Lagebild Ukraine Kiew kämpft bei Bachmut so, wie es Prigoschin vorhergesagt hat

Von Philipp Dahm

14.7.2023

«Wir werden nicht wanken» – Bidens Ukraine-Rede ermutigt Litauer

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Auftritt von US-Präsident Joe Biden in der litauischen Hauptstadt Vilnius am Donnerstag, am Rande des Nato-Gipfels. Ein Auftritt, der hier in Litauen, an der Ostflanke der Nato in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland mit Spannung erwartet wurde.

14.07.2023

Russische Soldaten verzweifeln: Der Generalmajor wird entlassen, der in Moskau Missstände benennt. Bei Bachmut verfährt der Gegner so, wie Jewgeni Prigoschin warnend prophezeit hat. Und auch die Bayraktar-Drohne ist zurück.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für sich zusammen

  • Der Kreml hat Generalmajor Iwan Popow gefeuert, nachdem der sich über die militärische Führung beschwert hat.
  • Die Entlassung des populären Chefs der 58. Armee, die in der Süd-Ukraine kämpft, ist der nächste Tiefschlag für die Truppen-Moral.
  • Der verschwundene General Sergei Surowikin «ruht sich aus», teilt Moskau mit.
  • Westlich von Kreminna verzeichnet die russische Armee kleine Fortschritte.
  • Nördlich von Bachmut haben ukrainische Truppen Anhöhen erobert, bei denen der geschasste Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin einen Angriff vorhergesagt hat.
  • Im Süden, wo Russland den ukrainischen Hauptangriff erwartet, geht es für Kiews Kräfte nur langsam voran.

Die Stimmung in den russischen Schützengräben im Süden der Ukraine dürfte auf dem Tiefpunkt sein. Die 58. Armee, die in Cherson und Saporischschja eingesetzt wird, hat ihren Kommandeur verloren, der bei den Soldaten angeblich sehr beliebt war.

Iwan Popow hat den Fehler gemacht, die militärische Führung um General Waleri Gerassimow und Verteidigungsminister Sergei Schoigu zu kritisieren: Der 48-Jährige ist entlassen worden, weil er bemängelt, dass es bei den Front-Truppen keine Rotation gibt und weil es keine effektiven Artillerie-Duelle gebe.

Der Kommandeur, der sich dafür einsetzt, dass seine Truppen nicht verheizt werden und eine Hoffnung besteht, dass sie irgendwann von der Front auch wieder abgezogen werden, wird abserviert. Dabei ist seit Wochen offensichtlich, dass es die ukrainische Artillerie darauf ansetzt, ihr russisches Pendant auszuspüren und zu zerstören.

Krieg lässt Köpfe rollen

Ohne Artillerie-Unterstützung wird es für die russische Infanterie noch schwerer, sich Kiews Gegenoffensive zu erwehren. Gleichzeitig macht Moskau mehr als deutlich, dass Ehrlichkeit nicht gefragt ist: Nur die Ja-Sager kommen im Kreml weiter, lautet die Botschaft. Für die Ukraine ist diese Politik ein Segen: Mit Popow, aber auch Sergei Surowikin verliert das russische Militär fähige Köpfe.

Apropos: Auf den Verbleibt des Generals angesprochen antwortete ein Offizieller angeblich, Surowikin «ruht sich aus». Das «Wall Street Journal» berichtet dagegen, der 56-Jährige sei einer von 15 Offizieren, die nach dem Wagner-Aufstand aus dem Verkehr gezogen worden sind.

Andere hohe Militärs lassen auf dem Schlachtfeld ihr Leben: Eine Storm Shadow trifft im russisch besetzten Berdjansk am 11. Juli ein Hotel und tötet Generalleutnant Oleg Zokow. Und da wir schon bei verheerenden Langstrecken-Angriffen sind: Eine ukrainische Attacke auf eine Industrieanlage in Tokmak hat angeblich um die 200 Russen getötet.

Bachmut: Prigoschin hat es gewusst

Es gibt also nur wenig gute Nachrichten für die russische Armee. Den einzigen Erfolg, den sie derzeit vorzuweisen hat, erkämpft sie sich im Norden der Front: Dort steht Moskaus Armee zwar nur noch 1,5 Kilometer vor dem Dorf Torske und nur drei Kilometer von der Siedlung Saritschne entfernt, doch bis zu nach Lyman sind es noch zwölf Kilometer und bis zum Regionalzentrum Slowjansk noch 30 Kilometer.

