Velo statt VespaKeine Angst vor Schlaglöchern – Italien entdeckt das Radfahren
dpa/tafi
29.5.2020
Ins Büro oder zum Einkaufen mit dem Velo? Für viele Italiener ist das eigentlich ein Unding. Schlagloch-Pisten, drängelnde Autofahrer und Smog – wer mag da schon radeln? Doch 2020 ändert sich vieles.
Die Szene wirkt ein wenig wie beim Giro d'Italia. Doch vor dem Kolosseum, dem Wahrzeichen Roms, findet kein Radrennen statt. Die Römer selbst radeln vorbei: Familien, Paare, Sportler. Viele tragen Sonnenbrillen, wenige Mundschutzmasken. In anderen Teilen der Hauptstadt steigt die Zahl der Radfahrer ebenfalls, und nicht nur dort.
Italien erlebt einen Zweirad-Boom, den vor Monaten noch niemand erwartet hat. Mit dem Ende des Corona-Lockdowns, so scheint es, ändert sich im Land von Ferrari, Fiat und Vespa etwas Gravierendes.
«So einen Umschwung habe ich noch nicht erlebt», sagt Alessandro Tursi, Präsident des Fahrradverbandes Fiab. Der Architekt und Stadtplaner ist überrascht. Er berichtet, dass er seit Jahren mit mässigem Erfolg bei Entscheidern in Rom und andernorts für eine grüne Verkehrspolitik warb. Gesetze, Bürokratie, Autofahrerlobby, überall seien die Hürden gegen Innovationen hoch gewesen. «Im April und Mai, in der heftigen Covid-Krise, war das plötzlich anders, und leicht.»
530 Franken Zuschuss fürs Velo
Die italienische Regierung erliess Sonderdekrete, um die Wirtschaft nach der Vollbremsung in Schwung zu bringen. Darin seien Veränderungen der Verkehrsregeln enthalten, die fahrradfreundlich seien, berichtet Tursi. Ausserdem versprach Ministerpräsident Giuseppe Conte den Menschen in den Zentren, besonders in Städten mit mehr als 50'000 Einwohnern, beim Kauf von Rädern und E-Scootern einen Zuschuss bis 60 Prozent des Preises, höchstens 500 Euro (530 Franken).
Da Busse und Bahnen wegen der Abstandsregeln weniger Passagiere mitnehmen dürfen, sollen die Bürger vermehrt auf Zweiräder umsteigen. Angesichts ständiger Staus waren viele Städte zu Stosszeiten vor der Krise eh am Limit. Ausserdem soll das Geldgeschenk ein Anschub für die Branche sein. Italien ist bei der Radproduktion europaweit spitze.
Dazu kommt: Vielen Italienern sind Schlangen an Bahnhöfen und Gedränge in Bussen dieser Tage in Covid-Zeiten unangenehm. Also, warum nicht aufs Rad steigen? Zumal Radfahren während der Sperren in den leer gefegten Zentren mehr Spass machte als vorher. Schon 2019 waren die Radverkäufe gestiegen. Nach der Neu-Öffnung im Mai wurden die Läden dann landesweit gestürmt.
Wie Metropolen dem Stau begegnen
In Beijing, der boomenden Hauptstadt Chinas, wurden einschneidende Massnahmen ergriffen, um den Anstieg des Autoverkehrs zu bremsen: PKW werden nur noch in begrenzter Anzahl zugelassen, und zwar im Losverfahren.
Bild: Keystone
In Kopenhagen steigt man auch bei Eis und Schnee aufs Velo. Die dänische Hauptstadt will den jetzt schon hohen Anteil vom Veloverkehr von 36% bis 2025 auf 50% ausbauen.
Bild: Keystone
Als Ergebnis einer Volksabstimmung dürfen gemeldete Einwohner der estnischen Hauptstadt Tallinn kostenlos öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Bild: Keystone
In südamerikanischen Städten mit der entsprechenden Topographie wie z.B. La Paz kommen zunehmend wieder Seilbahnen zum Einsatz. Sie gewähren auch den Einwohnern von Armenvierteln einen besseren und vor allem auch sichereren Zugang zu Arbeitsplätzen in der Innenstadt.
