Vom Knast in den Tod So brutal verheizt die Gruppe Wagner russische Sträflinge

toko

24.8.2023

Ein verschmiertes Wandgemälde mit der Darstellung von Söldnern der russischen Wagner-Gruppe in Belgrad mit der Aufschrift: «Wagner-Gruppe — Russische Ritter».
Ein verschmiertes Wandgemälde mit der Darstellung von Söldnern der russischen Wagner-Gruppe in Belgrad mit der Aufschrift: «Wagner-Gruppe — Russische Ritter».
AP Photo/Darko Vojinovic/Keystone (Archivbild)

Die skrupellose Wagner-Truppe setzt bei ihren Einsätzen vor allem auf Sträflinge aus den überfüllten russischen Gefängnissen. Dort spricht sich nun jedoch herum, dass auf sie nur der Tod wartet.

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Anm. d. Red.: Dieser Artikel erschein erstmals im Januar 2023. Inzwischen soll Wagner-Boss bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein. Noch wurde sein Tod aber nicht unabhängig bestätigt.

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gewinnt die Söldnertruppe Wagner und deren Chef Jewgeni Prigoschin immer mehr an Bedeutung. Auch wenn «Putins Koch» zuletzt einen Dämpfer seines Chefs hinnehmen musste — seine Privatarmee hat er fest im Griff.

Die Söldnertruppe sorgt nicht nur wegen ihrer grausamen und skrupellosen Methoden für Aufsehen. Auch der Söldnerbegriff wird dort äusserst breit interpretiert. Denn die ruchlose Truppe setzt vor allem auf Häftlinge, die der traurigen Realität der russischen Gefängnisse entfliehen wollen.

Die Front als einziger Ausweg

In einem Beitrag des «Echo der Zeit» von Radio SRF berichtet Sergej Sawelew von den schlimmen Zuständen in den überfüllten Gefängnissen Russlands — und wie sich die Söldnergruppe Wagner dies zunutze macht.

Er selbst sass demnach wegen Drogendelikten für acht Jahre ein. Deshalb könne er auch nachvollziehen, warum manche lieber im Krieg ihr Leben riskieren, als im Gefängnis zu bleiben.

«Dort leben die Menschen unter schrecklichen Bedingungen, in überfüllten und dreckigen Zellen, wo sie verprügelt und gefoltert werden», sagt Sawelew. Eine vermeintlich strahlende Zukunft in der Söldnergruppe Wagner könne so als als einziger Ausweg erscheinen.

Wagner winkt mit Begnadigung

Der 33-Jährige betreibt die Hotline der russischen Nichtregierungsorganisation Gulagu und spricht täglich mit Ex-Insassen. Somit habe er auch erfahren, dass seit dem Sommer immer häufiger zwielichtige Männer in den Haftanstalten auftauchten und das Soldatenleben anpriesen.

Den Häftlingen werde demnach eine Begnadigung nach sechs Monaten in Aussicht gestellt, zudem ein guter Sold sowie hohe Entschädigungen für die Angehörigen im Falle ihres Todes an der Front.  

So habe die Wagner-Truppe zunächst Gewalttäter aus den Haftanstalten geholt. Mittlerweile, so Sawelew, werde jeder genommen. Zum Teil würden Häftlinge auch zum Einsatz gezwungen.

«In aller Regel sind sie Kanonenfutter»

Sawelew berichtet zudem von kaum vorstellbarer Grausamkeit an der Front und beruft sich nicht nur auf ehemalige Wagner-Soldaten und deren Angehörige, sondern auch auf Mitarbeiter der Polizei und des russischen Strafvollzugs.

Die Aussagen von Sawelew sind schockierend. «In aller Regel sind sie Kanonenfutter», sagt er und berichtet davon, wie Häftlinge in Minenfelder geschickt werden und Versuche zu desertieren meist mit der sofortigen Erschiessung bestraft würden. «Für die Kommandanten sind die Häftlinge nicht einmal richtige Menschen», sagt er.

Nur wenige kehrten demnach vom Einsatz an der Front zurück. Und langsam spreche sich in den Gefängnissen herum, dass der Dienst an der Front eher ein Todesurteil als eine Begnadigung nach sich ziehe. Laut Sawelew findet die Wagner-Truppe immer weniger Rekruten.

80 Prozent Verlust

Darauf deuten auch Schätzungen der unabhängigen russischen Nichtregierungsorganisation Russia Behind Bars hin. Demnach seien rund 80 Prozent der in der Ukraine eingesetzten Söldner entweder tot, verwundet oder vermisst.

In den Reihen der Privatarmee kämpfen derzeit laut US-Regierung rund 50'000 Soldaten in der Ukraine, darunter seien 10'000 Söldner und 40'000 Strafgefangene. Nach Schätzungen von Russia Behind Bars dürfte Wagner nunmehr insgesamt rund 50'000 Häftlinge rekrutiert haben.

Direktorin Olga Romanova zufolge hat die Wagner-Gruppe ein grosses Problem mit Deserteuren. Einige von ihnen würden demnach voll bewaffnet nach Russland zurückkehren. Im Dezember etwa eröffnete einer von ihnen das Feuer auf eine Polizeistation in Rostow und wurde verhaftet.

Romanova glaubt, dass Jewgeni Prigoschin jene Soldaten, die aus verschiedenen Gründen vermisst werden, nicht im Auge behält und sie wahllos für tot erklärt. Dies könne auch der Grund dafür sein, dass er dabei erwischt wurde, wie er leere Zinksärge an die Familien der «Kriegstoten» in Russland schickte.

Wie bedeutsam die Häftlinge als vermeintliche Ressource für die Wagner-Tuppe und Putins Armee sind, zeigt auch die offizielle russische Gefangenenstatistik: Die Anzahl der Häftlinge ging von August bis November um 8 Prozent zurück.