Kapitol-Stürmer reuig «Trump hat alle aufgewiegelt»

dpa/sob

13.7.2022 - 05:23

Sturm auf das Kapitol war «bewusste Strategie» Trumps

Sturm auf das Kapitol war «bewusste Strategie» Trumps

War der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 durch Trump-Anhänger spontan – oder verfolgte der damalige US-Präsident genau diesen Plan? Der Untersuchungsausschuss zu den Vorkommnissen ist sich sicher: Trumps Vorgehen war eine bewusste Strategie

13.07.2022

Vor dem Untersuchungsausschuss rechnet ein früherer Anhänger Trumps mit dem Ex-Präsidenten ab: Erst dessen Aufruf zum Marsch zum Kapitol habe ihn überhaupt veranlasst, da mitzumachen, sagt Stephen Ayres.

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Ein Teilnehmer am Sturm auf das US-Kapitol hat sich vor dem zuständigen Untersuchungsausschuss von Ex-Präsident Donald Trump distanziert. Er sei am 6. Januar 2021 erst auf Trumps Appell hin nach Washington gegangen, erklärte der Zeuge Stephen Ayres am Dienstag vor dem Gremium im Repräsentantenhaus. Er habe sich von dessen falschen Wahlbetrugsvorwürfen einfangen lassen und wirklich geglaubt, dass Trump an jenem Tag mit ihnen zum Kapitol marschieren würde. Er habe auch eine kleine Chance gesehen, dass das Ergebnis der Präsidentschaftswahl noch gekippt werden könnte. Heute bereue er, den Lügen Trumps Glauben geschenkt zu haben.

Der Screenshot eines Videos zeigt Stephen Ayres (Mitte) am 6. Januar 2022 im Weissen Haus. 
Der Screenshot eines Videos zeigt Stephen Ayres (Mitte) am 6. Januar 2022 im Weissen Haus. 
KEYSTONE

«Ich hatte das Gefühl, als ob ich Scheuklappen aufgehabt hatte», sagte Ayres. «Ich war die ganze Zeit gefangen.» Der Zeuge hatte auch eine Botschaft an andere Trump-Anhänger. «Nehmt die Scheuklappen ab; stellt sicher, dass ihr einen Schritt zurücktretet und seht, was da vor sich geht, ehe es zu spät ist.» Über seine Teilnahme am Sturm auf das Kapitol sagte Ayres: «Es hat mein Leben verändert – und nicht zum Guten.»

Der Ausschuss untersucht, wie es zum Angriff auf das Kapitol kam und welche Rolle Trump dabei spielte. Dieser hatte seine Anhänger damals aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen, wo seine Wahlniederlage gegen Joe Biden beglaubigt werden sollte. Eine wütende Menge drang in das Kongressgebäude ein. Fünf Menschen kamen zu Tode. Vier Polizisten, die damals dort im Einsatz waren, nahmen sich später das Leben.

Gegen Ayres wurde zwar nicht wegen Gewalt oder Vandalismus ermittelt, doch bekannte er sich schuldig, eine Ordnungswidrigkeit während der Krawalle begangen zu haben. Im September soll er dafür verurteilt werden. Vor dem Untersuchungsausschuss gab Ayres an, dass er im Staat Ohio 20 Jahre für eine Tischlerei tätig gewesen sei. Nach dem Sturm aufs Kapitol habe er aber seinen Job verloren und sein Haus verkaufen müssen.

«Ich bin der verdammte Präsident»: Trump wollte angeblich bei Kapitol-Sturm dabei sein

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29.06.2022

Trump habe «alle aufgewiegelt»

Der Untersuchungsausschuss wollte am Beispiel Ayres' auch aufzeigen, dass Trumps Tweet vom 19. Dezember 2020, in dem er seine Anhänger zur Reise nach Washington aufforderte, nicht nur rechtsextreme Gruppen mobilisierte, sondern auch Durchschnittsamerikaner. Ayres erläuterte, dass er vor dem 6. Januar 2021 dem damaligen Präsidenten in sozialen Medien treu gefolgt sei. «Ich war sehr aufgebracht, wie die meisten seiner Unterstützer», entgegnete er vor dem Ausschuss auf die Frage nach Trumps haltlosen Behauptungen vom Wahlbetrug. Als die Vizechefin des Gremiums, die Republikanerin Liz Cheney, von ihm wissen wollte, ob er immer noch glaube, dass Trump um den Wahlsieg gebracht worden sei, antwortete Ayres: «Jetzt nicht mehr so sehr.»

Stephen Ayres am 12. Juli 2022 bei seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses. 
Stephen Ayres am 12. Juli 2022 bei seiner Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses. 
Bild: Keystone

Er habe damals gar nicht vorgehabt, das Kapitol zu stürmen, doch habe Trumps vorangegangene Rede «alle aufgewiegelt». Er und seine Freunde hätten später während der Krawalle entschieden, den Kongresssitz zu verlassen, als Trump seine Anhänger in einem Tweet zurückgepfiffen habe. Hätte Trump dies früher getan, «wären wir vielleicht nicht in dieser schlechten Situation.»

Entschuldigung bei Polizisten

Nach der Anhörung trat Ayres im Ausschusssaal an Polizisten heran, die zuvor von verbalen und körperlichen Angriffen durch den wütenden Mob berichtet hatten. Er entschuldigte sich bei den Beamten Aquilino Gonell, Harry Dunn, Daniel Hodges und dem Ex-Polizisten Michael Fanone. Letzterer sagte der Nachrichtenagentur AP, dass er Ayres' Entschuldigung für unnötig halte, weil sie für ihn nichts verändere. Hodges sagte dem Sender CNN, er habe die Entschuldigung angenommen. «Du musst glauben, dass es da draussen Leute gibt, die sich ändern können.»

Am 6. Januar 2021 erstürmten Trump-Anhänger gewaltsam das Kapitol in Washington DC. Ein Untersuchungsausschuss befasst sich jetzt mit der Aufarbeitung der damaligen Ereignisse. (AP Photo/Manuel Balce Ceneta)
Am 6. Januar 2021 erstürmten Trump-Anhänger gewaltsam das Kapitol in Washington DC. Ein Untersuchungsausschuss befasst sich jetzt mit der Aufarbeitung der damaligen Ereignisse. (AP Photo/Manuel Balce Ceneta)
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