Experte analysiert Strategie Mit den Geiseln will die Hamas «Israel demütigen»

aru

10.10.2023

Israelische Soldaten in einem Grenzort zum Gazastreifen.
Israelische Soldaten in einem Grenzort zum Gazastreifen.
Ilan Assayag/AP/dpa

Die Bilder der brutalen Verschleppungen gehen um die Welt. Rund 150 Menschen hat die Hamas aus Israel entführt. Welche Taktik verfolgt die Islamisten-Miliz? Ein Sicherheitsexperte erklärt das.

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  • Wozu nehmen die Hamas mindestens 150 Menschen als Geiseln? Ein Experte erklärt, dass diese Taktik für die radikalislamistische Miliz vor allen zwei Funktionen erfüllt.
  • Einerseits soll so der israelische Staat gedemütigt werden.
  • Andererseits sollen die Geiseln die Israelis in den Gazastreifen locken, sodass die Lage eskaliert und hässliche Bilder entstehen.

Mindestens 150 Menschen aus dem israelischen Grenzgebiet wurden von den Hamas entführt und verschleppt. Damit verfolgt die Hamas laut Peter Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College in London, zwei Strategien: Die erste sei die Demütigung Israels. «Alle Welt kann sehen, hier sind Israelis in palästinensischer Gefangenschaft. Die Hamas kann mit ihnen machen, was sie möchte», sagte Neumann in der Sendung «10 vor 10» von SRF am Montagabend.

Zusätzlich hätten diese Geiseln auch die Funktion, die Israelis in den Gazastreifen zu locken. Darauf spekuliere die Hamas. «Sie möchte, dass die Israelis kommen, versuchen die Geiseln zu befreien, sich dabei in Häuserkämpfen verwickeln und so alle möglichen hässlichen Bilder produzieren, sodass am Ende quasi eine Art Täter-Opfer-Umkehr entsteht.» Nicht mehr die Hamas würden dann als Täter dastehen, sondern die Israelis.

Auf die Frage, wie er die Chancen auf Verhandlungen einschätzt, sagt Neumann, dass diese sehr gering seien.  Denn zum einen wollten sich die Israelis nicht darauf einlassen, zum anderen wisse man aus Erfahrung, dass Geiselverhandlungen zum Teil Jahre dauern würden. «Ich glaube, aktuell haben weder die Hamas noch die Israelis die Geduld dazu.»

Israel droht eine zweite Kriegsfront

Die Gefahr, die derzeit für Israel bestehe, sei, dass sich im Norden eine zweite Front öffne. An der Grenze zum Libanon könnten die Hisbollah-Miliz aktiv werden. «Wenn da nicht gleichzeitig die Aufmerksamkeit ist, dann könnte Israel ein weiteres Mal überrascht werden.»

Die Chancen, dass Israel eine militärische Offensive startet, um die Geiseln zu befreien, schätzt der Experte als sehr hoch ein. «Ich glaube, die Israelis haben ziemlichen Druck zu demonstrieren, dass sie diese Leute befreien können, ohne dass sie irgendwelche Kompromisse mit der Hamas eingehen.»

Die Gefahr dabei bestehe, dass sich die Israelis in einen Häuserkampf begeben, der sie am Ende schlecht aussehen lässt, obwohl sie die Opfer seien.

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