Antisemitismus-Eklat «New York Times» sägt Polit-Comics ab – «Lege Stift mit Seufzen nieder»

Von Philipp Dahm

11.6.2019

Der viel kritisierte Cartoon in der Printausgabe der «New York Times» vom 26. April 2019.
Der viel kritisierte Cartoon in der Printausgabe der «New York Times» vom 26. April 2019.
Bild:  PD

Ende April stand die «New York Times» in der Kritik, weil ein politischer Cartoon voll unter die Gürtellinie ging. Das hat Konsequenzen, wie nun ein Schweizer Karikaturist meldet.

Die «New York Times» (NYT) stellt ihre politischen Cartoons ab Juli ein. Das hat der Schweizer Karikaturist Patrick Chappatte auf seiner Website bekannt gemacht. Chapatte gehört zu den Künstlern, deren Zeichnungen regelmässig in dem altehrwürdigem Blatt erschienen sind.

Das Aus für die Cartoons hatte ein Skandal besiegelt, der die Zeitung vor sechs Wochen erschüttert hatte: Am 25. April hat die «NYT» eine antisemitische Karikatur publiziert, die zeigt, wie Israels Premier Benjamin Netanjahu mit einem Davidstern als Halsband den blinden Donald Trump führt, der eine Kippa trägt.

Die Zeichnung, die am 26. April auch in der Printausgabe der internationalen «NYT»-Ausgabe zu sehen war, sorgte nicht nur in der jüdischen Gemeinde für einen Aufschrei: Unter anderem übte US-Vizepräsident Mike Pence Kritik. «So eine Symbolik ist immer gefährlich und in einer Zeit, in der Antisemitismus weltweit auf dem Vormarsch ist, ist sie noch weniger akzeptabel», entschuldigte sich die Zeitung nach dem Vorfall und kündigte an, sicherzustellen, dass Derartiges nie wieder geschehe.

Dass die Comics gänzlich abgesägt werden, hatte damals jedoch kaum ein Beobachter erwartet. «Letzte Woche haben mir meine Arbeitgeber eröffnet, dass sie die politischen Cartoons bereits zum Juli einstellen», schreibt Chapatte. «Ich lege meinen Stift mit einem Seufzen nieder. Viele Jahre Arbeit hinfällig wegen eines Cartoons, der nicht einmal von mir war und der niemals in der besten Zeitung der Welt hätte erscheinen dürfen.» Die «NYT» hat die Meldung inzwischen bestätigt.

Chapatte, Sohn eines Schweizers und einer Libanesin, kreiert seit über 20 Jahren politische Cartoons, doch in dem jüngsten Fall sieht er auch einen Trend, der deren geistige Eltern unter Druck setzt. «Mehr als oft sind die Medien das wahre Ziel hinter den Comics. Politische Cartoons sind mit der Demokratie aufgekommen. Sie werden infrage gestellt, womit die Freiheit infrage gestellt wird.»

Patrick Chappatte sorgt sich um die Meinungsfreiheit.
Patrick Chappatte sorgt sich um die Meinungsfreiheit.
Bild: Keystone

Der Schweizer erinnert an Kollegen aus Venezuela, Nicaragua oder Russland, die wegen ihrer Arbeit Probleme bekommen haben. Musa Kart sitzt in der Türkei hinter Gittern, weil seine Cartoons Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Dorn im Auge waren. Andererseits weiss Chapatte angesichts Social Media auch: «Die Macht der Bilder war noch nie so gross.» Der dreifache Familienvater endet mit den Worten: «Hört auf, Angst vor dem wütenden Mob zu haben. In der verrückten Welt, in der wir leben, ist die Kunst des visuellen Kommentars gefragter denn je. So wie Humor.»

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