Kriminalitätshochburg Johannesburg im Wandel: Wo Luxus und Armut nebeneinander liegen

von Katharina Haase, dpa

18.6.2018

Johannesburg gilt als eine der gefährlichsten Städte. Jetzt will die Metropole ihr Image verbessern. Mit hippen In-Vierteln und mehr Polizei versucht sie den Wandel. Aber die Zahl der Morde pro Tag ist immer noch um ein Vielfaches höher als beispielsweise in Deutschland.

In Johannesburgs Innenstadt liegt ein kleines Viertel mit dem klangvollen Namen Maboneng. Das Wort kommt aus der südafrikanischen Sprache Sotho und bedeutet «Ort des Lichts». Tatsächlich gleicht Maboneng einem Lichtblick in der immer noch düster wirkenden Innenstadt. Nirgendwo sind die Gegensätze der Wirtschaftsmetropole deutlicher zu spüren als hier, wo 100 Meter entfernt von einem Luxushotel eine heruntergekommene Bruchbude steht, in der Familien mit sieben Kindern auf wenigen Quadratmetern leben während im Nebenraum Drogendealer ihren Stoff zusammenmischen.

«Johannesburg hat zwei Gesichter»

«Johannesburg hat zwei Gesichter. Ein armes und ein wohlhabendes», sagt Bonnie Nnyandu. Der 30-jährige Schwarze arbeitet seit Ende seines Studiums als Stadtführer. Aufgrund der Armut und der hohen Kriminalitätsrate galt Johannesburg lange als die gefährlichste Stadt der Welt. Einfach einen Spaziergang durch die Stadt zu machen, wie es in Deutschland selbstverständlich ist, war hier fast unmöglich. «Aber seit verschiedene Investoren hier aktiv sind, hat sich das geändert», sagt Nnyandu. Getrieben wird der Fortschritt von privatem Geld.

Offiziell leben in Johannesburg etwa vier Millionen Menschen, mit Umland bis zu elf Millionen. Der Verfall der Innenstadt gilt als eine Folge des rassistischen Apartheid-Regimes. 1950 begann die Regierung, die schwarze Mehrheit des Landes systematisch aus der Innenstadt zu vertreiben. Der sogenannte Central Business District (CBD) wurde daraufhin zum pulsierenden Mittelpunkt der - weissen - Stadt.

Doch die Utopie der Rassisten war nur schwer aufrecht zu halten. Schon in den 1980er-Jahren zogen wieder Schwarze in die Innenstadt. Später flohen viele Unternehmen in die nördlichen Vororte. Zurück blieben unzählige leerstehende Gebäude, die nach und nach illegal besetzt wurden. Die mittellosen Bewohner, sogenannte Hijacker, leben dort noch heute unter zumeist unwürdigen Bedingungen.

«Maboneng, das ist Afrika, wie es sein sollte»

Den ersten Versuch eines Neuanfangs machte Jonathan Liebman, ein junger Spross einer wohlhabenden Unternehmerfamilie. Er kaufte Industriegebäude rund um die berüchtigte Fox Street und gestaltete sie um. So schuf er Maboneng. Zuerst entstand «Arts on Main», ein hipper Markt. Dann folgten Bars, Kunstgalerien und schicke Wohnungen. Mittlerweile hat die Firma über 40 Gebäudekomplexe rund um Maboneng aufgekauft. Die teils hochpreisig vermieteten Gebäude werden von vielen privaten Sicherheitsleuten und Polizisten bewacht.

Auch an anderen Stellen der Stadt etablieren sich dank verschiedener Investoren weitere In-Bezirke wie zum Beispiel «44 Stanley», eine Mischung aus Büros und Restaurants. Das Konzept kommt gut an. «Hier im 44 Stanley kommen alle zusammen. Schwarz und Weiss, Jung und Alt. Hier gibt es keine Rassentrennung und keine Vorurteile», sagt Sydney Ncube, der dort als Kellner arbeitet. Der 30-jährige Schwarze ist in Johannesburg aufgewachsen. «Orte wie das 44 Stanley oder Maboneng verändern die Gesellschaft. Wir brauchen mehr solcher Orte.»

Der 38-jährige weisse Sean Wilson sitzt vor einem Hostel in der Fox Street. «Maboneng, das ist Afrika, wie es sein sollte. Hier kommen alle zusammen, alle feiern gemeinsam, alle sind Freunde und vergeben sich die Vergangenheit.» Doch angesichts der anhaltenden Armut, etwa unter den Hijackern, sagt er auch: «Die Stadt tut für die Armen hier weniger, als sie sollte.» Die meisten Hijacker kämen aus ärmsten Verhältnissen, viele seien Migranten, erklärt Michael Sun, bei der Stadt zuständig für öffentliche Sicherheit. Die nötigen Sozialwohnungen für sie gebe es nicht, räumt er ein. Dafür fehle es an Geld und Investoren. Investitionen wie von Liebman schafften Oasen, die meist nur der kleinen Mittelschicht zu Gute kämen, so Sun.

Die Lage in der Stadt verändert sich nur schleppend

Die Lage in der Stadt insgesamt verändert sich nur schleppend. In der Provinz Gauteng, die Johannesburg einschliesst, wurden zuletzt pro Jahr 4101 Fälle von Mord und Totschlag registriert - in Berlin etwa gab es 2017 nur 40 vollendete Taten. Raubüberfälle gab es in Berlin rund 2700, in Gauteng wurden 54’000 Fälle schweren Raubes gezählt. Viele Polizisten in Südafrika sind überfordert oder korrupt - oder beides. Johannesburg versucht jetzt, gegenzusteuern. Die kommunale Polizei soll bis Jahresende 1500 neue Beamte bekommen, wie Sun verspricht.

Orte wie Maboneng sind die Leuchttürme, die das Image der Stadt verbessern. Doch wegen der hohen Kriminalitätsrate schotten sich noch immer viele, die es sich leisten können, in Hochsicherheitsvierteln ab, sogenannten gated communities. Dort leben sie hinter hohen Mauern - geschützt durch Stacheldraht, Elektrozaun, Videoüberwachung und private Wachleute. Er könne das Bedürfnis nach Sicherheit verstehen, sagt Sun. «Doch wenn sie sich weiterhin hinter ihren hohen Mauern verschanzen, dann wird diese Stadt niemals zusammenwachsen können.»

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