Experten sind skeptischNordkorea prahlt mit «stärkster Rakete der Welt»
AP/tcar
1.11.2024 - 22:05
Nordkorea hat eine neue Interkontinentalrakete getestet. Die Hwasong-19 sei ein «perfektioniertes Waffensystem». Experten halten diese Aussage für reine Propaganda.
01.11.2024, 22:05
dpa
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Nordkorea hat eine neue Interkontinentalrakete getestet.
Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA bezeichnet die Hwasong-19 als ein «perfektioniertes Waffensystem».
Experten halten diese Aussage für reine Propaganda und die Rakete für zu gross.
Nordkorea hat am Freitag getönt, seine gerade getestete Interkontinentalrakete sei die stärkste der Welt. Die Hwasong-19 sei ein «perfektioniertes Waffensystem», verkündete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA zudem. Experten halten diese Aussage für reine Propaganda und die Rakete für zu gross, um Nordkorea in einem Krieg tatsächlich Vorteile zu verschaffen.
Farbe und Form der aus dem Triebwerk schiessenden Flammen, die auf KCNA-Fotos vom Start zu sehen sind, deuten darauf hin, dass die Rakete mit Festtreibstoff betrieben wird. Dieser wird lange vor dem Einsatz in die Rakete eingebracht. Das verkürzt die unmittelbaren Startvorbereitungen. Raketen mit Flüssigkeitsantrieb müssen dagegen vor dem Start noch betankt werden. Das dauert einige Zeit, so dass sie während des Prozederes leichter entdeckt werden können.
Nach Ansicht von Experten zeigen die von KCNA präsentierten Fotos vom jüngsten Teststart, dass sowohl die Rakete als auch ihr Transportfahrzeug überdimensioniert sind. Das wirft die Frage auf, ob sie wirklich so mobil sind, dass sie vor dem Start nicht vom Gegner entdeckt und zerstört werden können.
Nordkorea: Staatsfernsehen zeigt Test mit Interkontinentalrakete
STORY: Das nordkoreanische Staatsfernsehen hat am Freitag ein Video ausgestrahlt, das den Test einer neuen Interkontinentalrakete mit festen Treibstoff zeigen soll. In dem Video sind der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un und seine Tochter zu sehen, die den Raketenstart vor Ort beobachten. Nach nordkoreanischen Angaben flog die am Donnerstag gestartete Rakete höher als jede andere nordkoreanische Rakete zuvor. Diese Angaben decken sich mit Beobachtungen der südkoreanischen und japanischen Streitkräfte. Wegen des Raketenstarts wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zusammentreten. Dies wird nach Informationen von Diplomaten wahrscheinlich am Montag der Fall sein. Die USA, Frankreich, Japan, Malta, Südkorea, Slowenien und Grossbritannien hätten das Treffen beantragt, hiess es. Nordkorea unterliegt aufgrund seines Atomwaffenprogramms internationalen Sanktionen. Starts und Tests von ballistischen Raketen sind Pjöngjang durch UN-Beschlüsse untersagt. Das abgeschottete asiatische Land setzt sich jedoch immer wieder darüber hinweg und testet entsprechende Raketen.
01.11.2024
«Was passiert, wenn die Raketen grösser werden? Die Fahrzeuge werden auch grösser. Wenn die Raketentransporter grösser werden, nimmt ihre Mobilität ab», sagt Lee Sangmin, Experte am südkoreanischen Korea Institute for Defense Analyses.
Der Raketenexperte Chang Young Keun vom Korea Research Institute for National Strategy in Seoul schätzt, dass die Hwasong-19 mindestens 28 Meter lang ist, während moderne US-amerikanische und russische Interkontinentalraketen weniger als 20 Meter messen. Vermutlich habe die Grösse der Rakete dazu beigetragen, dass die südkoreanischen Geheimdienste schon vor dem Start von dem geplanten Test wussten.
«Im Falle eines Konflikts macht eine solche Enttarnung die Waffe zum Ziel eines Präventivangriffs des Gegners», sagt Chang.
Nordkorea hat in den vergangenen Jahren ständig Fortschritte bei der Entwicklung von Atomraketen gemacht und kann nach Ansicht von Experten wahrscheinlich ganz Südkorea mit solchen Geschossen angreifen. Verlässliche Raketen, mit denen es das US-Festland angreifen kann, besitzt Nordkorea dagegen noch nicht. Bei solchen Interkontinentalraketen besteht das Problem, dass ihre Gefechtsköpfe beim Wiedereintritt in die Atmosphäre grosser Hitze und anderen Belastungen standhalten müssen. Ausserdem muss die Lenkung verbessert werden.
Nordkorea hat zwar auch in dieser Hinsicht Erfolge hinausposaunt, doch ausländische Experten sind skeptisch. Im Juni behauptete Nordkorea, erstmals eine Rakete mit mehreren Sprengköpfen getestet zu haben, die eine feindliche Raketenabwehr überwinden können. Südkorea erklärte indessen, die Waffe sei explodiert. Im Juli gab Nordkorea den Start einer taktischen Rakete für «supergrosse Sprengköpfe» bekannt. Südkorea sprach dagegen von dem Versuch, einen verpfuschten Start zu vertuschen.
Raketen mit immer grösserer Reichweite
Lee schätzt, eine Technologie für den Wiedereintritt von Gefechtsköpfen in die Atmosphäre zu entwickeln, sei derzeit eigentlich das wichtigste Ziel Nordkoreas. Doch stattdessen baue das Land Raketen mit immer grösserer Reichweite. «Das deutet möglicherweise darauf hin, dass sie noch kein Vertrauen in ihre Wiedereintritts-Technologie haben», sagt Lee.
Nichtsdestotrotz ist Nordkoreas Raketenprogramm ein grosses Sicherheitsproblem in der Region, denn das Land droht offen damit, Atomwaffen einzusetzen. Dazu kommt, dass Nordkorea Truppen an die russisch-ukrainische Grenze entsandt hat. Südkorea, die USA und andere befürchten, dass Nordkorea als Gegenleistung dafür russische Hochtechnologie erhalten könnte, um seine Probleme bei der Raketenentwicklung hinter sich zu lassen.
Südkorea – Erneute Raketenstarts durch Nordkorea
STORY: Nordkorea hat laut südkoreanischen Angaben mehrere nicht identifizierte Marschflugkörper ins Meer vor seiner Westküste geschossen. Die Raketen seien gegen 7 Uhr morgens (Ortszeit) abgefeuert worden, teilte der Generalstabschef des südkoreanischen Militärs am Dienstag mit. Er sagte, dass man mit den militärischen Aufklärungsbehörden der USA noch weitere Daten auswerten müsse. Es war bereits der dritte derartige Test innerhalb weniger Tage. Dabei kamen nach Darstellung Pjöngjangs zuletzt neuartige Marschflugkörper für den Ausbau der nuklearen Schlagkraft des Landes zum Einsatz. Der Raketentest erfolgte vor dem Hintergrund wachsender Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Erst am Sonntag hatte Machthaber Kim Jong Un einen Test neuer U-Boot-gestützter Marschflugkörper überwacht.