Teil-Lockdown Silvester fällt für Deutsche (fast) ins Wasser

dpa/tmxh/toko

21.12.2021 - 20:49

Während die Massnahmen hierzulande in kleinen Schritten verschärft werden, gibt es in Deutschland zum Jahreswechsel einen Teil-Lockdown. Mit Folgen auch für Schweizer*innen, die zur Silvesterparty anreisen wollen.

Wie so oft in den vergangenen Monaten unterscheidet sich die hiesige Corona-Politik nicht unwesentlich von denen unserer Nachbarn: Während in der Schweiz seit Montag erst eine landesweite 2G-Regelung gilt, ist man etwa in Deutschland Schritte weiter. Ernst wird es dort allerdings erst nach Weihnachten – das Versprechen, dass es keinen Lockdown zum Fest geben würde, hat die frische Regierung nicht gebrochen.

Direkt nach den Feiertagen gibt es in Deutschland aber nun zumindest einen Teil-Lockdown. Um die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus zu bremsen, haben Bund und Länder in Deutschland umfassende Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens beschlossen.

Sie sollen aber erst nach Weihnachten gelten. Spätestens ab 28. Dezember soll generell eine Obergrenze von zehn Personen für Privattreffen gelten. Der neue deutsche Kanzler Olaf Scholz verständigte sich mit den Ministerpräsidenten der Länder am Dienstag zudem auf die Schliessung von Clubs und Diskotheken und auf leere Ränge bei Fussballspielen und anderen Grossveranstaltungen. Einen umfassenden Lockdown mit der Schliessung von Restaurants und Geschäften wird es aber nicht geben.

«Corona macht keine Weihnachtspause», sagte Scholz bei der Vorstellung der Massnahmen. Man habe zwar die vierte Corona-Welle derzeit gut im Griff. Die besonders ansteckende Omikron-Variante, die den Impfschutz unterlaufen könne, werde aber sicher zu einer fünften Welle führen, auf die man sich jetzt vorbereiten müssen. «Wir können und dürfen nicht die Augen verschliessen vor dieser nächsten Welle», sagte Scholz.

Scholz: Nicht die Zeit für Partys

Ziel der neuen Massnahmen ist es, die zwischenmenschlichen Kontakte massiv zurückzufahren – vor allem mit Blick auf Silvester. «Es ist derzeit nicht mehr die Zeit für Partys und gesellige Abende in grosser Runde», sagte Scholz.

Für Schweizer*innen, die den Jahreswechsel in Deutschland verbringen wollen, heisst das: Eine grosse Silvesterparty mit Freunden und Familie wird es nicht geben, für Ungeimpfte schon gar nicht.

Neben den Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich, den Schliessungen von Clubs und Diskotheken und dem Zuschauerverbot für Grossveranstaltungen soll die Booster-Kampagne weiter vorangetrieben werden – auch während der Weihnachtstage und zwischen den Feiertagen. Bis Ende Januar werden 30 Millionen weitere Auffrischungsimpfungen angestrebt. Mindestens 32,6 Prozent der Gesamtbevölkerung haben bereits eine Auffrischungsimpfung bekommen. Mindestens 70,4 Prozent sind bisher zweifach geimpft oder haben die Einmal-Impfung von Johnson & Johnson erhalten. Im Schnitt wurden in den vergangenen sieben Tagen 1,1 Millionen Impfungen pro Tag verabreicht.

Am 7. Januar soll bei einer weiteren Ministerpräsidentenkonferenz Bilanz gezogen werden.

RKI für «flächendeckende Kontaktbeschränkungen»

Vor der Konferenz hatte es Forderungen nach deutlich weitreichenderen Massnahmen gegeben. Das RKI hatte Alarm geschlagen und die sofortige Schliessung von Restaurants und eine Verlängerung der Weihnachtsferien für Schulen und Kitas gefordert. Es ging damit über die Stellungnahme des Expertenrats der Bundesregierung vom Sonntag hinaus, die Grundlage für die Ministerpräsidentenkonferenz war. Die grössten Effekte auf die Dynamik der Omikron-Welle seien «von konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen» und von Massnahmen zur Infektionsvorbeugung zu erwarten, erklärte das RKI.

Bei der Bundesregierung kam das nicht gut an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in der Schaltkonferenz, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung sei aber «nicht abgestimmt» gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Das dürfe nicht passieren. Scholz wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass auch das RKI mit seinem Chef Lothar Wieler im Expertengremium der Regierung vertreten ist. Dessen Empfehlung sei einstimmig gewesen.

Der Expertenrat der Bundesregierung hatte deutlich vager «gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen» gefordert. Nach Einschätzung der Experten kann Omikron auch zweifach Geimpfte sowie Genesene leicht anstecken. «Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen.» Die Expertinnen und Experten warnten vor einer «neuen Dimension» der Pandemie. Kliniken stünden vor starker Überlastung. Ein Teil der Bevölkerung könnte wegen Krankheit oder Quarantäne auch als Beschäftigte ausfallen. Gefährdet sei das Funktionieren von Versorgungs- und Sicherheitssystemen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verteidigte die Arbeit des RKI. Man müsse nicht jeden einzelnen Punkt von dessen Auffassungen teilen. «Aber es ist aus meiner Sicht wichtig, dass dem RKI der Respekt entgegengebracht wird, den es verdient», sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vor den Bund-Länder-Beratungen schnell bundesweit schärfere Massnahmen gefordert. «Ich werde heut' von Bundeskanzler Scholz in dieser Richtung Führung bestellen», sagte er. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte in der ARD, wenn sich die Situation mit Omikron weiter verschärfe, müsse man möglicherweise die Epidemische Lage wieder beschliessen, die Rechtsgrundlage für weitestgehende Massnahmen war, bis die Ampel-Koalition sie auslaufen liess. Das Berliner Abgeordnetenhaus beschloss diese Epidemische Lage für das Land Berlin.

Der Saarbrücker Modellierer Thorsten Lehr sagte dem Fernsehsender ntv, abhängig von den Massnahmen könnten die Inzidenzen Anfang des Jahres um die 1000 liegen. «Da sehen wir wirklich eine relativ starke Wand auf uns zukommen.» Vorerst sank die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag am Dienstag wieder etwas – von 316,0 auf 306,4 Corona-Neuinfektionen pro 100'000 Einwohnern und Woche. Binnen eines Tages gab es offiziell 23'428 Neuinfektionen und 462 Todesfälle.

dpa/tmxh/toko