen Preise allein haben nach Angaben des Energieministeriums bereits dafür gesorgt, dass im ersten Halbjahr rund sieben Prozent weniger Gas als im Vorjahreszeitraum verbraucht wurden.

Frankreich: Geldstrafen für laufende Klimaanlagen bei offen stehenden Türen

In Frankreich sollen die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft beim Energiesparen vorangehen. Dafür werden gezielte Pläne für die Sektoren ausgearbeitet, unter anderem zur Klimatisierung und zur Beleuchtung von Gebäuden. Behörden sind etwa dazu angehalten, Geräte nicht auf Standby zu lassen, weniger zu kühlen und zu heizen. Einige Supermärkte haben angekündigt, die Türen konsequenter zu schliessen, wenn die Klimaanlage läuft. Die Regierung will das für alle Geschäfte, im Zweifelsfall auch mit Geldstrafen, durchsetzen. Gleichzeitig sollen die stark heruntergefahrenen Atomkraftwerke so gut wie möglich für den Winter aufgestellt und die Produktion von erneuerbarer Energie vorangetrieben werden.

Niederlande: Werbekampagne für Sparmassnahmen

Die Niederlande setzen mit einer Werbekampagne vor allem auf Sparmassnahmen der Bevölkerung: Bürger sollen kürzer duschen und die Heizung mindestens einen Grad niedriger stellen. Vorgaben für die Industrie werden jedoch nicht ausgeschlossen und sollen nach dem Sommer bekannt gegeben werden. Das Land hat bereits seit Beginn der Energiekrise monatlich rund 25 Prozent weniger Gas verbraucht im Vergleich zu den Vorjahren.

Belgien: Bürger zum Energiesparen aufgerufen

Auch in Belgien ist der Verbrauch im ersten Halbjahr allein durch die hohen Preise zurückgegangen. Die Regierung hat die Bürger zusätzlich zum Energiesparen aufgerufen.

Italien: Heizperiode um zwei Wochen verkürzen

In Italien darf in den öffentlichen Büros nur noch bis auf 25 Grad gekühlt werden, zudem wird die Temperatur beim Heizen von 20 auf 19 Grad abgesenkt. Es wird auch erwogen, die Heizperiode um zwei Wochen zu verkürzen. Für die Industrie sind zunächst keine Einschränkungen des Gasverbrauchs vorgesehen.

Griechenland: Strassenbeleuchtung auf Minimum reduzieren

In Griechenland dürfen die Behörden Räume nicht mehr unter 26 Grad kühlen, die Strassenbeleuchtung soll auf das absolut Notwendige reduziert werden. Derzeit läuft zudem ein vom Staat und aus EU-Mitteln finanziertes Programm, bei dem Bürger alte Klimaanlagen und Kühlschränke durch neue, energiesparende Geräte ersetzen können. Zudem sollen manche Kohlekraftwerke wieder hochgefahren, andere Kraftwerke von Gas- auf Erdölbetrieb umgeschaltet werden.

Spanien: Räume nicht über 19 Grad heizen

In Spanien dürfen alle öffentlichen Einrichtungen sowie Warenhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen ihre Räumlichkeiten künftig nur noch auf 27 Grad kühlen und auf höchstens 19 Grad heizen. Zudem müssen Läden und Betriebe mit automatischen Systemen ihre Türen geschlossen halten. Die Beleuchtung nicht genutzter Büros, von Schaufenstern und Denkmälern muss nach 22 Uhr ausgeschaltet werden.

Schweden: Online-Ratgeber für Haushalte

In Schweden ermuntert die Energiebehörde die Haushalte mit einem umfassenden Online-Ratgeber zum Energiesparen.

Finnland und Dänemark: Energiesparziel bereits erreicht

Finnland hat seinen Gasverbrauch in den vergangenen zehn Jahren nach Regierungsangaben bereits halbiert und seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine weiter verringert – der Regierung zufolge gibt es keinen unmittelbaren Bedarf für weitere Massnahmen. Auch in Dänemark wurde das Energiesparziel bereits erreicht.

Estland: Ölschiefer als Ersatz für Gas

Auch in Estland ist der Verbrauch nach Angaben von Wirtschafts- und Infrastrukturministerin Riina Sikkut bereits um 16 Prozent im Vergleich zum fünfjährigen Durchschnitt gesunken. Dennoch sind Wärmeversorger und die Industrie zum Gassparen und zum Umstieg auf andere Kraftstoffe angehalten. In der kommenden Heizperiode könnte zudem heimischer, aber klimaschädlicher Ölschiefer das Gas zum Teil ersetzen.

Litauen: Vilnius steigt auf Heizöl um

Litauen muss nach Angaben von Vizeenergieminister Albinas Zananavicius keine zusätzlichen Massnahmen ergreifen. Grund dafür seien neben einem preisbedingten Rückgang der Nachfrage auch die Pläne der Hauptstadt Vilnius, Erdgas in der kommenden Heizperiode durch Heizöl zu ersetzen.

Lettland: Richtlinien sind in Arbeit

In Lettland arbeitet die Regierung noch an Richtlinien, um die Energiesparmassnahmen umzusetzen.

Tschechien, Slowenien, Bulgarien: Keine konkreten Pläne

Tschechien setzt weitgehend auf freiwillige Massnahmen. So haben die Verbraucher in Tschechien ihren Gasverbrauch wegen der hohen Preise bereits zurückgefahren. Auch in Slowenien gibt es noch keine konkreten Pläne, eine Studie ist in Arbeit. Die Übergangsregierung in Bulgarien hat noch keine Massnahmen zur Umsetzung des 15-Prozent-Ziels formuliert.

Polen und Ungarn: Machen nicht mit

In Polen sieht sich die nationalkonservative Regierung nicht an das Einsparziel von 15 Prozent gebunden. Betont wird die Freiwilligkeit der Regelung. In Ungarn schliesst die rechte Regierung von Regierungschef Viktor Orban eine Umsetzung des Ziels kategorisch aus.