Einberufung erweitert Jetzt kann Putin auch 70-Jährige in den Krieg schicken

uri

20.7.2023

Der russische Präsident Wladimir Putin verfolgt im Juli 2022 in St. Petersburg mit hochrangigen Offizieren die grosse Marine-Parade ab: Reservisten der höchsten Ränge können künftig bis 70 Jahre einberufen werden. 
Der russische Präsident Wladimir Putin verfolgt im Juli 2022 in St. Petersburg mit hochrangigen Offizieren die grosse Marine-Parade ab: Reservisten der höchsten Ränge können künftig bis 70 Jahre einberufen werden. 
Archivbild: Keystone

Russland verzeichnet in der Ukraine offenbar hohe Verluste, will aber eine weitere Mobilmachung verhindern. Jetzt hat die Duma reagiert und ein Gesetz verabschiedet, das das Alter für die Einberufung deutlich raufsetzt.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das russische Parlament hat ein neues Gesetz verabschiedet, mit dem das Höchstalter für die Einberufung zum Wehrdienst deutlich erhöht wird. 
  • Männer, die den Wehrdienst geleistet haben, können nun maximal bis zum 55 Lebensjahr eingezogen werden.
  • Hochrangige Reservisten können nun sogar bis zum Alter von 70 Jahren einberufen werden. 
  • Bislang hat Russland eine weitere Mobilmachung vermieden und erklärt, die Massnahmen zur Anwerbung von Freiwilligen sei erfolgreich. 
  • Zuletzt ging die Datenanalyse unabhängiger russischer Medien indes davon aus, dass das Land mit mindestens 47‘000 in der Ukraine getöteten russischen Soldaten hohe Verluste verzeichnet.

Wie viele Soldaten Russland im Krieg in der Ukraine tatsächlich verloren hat, ist nicht bekannt. Es dürften aber bedeutend mehr sein, als die offizielle Propaganda vermuten lässt. Erst in der letzten Woche ging eine Datenanalyse unabhängiger russischer Medien davon aus, dass bislang mindestens 47‘000 russische Soldaten getötet wurden. Das wären dreimal so viele wie im sowjetischen Afghanistankrieg von 1979 bis 1989.

Zugleich berichten die ukrainischen Streitkräfte von einer «grossen Aufstockung der russischen Truppen» bei Kupjansk. Rund 100’000 Soldaten, 900 Panzer, über 550 Artilleriegeschütze und 370 Mehrfachraketen deuten hier auf eine geplante Grossoffensive auf Charkiw hin.

Offiziere können bis 70 eingesetzt werden

Russlands Militär hat jedenfalls einen grossen Bedarf an neuen Soldaten. Das verdeutlicht auch ein neues Gesetz, das die Duma am vergangenen Dienstag verabschiedet hat. Hierin hat das Parlament das Höchstalter für die Einberufung zum Wehrdienst deutlich erhöht.

Wie der Österreichische Rundfunk ORF berichtet, betrifft das Gesetz einerseits Reservisten, die sich nach ihrem Militärdienst für eine regelmässige Ausbildung mit Vergütung gemeldet haben.

Hier hat das Unterhaus die Altersgrenze für die höchsten Ränge laut dem ORF von 65 Jahren auf 70 Jahre heraufgesetzt. Weitere Offiziere können nun bis 65 Jahre, Unteroffiziere bis 60 Jahre und alle anderen Ränge bis zum Alter von 55 Jahren statt bis 45 Jahre eingesetzt werden.

Die Männer, die ihren Dienst ohne weitere Verpflichtung abgeschlossen haben, können je nach Kategorie nun bis zum Alter von 40, 50 oder 55 Jahren einberufen werden. In allen Fällen sei die Altersgrenze um fünf Jahre angehoben worden, teilt die Duma mit.

Alter für Wehrdienst wurde bereits raufgesetzt

Das Höchstalter für den Wehrdienst war bereits zuvor von 27 auf 30 Jahre angehoben worden, so der ORF. Zudem wurde jungen Männer erschwert, der Einberufung zu entgehen: Seit vergangenem April müssen Einberufungsbescheide nämlich nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg zugestellt werden. Alle online erfassten Wehrpflichtigen dürfen Russland bis zur Vorstellung bei der Armee nicht mehr verlassen.

Experten: Russische Rekruten bekommen kaum Ausbildung

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Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London am Samstag hervor. Demnach hatte Moskau bereits Schwierigkeiten, Training für die etwa 300'000 bei der Teilmobilisierung eingezogenen Reservisten zu organisieren.

06.11.2022

Russland hatte im Zuge des Krieges in der Ukraine im vergangenen September seine erste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg verkündet. Dabei wurden nach offiziellen Angaben etwas mehr als 300'000 Soldaten eingezogen.

Moskau meldet Freiwillige in «bedeutendem Masse»

Verteidigungsminister Sergei Schoigu kündigte zudem an, die Zahl der Berufssoldaten und Wehrpflichtigen von insgesamt von 1,15 Millionen auf 1,5 Millionen zu erhöhen.

Pläne für eine weitere Mobilmachung, über die häufig spekuliert wird, hat Moskau bislang offiziell bestritten. Neue Zeitsoldaten, die sich per Vertrag an das Verteidigungsministerium bänden, reichten für den Bedarf an der Front aus, hiess es.

Im Juni teilte das Verteidigungsministerium mit, man habe die Zahl der Musterungsstellen zur Anwerbung Freiwilliger für den Kriegseinsatz in der Ukraine ausgeweitet. Es gebe mehr solcher Punkte und mehr Instrukteure, um mit den Kandidaten zu arbeiten. Die Zahl der Bewerber, die «ihr Leben mit dem Kriegsdienst verbinden wollen», sei in «bedeutendem Masse» gestiegen, hiess es.

Fragwürdige Methoden

Ob die Massnahmen tatsächlich so erfolgreich sind, daran bestehen allerdings Zweifel. Laut der Recherche eines unabhängigen russischen Portals, über das der Deutschlandfunk berichtete, soll der Kreml unter anderem Bauunternehmen in Moskau unter Druck setzen: Sie sollten unter ihren Arbeitern Freiwillige benennen, die in den Ukraine-Krieg ziehen. Im Gegenzug würden dann Aufträge der Stadt winken. 

Ebenfalls wirbt das Verteidigungsministerium inzwischen selbst verurteilte Schwerverbrecher in Gefängnissen an und soll auch Kämpfer des Islamischen Staats für den Ukraine-Krieg anwerben, berichtet die «Frankfurter Rundschau». 

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa