Trumps Madman-Strategie «Du sagst ihnen: ‹Der Typ ist so verrückt›»

Philipp Dahm

8.1.2025

Trump: Grönland sollte zu USA gehören – Donald Jr. reist hin

Trump: Grönland sollte zu USA gehören – Donald Jr. reist hin

«Grönland ist ein unglaublicher Ort, und die Menschen dort werden enorm davon profitieren, falls – und sobald – es Teil unserer Nation wird.», schreibt der designierte US-Präsident auf Truth Social.

07.01.2025

Er will die USA aus der Welt heraushalten – und sich Kanada, Grönland und den Panamakanal einverleiben: Donald Trumps Aussenpolitik ist unberechenbar – mit System. Das Vorbild: «Madman» Richard Nixon.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Donald Trump verblüfft mit unkonventionellen Forderungen – etwa damit, die Kontrolle des Panamakanals zu übernehmen und Kanada sowie Grönland den USA anzuschliessen.
  • Der Expansionismus widerspricht seinen Ankündigungen, sich aus der Weltpolitik zurückzuziehen, und verwirrt auch Parteifreunde.
  • Gerade in der Aussenpolitik folgt Trump offenbar der Madman-Theorie, die vor allem mit dem früheren US-Präsidenten Richard Nixon in Verbindung gebracht wird.
  • Nordkorea, Syrien und der Iran: Weitere Madman-Beispiele aus Trumps erster Amtszeit.
  • Die Madman-Taktik in anderen Bereichen der Politik.

Justin Trudeau kündigt seinen Rückzug als Premier Kanadas an. Und was macht Donald Trump?

Der tritt gegen den «Gouverneur» nach, wie er den 53-Jährigen spöttisch nennt – mit seiner ungeheuerlichen Forderung, das Land müsse sich den USA anschliessen. «Viele Kanadier würden liebend gerne der 51. Bundesstaat sein», schreibt der New Yorker gänzlich ungerührt von Trudeaus erklärtem Abgang.

Nicht nur das riesige Nachbarland im Norden der Vereinigten Staaten hat es Trump angetan. Auch den strategisch bedeutenden Panamakanal im Süden hat der kommende Präsident bereits ins Visier genommen. Kurz vor Weihnachten drohte der 78-Jährigen vor Anhängern in Arizona, dass dieser nicht in die «falschen Hände» geraten dürfe. Gemeint ist dabei China.

Oh, wie schön ist Panama

Auch die «exorbitanten Preise», die für die Überfahrt zwischen Atlantik und Pazifik verlangt werden, nerven Trump: «Die totale Abzocke unseres Landes wird umgehend aufhören», tönt er mit Blick auf seinen Amtsantritt. Panamas Präsident müht sich daraufhin, zu erklären, dass die Betreiber die Gebühren festlegen – und nicht der Staat. Jose Raul Mulino betont zudem, sein Land werde die Hoheit über den Kanal nicht hergeben.

Schiffe stauen sich im künstlichen Gatúnsee bei Colón, um den Panamakanal zu benutzen: Dessen Gebühren sind wegen des von Trump angezweifelten Klimawandels gestiegen. Weil die Seen weniger Wasser führen, können nicht mehr so viele Schiffe abgefertigt werden wie früher.
Schiffe stauen sich im künstlichen Gatúnsee bei Colón, um den Panamakanal zu benutzen: Dessen Gebühren sind wegen des von Trump angezweifelten Klimawandels gestiegen. Weil die Seen weniger Wasser führen, können nicht mehr so viele Schiffe abgefertigt werden wie früher.
Bild: Keystone

Und dann ist da noch die Sache mit Grönland. Die Idee, dass die USA Dänemark die grösste Insel der Welt abkaufen könnten, bringt Trump zum ersten Mal am 18. August 2019 unters Volk. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich: «Ich verspreche, das Grönland nicht anzutun», scherzt damals Premier Mette Frederiksen ob der «absurden Diskussion».

Und Trump? Findet das so gar nicht witzig: «Angesichts von Frederiksens Kommentar, dass sie den Kauf von Grönland nicht diskutieren will, verlege ich unser Treffen, das in zwei Wochen geplant war, auf einen anderen Zeitpunkt.» Der Staatsbesuch wird kurzerhand abgesagt: Trump macht deutlich, dass es ihm ernst ist – so speziell sein Vorschlag auch sein mag.

«Make Greenland Great Again!»

Noch vor Beginn seiner zweiten Amtszeit bringt Trump das Thema erneut aufs Tableau. «Ich höre, dass die Leute in Grönland MAGA sind», schreibt er mit Blick auf seine Bewegung. «Make Greenland Great Again!» Und: «Wir werden es hegen und beschützen vor einer sehr bösen äusseren Welt.» Das tönt wie ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.

Einige der Betroffenen sehen das ganz anders. «Grönland gehört uns», kontert Grönlands Premier Múte B. Egede. «Wir stehen nicht zum Verkauf und werden niemals zum Verkauf stehen.» Es sei «naiv» zu denken, dass Glück der Inselbewohner hänge davon ab, ob sie Amerikaner werden könnten, ergänzt die Abgeordnete Aaja Chemnitz auf Facebook

Auch Dänemark zeigt Flagge: Nach über 500 Jahren ändert das Königshaus sein Wappen, das neu die Faröer und Grönland repräsentiert. Doch die kommende US-Regierung lässt nicht locker: Während Donald Trump Jr. just in dieser Lage plötzlich privat nach Grönland reist, fordert Elon Musk, die Grönländer müssten über ihre Zukunft selbst entscheiden können. «Und ich denke, sie wollen Teil von Amerika sein.»

Nixon und die Madman-Theorie

Panama, Kanada, Grönland: Auf der einen Seite entwickelt Donald Trump einen kolonialen Appetit. Auf der anderen Seite ist er mit dem Versprechen angetreten, Truppen heimzuholen und die USA mehr aus der Weltpolitik und womöglich auch aus der Nato herauszuhalten. Das passt nicht zusammen.

Kein Wunder, dass ob der neuerlichen Kanada- und Grönland-Forderungen sich auch Parteifreunde «die Köpfe kratzen», beschreibt «The Hill» die Verwirrung unter den Republikanern. Trumps Aussenpolitik verwirrt aber eben nicht nur Freunde, sondern auch Feinde – und das hat System.

Dahinter steckt die sogenannte Madman-Theorie: Der Begriff wird vornehmlich mit der Ägide von Richard Nixon in Verbindung gebracht. Der frühere US-Präsident hat versucht, sich als derart grosser Kommunisten-Hasser darzustellen, dass seine Gegner ihm alles zutrauen sollten, um auch auf absurde Drohungen hin Kompromisse einzugehen.

Schmerzhafte Schläge und überraschende Liebe

Dank Trumps erster Amtszeit gibt es einige Indizien, dass er diese Theorie beherzigt. So denkt er im April 2017 wegen des Raketenprogramms laut über militärische Schläge gegen Nordkorea nach, bevor Kim Jong-un ihm dann im Sommer 2018 «wunderschöne Briefe» schreibt und sich der Nordkoreaner und der Amerikaner «verlieben».

Wer ist hier verrückt? Kim Jong-un und Donald Trump am 12. Juni 2018 in Singapur.
Wer ist hier verrückt? Kim Jong-un und Donald Trump am 12. Juni 2018 in Singapur.
Bild: Keystone

In denselben Zeitraum fällt ein Beispiel aus dem Nahen Osten: Als Baschar al-Assad 2017 Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, will Trump den syrischen Diktator nach eigener Aussage töten lassen, doch der damalige Verteidigungsminister Jim Mattis habe es ihm ausgeredet. Doch auch die alternative Antwort des New Yorkers ist massiv.

Und dies düpiert auch Wladimir Putin, zu dem Trump eigentlich freundschaftliche Beziehungen pflegt: Ohne irgendeine Absprache mit dem Kreml feuern die USA 59 Marschflugkörper auf Moskaus Verbündeten Syrien ab und zerstören dort wichtige militärische Einrichtungen.

Dass Trump unberechenbar bleibt und hart zuschlagen kann, zeigt auch der überraschende Schlag auf den iranischen Kommandeur Qasem Soleimani am 3. Januar 2020. Die Madman-Taktik lässt sich aber auch auf andere Bereiche der Politik anwenden.

Auch Südkorea schlug sich mit dem Madman herum

Dazu könnte man auch die Ankündigung zählen, jene Nato-Partner nicht zu verteidigen, die weniger als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben – wie Trump im Februar 2024 angedeutet hat. Inzwischen fordert der Republikaner angeblich sogar, den Wert auf fünf Prozent hochzuschrauben.

Auch in Verhandlungen lässt sich die Madman-Theorie in die Praxis umsetzen, zeigt ein Beispiel vom Oktober 2017. Damals verhandelt Washington mit Seoul über einen neuen Handelsvertrag: «Axios» bechreibt dazu eine vielsagende Szene.

Donald Trump schüttelt am 7. November 2017 in Seoul die Hand von Südkoreas Präsident Moon Jae-in.
Donald Trump schüttelt am 7. November 2017 in Seoul die Hand von Südkoreas Präsident Moon Jae-in.
Bild: Keystone

«Du sagst ihnen: ‹Der Typ ist so verrückt, dass er jede Minute aus den Verhandlungen aussteigen könnte›», gibt Trump demnach seinem Verhandlungsführer mit auf den Weg. «Das sagst du ihnen: «Jede Minute! Und übrigens: Vielleicht tue ich das.»

Klappt die Madman-Nummer auch ein zweites Mal?

Das Schema passt weiterhin zu den Verhandlungen, die Trump in seiner ersten Amtszeit mit Deutschland, Japan und Südkorea angestossen hat, damit diese Länder mehr für die US-Truppen zahlen, die dort stationiert sind. Das Image des Madman hat der 78-Jährige zwischen 2017 und 2021 kultiviert, meint auch «Foreign Policy».

Doch klappt das auch ein zweites Mal? Das Fachmagazin hat Zweifel: Das Gehabe habe mehr bei den Verbündeten als bei den Gegnern gefruchtet, so die Argumentation. Und nun hätten sich alle auf dieses Drehbuch eingestellt. Und wer sagt denjenigen, die unter Druck gesetzt werden, dass dieser auch aufhört, wenn man nachgibt?

Donald Trump am 16. November 2024 bei einer Kampfsport-Veranstaltung in New York. 
Donald Trump am 16. November 2024 bei einer Kampfsport-Veranstaltung in New York. 
Bild: Keystone

Wenn Trump aber sein Madman-Image nicht abgenommen werde, berge das wiederum die Gefahr, dass der Amerikaner nachlegt und noch verrücktere Drohungen ausspricht, die eine unabsehbare Spirale in Gang setzen könnten, unkt «Foreign Policy».