Russisches Schiff wohl vor Nord-Stream-Explosion nahe Tatort
Wenige Tage vor den Nord-Stream-Explosionen in der Ostsee hat sich nach Angaben des dänischen Militärs ein russisches Spezialschiff in der Nähe der Detonationsorte befunden.
03.05.2023
Die Hinweise, dass russische Schiffe mit den Nord-Stream-Anschlägen zu tun haben, verdichten sich. Ein britischer Ex-Geheimdienstmitarbeiter hat Auffälligkeiten bei russichen Spezialschiffen aufgezeichnet.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Ein ehemaliger britischer Geheimdienstler hat weiterhin die russische Ostseeflotte abgehört.
- Dabei hat er weitere Hinweise gesammelt, dass sich russische Schiffe vor den Explosionen an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 aufhielten.
- Bereits zuvor machte ein dänisches Patrouillenschiff nahe der Explosionsorte Bilder eines russischen Spezialschiffs.
Vor den Explosionen an den Nord-Stream-Leitungen in der Ostsee haben sich nach Angaben skandinavischer Medien mehrere russische Marineschiffe in der Nähe der späteren Explosionsorte befunden. Zu diesem Befund kommt auch ein ehemaliger britischer Agent, der den Funkverkehr in der Ostsee systematisch abhört.
Das berichten Investigativjournalisten der nordischen Rundfunkanstalten SVT aus Schweden, NRK aus Norwegen, DR aus Dänemark und Yle aus Finnland in der am Mittwoch veröffentlichten dritten und letzten Folge ihrer gemeinsamen Dokumentation «Schattenkrieg».
Die Journalisten berufen sich dabei auf Radiokommunikation zwischen den Schiffen und der russischen Flottenbasis, die der namentlich nicht genannte frühere Geheimdienstmitarbeiter der britischen Marine abhörte, sowie auf Satellitenbilder.
Funksprüche im Juni 2022 abgehört
Der Mann, der sich seit 2018 im Ruhestand befinden soll, macht laut dem «Spiegel» heute da weiter, wo er vor rund vier Jahren aufgehört hat: Mit Funktechnik und anderen öffentlich zugänglichen Quellen beobachtet er in seiner Freizeit Moskaus Ostseeflotte.
Anhand der von ihm zusammengetragenen Informationen lassen sich teils Bewegungsprofile von Schiffen erstellen, die auf geheimer Mission ihr automatisches Identifikationssystem (AIS) ausgeschaltet hätten und darüber von niemandem mehr geortet werden könnten.
Auch im Juni 2022 habe der Ex-Agent den Funkverkehr russischer Schiffe abgehört und deren Positionen und Kurse abgespeichert. Als rund drei Monate später die Unterwasserexplosionen an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 stattfanden, habe er seine Aufzeichnungen durchforstet und dabei ungewöhnliche Aktivitäten nahe den Tatorten festgestellt.
Mehrere russische Schiffe nahe Explosionsort
Demnach hielten sich russische Flottenschiffe in den Monaten und Tagen vor den Detonationen stunden- und einmal sogar einen ganzen Tag lang in den Gebieten auf, in denen es später zu den Explosionen kam. Dabei sollen sie ihre Sender abgestellt haben und somit unter dem Radar gefahren sein.
Ein Flottenschiff mit abgestelltem Sender und der Möglichkeit zu Unterwassereinsätzen, der Schlepper «SB-123», sei fünf Tage vor den Detonationen an den Explosionsorten gewesen. Zwei weitere Schiffe – darunter das für Unterwasseroperationen ausgerüstete hydrografische Forschungsschiff «Sibirjakow» und ein weiteres nicht identifiziertes Schiff – bereits im Juni.
Ein Militäranalytiker der Universität von Kopenhagen, Jens Wenzel Kristoffersen, sagte den Sendern, all die Angaben deuteten darauf hin, dass Operationen unter der Wasseroberfläche stattgefunden hätten.
Dutzende Bilder von Spezialschiff
Das dänische Militär hatte der Zeitung «Information» vor knapp einer Woche bestätigt, dass ein Patrouillenschiff am 22. September 2022 in der Nähe der Explosionsorte insgesamt 26 Bilder von dem russischen Spezialschiff «SS-750» gemacht habe.
Das Schiff verfügt über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen. Vier Tage später war es nahe Bornholm zu mehreren Explosionen an den Pipelines gekommen, über die Gas von Russland nach Deutschland geliefert worden war. Die Behörden gehen von Sabotage aus. Wer dafür verantwortlich ist, ist unklar. In Deutschland, Dänemark und Schweden laufen Ermittlungen.
«t-online» hatte Ende März unter Berufung auf Informationen aus Sicherheitskreisen und öffentlich einsehbare Daten berichtet, dass russische Militärschiffe wenige Tage vor den Anschlägen auf die Pipelines mutmasslich an den Tatorten operiert hätten – darunter auch die «SS-750» und der nun genannte Schlepper «SB-123».
sda/uri