Israels Premier unter Druck«Netanjahu landet auf dem Müllhaufen der Geschichte»
tafi/AFP
13.10.2023
Neue israelische Regierung kündigt hartes Vorgehen gegen Hamas an
Das israelische Militär führt am frühen Donnerstag (Ortszeit) einen «gross angelegten Angriff» auf Ziele der Hamas im Gaza-Streifen. 1200 Menschen sind im besetzten Gebiet gemäss Gesundheitsministrium seit Samstag getötet worden, 5600 verletzt.
12.10.2023
Erst hat er Israel mit einer umstrittenen Justizreform gespalten, nun wird Benjamin Netanyahu vorgeworfen, Israel nicht vor dem Hamas-Terror geschützt zu haben. Der Premierminister steht mit dem Rücken zur Wand.
tafi/AFP
13.10.2023, 21:06
tafi/AFP
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Nach dem Hamas-Angriff steht Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor dem Aus.
Selbst aus seiner eigenen Partei spürt Israels rechtskonservativer Premierminister Druck.
Kritiker werfen Netanjahu zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit der Hamas vor.
Das kollektive Trauma des brutalen Überfalls der Hamas hat das zuletzt gespaltene Israel geeint. Doch die Tage von Benjamin Netanjahu als Regierungschef seien gezählt, sind sich Beobachter einig. «Er steht mit dem Rücken zur Wand. Alle setzen ihn unter Druck, auch seine eigene Partei Likud», sagt Akiva Eldar, ein langjähriger politischer Kommentator, nachdem die radikalislamische Hamas Israel am Wochenende mit einem gross angelegten Angriff überrascht hatte.
«Bibi (Netanjahu) muss die Infrastruktur der Hamas zerstören, das ist sicher», sagt Eldar. «Aber wenn dies um den Preis geschieht, dass Kinder im Gazastreifen verhungern, dann wird sich die derzeit israelfreundliche Haltung der Welt schnell ändern.»
Auch die von US-Präsident Joe Biden angebotene Unterstützung sei kein Blankoscheck. «Die Antwort muss im Verhältnis zu den von der Hamas begangenen Gräueltaten stehen. Aber Netanjahu kann es sich nicht leisten, den Tod von tausend weiteren israelischen Soldaten oder Geiseln in Kauf zu nehmen», urteilt Eldar.
Israel ist nicht gut auf den Krieg vorbereitet
Eine weitere Quelle des Drucks auf Netanjahu sei die anhaltende Lähmung des Landes als Reaktion auf den Angriff, warnen israelische Wirtschaftsexperten und erinnern an den Stillstand durch den 34 Tage dauernden Krieg mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon 2006.
Dieses Problem sei besonders gravierend, weil Israel nicht gut auf den Krieg vorbereitet sei, verlautet aus dem Militär. Vor allem dann nicht, wenn sich der Krieg auf eine zweite und dritte Front ausweite – im Norden gegen die Hisbollah und im Osten bei einem Aufstand im Westjordanland.
Am Mittwoch hatten Netanjahu und Oppositionsführer Benny Gantz eine Notstandsregierung für die Dauer des Krieges auf den Weg gebracht. «Die Anwesenheit von Benny Gantz in der Regierung wird den Druck auf den Regierungschef etwas verringern», sagt Daniel Bensimon, Politikexperte und ehemaliger Abgeordneter der Arbeitspartei.
«Die Notstandsregierung wird die Spannungen verringern, aber sie wird nichts an den grundlegenden Verhältnissen ändern: Netanjahus Tage als Premier sind gezählt und er weiss das. Er wird diese Krise nicht überstehen. Seine politische Karriere ist beendet.»
«Die Öffentlichkeit wird ihn zur Rechenschaft ziehen»
«Was (am Samstag) geschah, ist beispiellos seit der Gründung des Staates 1948», sagt Bensimon. Er geht davon aus, dass es eine Untersuchung geben wird, wie es dazu kommen konnte. «Sie wird schrecklich sein. Danach wird Netanjahu auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Und das weiss er genau. Deshalb steht er mit dem Rücken zur Wand.»
Auch die Probleme, mit denen Netanjahu vor dem Krieg konfrontiert war, werden nicht verschwinden. Beobachter rechnen damit, dass die Proteste gegen seine Justizreform wieder losgehen, sobald die Kämpfe vorbei sind. Und zwar noch heftiger als in den vergangenen zehn Monaten.
Nach Ansicht von Reuven Hazan, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Jerusalem, ist Netanjahus gesamter Ansatz gegen die Hamas gescheitert. «Die Öffentlichkeit wird ihn zur Rechenschaft ziehen, wenn das alles vorbei ist», sagt Hazan.
Netanjahu steht vor einem Dilemma
Die Frage ist nun, was Israel tun könnte, da sich die bisherige Strategie als falsch erwiesen hat. Die Zeitung «Jerusalem Post» thematisiert, was vielen Israelis gerade durch den Kopf geht: «Ist dies der Moment für Israel, den Gazastreifen wieder zu besetzen?»
Die Antwort sei alles andere als eindeutig, sagt der Analyst Eldar. «Wenn man in Gaza einmarschiert, weiss man nie, in welchem Zustand man wieder herauskommt. Das ist das Dilemma von Netanjahu. Wird er vernünftig genug sein, um die richtige Entscheidung zu treffen?»
Netanjahu: «Wir sind im Krieg mit der Hamas»
«Wir sind im Krieg und wir werden gewinnen.» Das hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in einem Video am 7. Oktober erklärt. Militante Palästinenser hatten am heutigen Samstagmorgen einen überraschenden Grossangriff auf Israel gestartet.