Lagebild UkraineKiew plant den Gegenangriff – mit der Krim als Ziel?
Von Philipp Dahm
24.3.2023
Russischer Spitzenpolitiker droht mit Raketen auf Berlin
Russland will in diesem Jahr 1500 Panzer für den Krieg gegen die Ukraine produzieren. Der militärisch-industrielle Komplex sei heiss gelaufen, sagte der Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew. Die Mehrheit der Rüstungsbetriebe arbeite im Drei-Schichten-System.
24.03.2023
Während sich die Lage in Bachmut stabilisiert, wartet die Welt gespannt auf die angekündigte ukrainische Frühlingsoffensive. Welche Szenarien infrage kommen und was im Sommer wichtig wird, erfährst du hier.
Von Philipp Dahm
24.03.2023, 18:22
Philipp Dahm
Alle reden von Kiews Gegenoffensive. Sogar die Ukraine selbst: Zuletzt erklärt Generaloberst Olexander Syrsyk auf Telegram, die Angreifer in Bachmut und dem Rest des Donbass seien am Ende ihrer Kräfte.
Deshalb will der Befehlshaber des Heeres angreifen: «Wir werden recht bald diese Gelegenheit nutzen, wie wir es seinerzeit bei Kiew, Charkiw, Balaklija und Kupjansk gemacht haben.»
This is going to become one of my favourite soundbites from any foreign minister I have interviewed. I asked @DmytroKuleba what was behind the creative diplomacy Ukraine had shown during the war: pic.twitter.com/a1RlMzgp5e
Aber wer kündigt schon seine Offensive an? Schlägt Kiew womöglich an ganz anderer Stelle zu? Die Antwort lautet: Jein. Zumindest glauben das einige russische Militärs, wie ein Video suggeriert, das auf dem Kanal von Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin veröffentlicht wurde.
Darin wird bestätigt, was russische Blogger bereits gemeldet haben: Angeblich hat die Ukraine in der Umgebung von Bachmut jede Menge Truppen zusammengezogen. 80’000 Soldaten, 300 Panzer, 1000 gepanzerte Fahrzeuge und 90 schwere Artilleriesysteme sollen bereitstehen.
«Die Krim ist das entscheidende Gelände»
Allerdings glauben die Militärs nicht, dass sich ein ukrainischer Angriff auf Bachmut beschränkt. Einerseits rechnen sie auch mit einem Vorstoss im Nordosten, der von Lyman ausgeht, und einer grösseren Attacke im Süden des Landes – mit den Zielen Mariupol und Melitopol.
Warum eine ukrainische Offensive in Saporischschja sinnvoll ist und wie sie aussehen könnte, kannst du hier nachlesen. Vergangene Woche haben ukrainische Truppen im Süden einen Vorstoss Richtung Polohy gewagt, der angeblich gemacht wurde, um die dortige Verteidigung zu testen.
Russian mi. cor. "Svidetely Bayraktara" says that the Ukrainian attack at Polohy was a test run to expose weaknesses in Russian defence. It showed that Ukrainian vehicles were able to move through the mud and even reached Russian positions. The post is a reaction to Vladlen… pic.twitter.com/2zMgeR9MjU
Ben Hodges, einst Oberkommandierender der US-Truppen in Europa, weiss einen weiteren Grund, dort anzugreifen. Wer sich einen Sieg der Ukraine und eine Wiederherstellung ihrer Souveränität wünscht, müsse einsehen, dass «die Krim das entscheidende Gelände ist», sagt der 64-Jährige. Kiew könnte alle Gegner in Bachmut töten und es würde nichts ändern: Die Stadt sei strategisch nicht wichtig.
Stabilisierung in Bachmut
«Aber wenn man die Krim befreit, ändert das alles. Es würde grosses Chaos auf der russischen Seite verursachen», meint Hodges. Ein Verbleib der Halbinsel bei Russland sei schon deshalb kaum denkbar, weil so die wichtigen ukrainischen Häfen Berdjansk und Mariupol vom Schwarzen Meer abgeschnitten würden. Hodges glaubt, im Juni könnte es so weit ein.
Während die Zukunft der Krim ungewiss ist, bleibt die Gegenwart in Bachmut mörderisch. Russische Kräfte dringen einerseits vor allem im Süden weiter in die Stadt vor. Die ukrainischen Streitkräfte konnten andererseits die Angreifer an den Flanken zurückdrängen und die Nachschubwege in die Festung entlasten.
In Bachmut erwarten die Verteidiger «konstante Angriffe» von «allen Seiten», beschreibt ein Leutnant namens Wladislaw die Situation in Bachmut: «Die Situation ist nirgendwo einfach, aber wir halten durch, und wir sind auf jedes Szenario dieses Krieges vorbereitet.» «Natürlich ist es beängstigend: Nur Idioten haben keine Angst», ergänzt Kamerad Ruslan. «Aber was soll ich tun? Alles hängt vom Schicksal ab.»
Waffen-Update
Und von den Waffen, die der Westen liefert: Um Angriffe auf zivile Ziele abzuwehren, müsse Kiew mit mehr Luftabwehr ausgestattet werden, meint Ben Hodges.
Und: «Die Ukraine braucht geschützte, mobile Feuerkraft. Deutsche, britische und ukrainische Panzer, der französische AMX und amerikanische Bradleys werden eine kritische Rolle diesen Sommer spielen, um die altmodische russische Verteidigung zu durchbrechen.»
Der Westen versucht, das Szenario zu ermöglichen: Kanada hat einen weiteren Leopard von Nordamerika nach Europa geflogen. Ein Zug mit deutschen Schützenpanzern vom Typ Marder durchquert Polen. Spanien will bis Ende nächster Woche sechs Leopard 2A4 verschifft haben: Das Training dazu haben 55 Ukrainerinnen und Ukrainer vergangene Woche in Saragossa abgeschlossen.
So fährt sich ein Leopard-Panzer
Der Leopard 2 ist durch den Krieg in der Ukraine in aller Munde: blue News hat im Januar 2023 das Ausbildungszentrum der Schweizer Armee in Thun besucht und sich den Panzer erklären lassen, in den Kiew grosse Hoffnung setzt.
02.02.2023
Auch die USA wollen Panzer-Lieferungen beschleunigen, doch schnell geht es trotzdem nicht. Eigentlich wollte Washington 31 M1A2 senden, was ein bis zwei Jahre gedauert hätte. Nun soll das ältere M1A1-Modell in acht bis zehn Monaten in der Ukraine ankommen. Zudem haben 65 Ukrainerinnen und Ukrainer in den USA ihr Training am Flugabwehrsystem Patriot beendet und sollen in den kommenden Wochen in ihrer Heimat stationiert werden.
The Czech initiative "Gift for Putin" collected 30 million crowns (over 1.2 million euros) for the purchase of a RM-70 multiple rocket launcher for Ukraine. The transfer is planned in the coming weeks. pic.twitter.com/eRFZIkwq6U