Bild: Keystone
Jahrzehntelang war der Fluss Cheonggyecheon in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul von einer Trasse überbaut. 2003 liess der damalige Bürgermeister das Gewässer wieder freilegen und als Park gestalten. Das Viertel erfuhr durch den Rückbau einer Strasse einen Aufschwung.
Bild: Getty Images
In der E-Auto-Metropole Oslo wurde das Ziel ausgegeben, die Innenstadt bis 2024 komplett frei von fossilen Kraftstoffen zu bekommen. Das würde ein Verbot sowohl von Dieseln als auch Benzinern bedeuten. Schon jetzt sind rund 40 Prozent der neugekauften Autos in der Hauptstadt Norwegens Elektroautos.
Bild: Getty Images
Auch in den autofixierten USA setzt mancherorts und langsam ein Umdenken ein. In Boston wurde seit der Jahrtausendwende eine Tramlinie um vier neue Stationen erweitert. Das betroffene Stadtviertel gelangte dadurch zu neuer Blüte.
Bild: Getty Images
Sogar in Moskau, das für exzessiven und rücksichtslosen Autoverkehr bekannt ist, wird vermehrt auf Velos gesetzt.
Bild: Getty Images
In London gilt die «Congestion-Charge» (Stau-Gebühr) unter der Woche von 07.00 bis 18.00 Uhr für alle Fahrzeuge. Überwacht wird die Maut mittels automatischer Nummernschilderkennung per Videokameras. Eine ähnliche Maut fällt für die Themse-Überquerung in Dartford östlich von London an. Wird die Gebühr nicht rechtzeitig entrichtet, drohen saftige Mahngebühren - auch für Fahrzeughalter aus dem europäischen Ausland.
Bild: Keystone
In der im Bau befindlichen chinesischen Retortenstadt «Chengdu Tianfu District Great City» soll die Nutzung privater Kraftfahrzeuge weitgehend überflüssig sein. Im gesamten Ort, in dem einmal 80'000 Menschen wohnen sollen, ist jeder Punkt in 15 Minuten zu Fuss erreichbar.
Bild: Getty Images
Auch die Ölnationen des Nahen Ostens kommen langsam auf den Geschmack der öffentlichen Verkehrsmittel. In Doha, der Hauptstadt Katars, soll ab 2020 eine U-Bahn fahren, ein Tramnetz soll folgen.
Bild: Getty Images
In der 3,8-Millionen-Metropole Athen gilt seit Jahrzehnten ein «rotierendes» Fahrverbot: An geraden Tagen dürfen im Stadtzentrum nur Pkw mit einem geraden und an ungeraden Tagen Pkw mit ungeradem Kennzeichen fahren. Ausgenommen davon sind Taxis und Lieferwagen.
Bild: Keystone
In Barcelona sollen ab 2020 ältere Pkw - nach Schätzung der Stadt sind das knapp 120'000 oder 17 Prozent aller Autos - völlig aus dem zentralen Stadtbereich verbannt werden.
Bild: Getty Images
Wie Metropolen dem Stau begegnen
In Beijing, der boomenden Hauptstadt Chinas, wurden einschneidende Massnahmen ergriffen, um den Anstieg des Autoverkehrs zu bremsen: PKW werden nur noch in begrenzter Anzahl zugelassen, und zwar im Losverfahren.
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In Kopenhagen steigt man auch bei Eis und Schnee aufs Velo. Die dänische Hauptstadt will den jetzt schon hohen Anteil vom Veloverkehr von 36% bis 2025 auf 50% ausbauen.
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Als Ergebnis einer Volksabstimmung dürfen gemeldete Einwohner der estnischen Hauptstadt Tallinn kostenlos öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
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In südamerikanischen Städten mit der entsprechenden Topographie wie z.B. La Paz kommen zunehmend wieder Seilbahnen zum Einsatz. Sie gewähren auch den Einwohnern von Armenvierteln einen besseren und vor allem auch sichereren Zugang zu Arbeitsplätzen in der Innenstadt.