Von Kreminna aus stösst die russische Armee nach Torske und Saritschne vor. Die nächsten wichtigen Punkte im Westen sind Lyman und Slowjansk.
Von Kreminna aus stösst die russische Armee nach Torske und Saritschne vor. Die nächsten wichtigen Punkte im Westen sind Lyman und Slowjansk.
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Südlich dieser Szene, also im Norden von Bachmut, sind die Russen jedoch in der Defensive. Die ukrainische Armee ist bis auf drei Kilometer am Soledar herangerückt. Wie schwer es für Kiews Kräfte war, in das höher gelegene Gebiet vorzustossen, zeigt das unten stehende Video von «Reporting from Ukraine». Dass die Ukrainer versuchen werden, eben diese Anhöhen einzunehmen, hat Jewgeni Prigoschin übrigens vor Wochen vorausgesagt.

Bis russische Truppen im Norden von Bachmut eingeschlossen werden, ist es aber noch ein sehr langer Weg. Bei Berchiwka haben die Russen zum Beispiel eine erfolgreiche Gegenoffensive gestartet und die Ukrainer nach Westen zurückgedrängt.

Im Norden von Bachmut hat die ukrainische Armee bei Berchiwka an Boden verloren, kommt dafür aber im Norden von Soledar voran.
Im Norden von Bachmut hat die ukrainische Armee bei Berchiwka an Boden verloren, kommt dafür aber im Norden von Soledar voran.
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Wo die Russen im Süden den Hauptangriff erwarten

Im Süden von Bachmut ist es Moskaus Männern nicht gelungen, die Anhöhen westlich von Klischtschijiwka zurückzuerobern: Dort waren Truppen des Tschetschenen-Führers Achmat Kadyrow stationiert worden, die jedoch geschlagen worden sind. Von dort nehmen ukrainische Truppen nun auch Bachmut selbst unter Beschuss. Auch um Kurdjumiwka, das fünf Kilometer weiter südlich liegt, wird offenbar heftig gekämpft.

Im südlichen Frontabschnitt geht es für die ukrainische Armee nur langsam voran. Der Vorstoss, der in Welyka Nowosilka begann, steckt vor dem Dorf Pryjutne fest. Selbst wenn das erobert wird, sind es immer noch rund zwölf Kilometer bis zur ersten russischen Verteidigungslinie.

Das Dorf Pryjutne ist immer noch zwölf Kilometer von der russischen Verteidigungslinie entfernt. Hinter Urozhaine und Staromarjorsk haben russische Truppen frische Schützengräben ausgehoben.
Das Dorf Pryjutne ist immer noch zwölf Kilometer von der russischen Verteidigungslinie entfernt. Hinter Urozhaine und Staromarjorsk haben russische Truppen frische Schützengräben ausgehoben.
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Am nächsten kommen die ukrainischen Streitkräfte der ersten russischen Verteidigungslinie bei Robotyne, das 20 Kilometer nördlich von Tokmak liegt. In dieser Richtung erwartet der Kreml übrigens die Haupt-Offensive der Gegenseite. Der Grund: Tokmak ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, aber inzwischen dementsprechend auch sehr stark befestigt.

Neue Bayraktar im Einsatz?

Bleibt noch ein Brennpunkt im Süden zu benennen: Die Spezialeinheiten, die bei der Antoniwkabrücke am linken östlichen Dnjepr-Ufer einen Brückenkopf gebildet haben. Es gelingt den Russen weiterhin nicht, das Gebiet bei Dachi zu räumen. Nach Minen, Panzerfäusten und Artillerie haben zuletzt Drohnen russische Panzer aufgehalten.

Bei der Antoniwkabrücke kommen nun auch neue ukrainische Bayraktar-Drohnen zum Einsatz, weiss Military Lab.
Bei der Antoniwkabrücke kommen nun auch neue ukrainische Bayraktar-Drohnen zum Einsatz, weiss Military Lab.
YouTube/Military Lab

Angeblich sind dabei auch Drohnen vom Typ Bayraktar TB2 zum Einsatz gekommen, was dafür sprechen würde, dass die Türkei der Ukraine heimlich neue Exemplare geliefert hat. Das Problem wird für Moskau nicht kleiner werden, weil Kiews Streitkräfte mit Schnellbooten offenbar Personal nachführt.