Late Night USAUnsinn, der Sinn macht: Übernimmt Trump für McCarthy?
Von Philipp Dahm
5.10.2023
Nachdem sich die Republikaner mit der Absetzung von Kevin McCarthy einen Bärendienst erwiesen haben, ertönt der Ruf, Donald Trump solle Sprecher des Repräsentantenhauses werden. Seth Meyers kommentiert.
Von Philipp Dahm
05.10.2023, 14:27
14.11.2023, 15:16
Philipp Dahm
Keine Zeit? blzûe News fasst für dich zusammen
Donald Trump hat im New Yorker Betrugsprozess eine gag order erhalten: Er darf sich nicht mehr über das Gericht und seine Mitglieder äussern.
Überschattet wird diese Meldung aber von der Abwahl von Kevin McCarthy als Sprecher des Repräsentantenhauses.
Zuvor sind schon andere Republikaner wie John Biehner oder Paul Ryan in dieser Rolle gescheitert.
Seth Meyers sieht als Grund dafür, dass der Partei eine «erkennbare ideologische Agenda fehlt, der alle zustimmen».
Nun wird Donald Trump als McCarthys Nachfolger ins Spiel gebracht, weil der Sprecher selbst gar nicht Mitglied des Repräsentantenhauses sein muss.
So weit ist es gekommen mit Amerika, sagt Seth Meyers in «Late Night»: Da erteilt ein Richter einem Ex-Präsidenten zum ersten Mal überhaupt ein Redeverbot – «und irgendwie war es nicht einmal die grösste News des Tages».
Donald Trump darf sich nun nicht mehr öffentlich über die Angestellten des Gerichts äussern, doch Meyers glaubt, dass der 77-Jährige den englischen Begriff gag order falsch verstehen könnte: «Jetzt darf euer lieber früherer Präsident keine Gags mehr machen, keine Scherze, keine Clownereien. Wenn ich euch jetzt sage, ihr sollt an meinem Finger ziehen, bin ich rechtlich verpflichtet, euch zusagen: Wenn ihr es tut, werde ich furzen.»
Doch überstrahlt wurde die Neuigkeit natürlich von der Abwahl des Sprechers des Repräsentantenhauses – ein Vorgang, den es seit 1789 noch nicht gegeben hat. «Es ist das erste Mal, dass so was geschieht: Republikaner haben eine Gabe, auf die peinlichste Art Geschichte zu schreiben», lästert Meyers. Andererseits sei Chaos bei den Republikanern auch nichts Neues.
Bezeichnend ist der Clip, den «Late Night with Seth Meyers» bei Minute 3:56 einspielt: Da muss Patrick McHenry ans Rednerpult treten, der den Sprecher-Job kommissarisch übernimmt. Der 47-Jährige ist mit dem geschassten Kevin McCarthy befreundet: «Man sieht, wie wütend er ist, weil er [den Hammer] wirklich durchzieht», sagt Meyers. «Wollte er die Sitzung beenden oder einen Stoffpanda auf der Kirmes gewinnen?»
«Yes to America»
Dass das Amt des Sprechers nun vakant sei wie das Zimmer eines billigen Motels, kommt für Meyers aber nicht überraschend: «Kevin McCarthy war nicht gerade der begabteste Politiker. Er ist nicht besonders charismatisch. Er scheint nicht für irgendwas zu stehen. Und manchmal ist es einfach hart zu verstehen, was er sagen will.»
Im Clip ab Minute 5:24 steht McCarthy am 28. Oktober 2020 auf einer Wahlkampf-Bühne mit Donald Trump. «Ich will, dass ihr zuseht, wie mir [die damalige Sprecherin] Nancy Pelosi den Hammer übergibt», sagt McCarthy. «Und ich verspreche euch das: Ich werde nicht sie damit schlagen, aber ich werde das Ende des Sozialismus einschlagen und Ja zu Amerika.»
Im Englischen ist das ebenso wirr, aber auch doppeldeutig, weil to bang auch «bumsen» heisst: «I won't bang her with it, but i'll bang the end of socialism and yes to America.» Kein Wunder, dass Meyers anschliessend einigermassen nachdenklich in die Kamera guckt. Dann sagt er: «Es ist schwer, auf derselben Bühne wie Trump zu stehen und derjenige zu sein, der am wenigsten Sinn macht.»
Keine Partei-Ideologie, «der alle zustimmen»
Der 49-Jährige fährt fort: «Wenn jemand, den du liest, so redet, musst du sofort [die US-Notrufnummer] 911 anrufen. Oder wie Kevin sagen würde: «Rufe die 1 an, dann noch eine 1 und dann vor diesen beiden eine 9.» Und Meyers erinnert an die Zugeständnisse, die McCarthy an die Hardliner unter den Republikaner machen musste.
Um im Januar im 15. Wahlgang gewählt zu werden, hat er jedem republikanischen Abgeordneten das Recht eingeräumt, einen Antrag einzubringen, den Sprecher abzusetzen.
Doch McCarthy ist nicht allein: Republikanische Sprecher vor ihm wie John Biehner oder Paul Ryan haben mit dem Job auch Probleme gehabt. Die Partei «hat tatsächlich keine erkennbare ideologische Agenda, der alle zustimmen», meint der Gastgeber. «Es gibt keine kohärenten politische Ziele ausser Steuererleichterungen für Reiche und das Verbot von woken Antifa-Barbiepuppen.»
Sean Hannity bringt Trump ins Spiel
Deswegen steckten diese Leute in einem Teufelskreis: «Ein Sprecher wird gewählt, ein Haufen Hardliner fordert, dass er verrückten S****** macht, er sagt nein und sie nehmen ihn raus.» Und weil der Sprecher-Job so heikel ist, wird nun Donald Trump als Nachfolger ins Spiel gebracht, denn der Sprecher muss selbst gar nicht Mitglied des Repräsentantenhauses sein.
Late Night USA – Amerika verstehen
blue News
50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.
Im Clip ab Minute 10:48 berichtet Fox-News-Moderator Sean Hannity, dass «Quellen» ihm verraten hätten, dass einige Republikaner Kontakt zu Trump aufgenommen hätten. «Mir wurde gesagt, dass Präsident Trump offen dafür sein könnte, der Partei zu helfen.» Natürlich nur übergangsweise, denn der 77-Jährige will ja wieder ins Weisse Haus einziehen.
«Unglaublich», sagt Meyers, «nur die Republikaner denken darüber nach, den Job des Sprechers jemandem zu geben, der Redeverbot hat.» Es sei ausserdem komisch, dass Hannity, der regelmässig mit Trump spricht, erzähle, dass «Quellen» ihm berichtet hätten, Trump sei offen für so ein Angebot. «Also hat Trump es dir erzählt?», fragt Meyers nach.
Sein Fazit: «Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben keinen Sprecher und ihr Standard-Kandidat steht wegen Betruges vor Gericht: Man kann den Zustand der Partei nicht besser zusammenfassen.»