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Jahrzehntelang war der Fluss Cheonggyecheon in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul von einer Trasse überbaut. 2003 liess der damalige Bürgermeister das Gewässer wieder freilegen und als Park gestalten. Das Viertel erfuhr durch den Rückbau einer Strasse einen Aufschwung.
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In der E-Auto-Metropole Oslo wurde das Ziel ausgegeben, die Innenstadt bis 2024 komplett frei von fossilen Kraftstoffen zu bekommen. Das würde ein Verbot sowohl von Dieseln als auch Benzinern bedeuten. Schon jetzt sind rund 40 Prozent der neugekauften Autos in der Hauptstadt Norwegens Elektroautos.
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Auch in den autofixierten USA setzt mancherorts und langsam ein Umdenken ein. In Boston wurde seit der Jahrtausendwende eine Tramlinie um vier neue Stationen erweitert. Das betroffene Stadtviertel gelangte dadurch zu neuer Blüte.
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Sogar in Moskau, das für exzessiven und rücksichtslosen Autoverkehr bekannt ist, wird vermehrt auf Velos gesetzt.
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In London gilt die «Congestion-Charge» (Stau-Gebühr) unter der Woche von 07.00 bis 18.00 Uhr für alle Fahrzeuge. Überwacht wird die Maut mittels automatischer Nummernschilderkennung per Videokameras. Eine ähnliche Maut fällt für die Themse-Überquerung in Dartford östlich von London an. Wird die Gebühr nicht rechtzeitig entrichtet, drohen saftige Mahngebühren - auch für Fahrzeughalter aus dem europäischen Ausland.
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In der im Bau befindlichen chinesischen Retortenstadt «Chengdu Tianfu District Great City» soll die Nutzung privater Kraftfahrzeuge weitgehend überflüssig sein. Im gesamten Ort, in dem einmal 80'000 Menschen wohnen sollen, ist jeder Punkt in 15 Minuten zu Fuss erreichbar.
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Auch die Ölnationen des Nahen Ostens kommen langsam auf den Geschmack der öffentlichen Verkehrsmittel. In Doha, der Hauptstadt Katars, soll ab 2020 eine U-Bahn fahren, ein Tramnetz soll folgen.
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In der 3,8-Millionen-Metropole Athen gilt seit Jahrzehnten ein «rotierendes» Fahrverbot: An geraden Tagen dürfen im Stadtzentrum nur Pkw mit einem geraden und an ungeraden Tagen Pkw mit ungeradem Kennzeichen fahren. Ausgenommen davon sind Taxis und Lieferwagen.
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In Barcelona sollen ab 2020 ältere Pkw - nach Schätzung der Stadt sind das knapp 120'000 oder 17 Prozent aller Autos - völlig aus dem zentralen Stadtbereich verbannt werden.
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Metropolen bauen jetzt Radwege
Händler aus der lombardischen Metropole Mailand jubelten in der Zeitung «Repubblica» über Käufer, die früher nicht einmal daran gedacht hätten, sich aufs Rad zu setzen. Der Industrieverband Ancma erwartete für Mai ein Umsatzplus von 60 Prozent – und aufs Jahr gerechnet könnte ein Anstieg bis 25 Prozent möglich sein.
Mailand, im Winter oft eine Smog-Hochburg, kündigte an, bis September rund 25 Kilometer Radwege zu schaffen. Bis Ende des Jahres sollen weitere Strecken folgen. Auch in Rom liess Bürgermeisterin Virginia Raggi Bautrupps ausrücken, um Markierungen zu machen und Pisten anzulegen. Die Hauptstadt will rasch – bei grösserer Fläche als Mailand – 150 Kilometer Radstreifen schaffen.
Die 41-Jährige von der Fünf-Sterne-Bewegung postet regelmässig auf Facebook Videos neuer Wege. Wobei manche Römer bei Raggi aus Erfahrung viel heisse Luft vermuten. Zuvor hatte das Verkehrsministerium den Städten nach Berichten das Signal gegeben, dass sie Raum von Strassen und Parkplätzen umwidmen dürften.
Viele Verkehrstote
Eigentlich galten Räder in Italien mehr als Sportgeräte denn als Transportmittel. Zudem liegt das Mittelmeerland bei der Verkehrssicherheit unter dem Durchschnitt in Europa. Zwar gingen die Opferzahlen im Vergleich zu 1980 zurück. Doch eine EU-Statistik verzeichnete im Jahr 2018 55 Tote pro eine Million Einwohner. In der Schweiz sind die Strassen mit 27 Verkehrstoten pro eine Million Einwohner deutlich sicherer.
Wie in anderen Ländern auch, sind in Italien Fussgänger und Zweiradfahrer besonders gefährdet. Wobei die Fahrradfreundlichkeit und die Qualität des Wegenetzes von Norden nach Süden abnimmt und die Tiefe der Schlaglöcher zunimmt, wie Rad-Lobbyist Tursi polemisch sagt: «Südtirol lässt sich mit Skandinavien vergleichen. Dann kommt ein Mittelfeld, und ab Rom fühlt sich das Radfahren an wie in Afrika.»
Im Zentrum der Hauptstadt sind die uralten Kopfsteinpflasterstrassen schon für sich genommen eine Herausforderung. Dazu kommt, dass Autos ohne Rücksicht aus Parklücken stossen, Radfahrer von Motorrädern geschnitten werden und Busse sie dreist abdrängen.
Umdenken durch Corona
Weniger Unfälle und weniger Abgase in der Luft wurden bisher hauptsächlich zu speziellen Anlässen wie dem Weltfahrradtag (3. Juni) oder nach tödlichen Unglücken zum Thema gemacht. So protestierten Verbände am 23. Februar, kurz vor den Corona-Sperren, vor dem Kolosseum für mehr Schutz im Verkehr.
Alessandro Malagesi, einer der Veranstalter, war damals skeptisch, ob seine Landsleute je freiwillig ihren Platz auf den Strassen mit mehr Rädern teilen wollten. Jetzt sagt der Mittvierziger: «Wenn man mit den Veränderungen nicht anfängt, wird sich nie etwas tun. Der Verkaufsboom ist ein gutes Zeichen.»
Auch Nada Franco, die in einem Fahrradgeschäft in der Via del Cardello unweit vom Kolosseum einen Kunden nach dem anderen bedient, meint: «Hoffen wir, dass diese Entwicklung wirklich andauert.»
Wartung und Pflege: Brauchen Elektrofahrräder mehr Zuwendung?
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Pendler auf zwei Rädern: Vielfahrer müssen ihren Akku häufiger laden.
Bild: Sebastian Hofer/www.pd-f.de/dpa-tmn
Check vom Fachmann: Mindestens einmal im Jahr raten Experten zum Check des E-Bikes in der Werkstatt, Vielfahrer gehen besser zweimal.
Bild: www.hpvelotechnik.com/www.pd-f.de/dpa-tmn
Die Unterhaltskosten bei einem E-Bike sind oft höher als bei einem normalem Fahrrad - die Ersatzteilfrage in Bezug auf den Akku sollten Kunden daher gleich beim Kauf ansprechen.
Bild: Tobias Hase/dpa-tmn
Kraftwerk: Der Elektromotor unterstützt, sobald die Radler in die Pedale treten. Ein Mittelmotor wirkt dabei direkt am Tretlager.
Bild: Paul Masukowitz/www.pd-f.de/dpa-tmn
Perfekt pumpen: Der korrekte Druck ist im E-Bike-Reifen noch wichtiger als beim normalen Fahrrad.
Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-tmn
Weiter hinaus dank elektrischem Rückenwind: Bei Pflege, Unterhaltskosten und Ersatzteilen unterscheiden sich Pedelecs von klassischen Rädern.
Bild: Tobias Hase/dpa-tmn
Beim Elektro-Velo besonders wichtig: Putz und Einstellarbeiten der normalen Fahrradtechnik wie etwa den Federn.
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