Explosion«Ich habe noch nie derartige Zerstörung in Beirut gesehen»
Von Tobias Bühlmann
5.8.2020
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Beirut, ein Jahr nach der Katastrophe: Die Aufräumarbeiten im Hafen kommen nur schleppend voran. Für die Opfer der verheerenden Explosion ist ein Mahnmal errichtet worden.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Eine immense Explosion erschüttert am 4. August 2020 die libanesische Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verlieren ihr Leben.
Bild: Keystone/dpa
Grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert waren, hatten sich entzündet.
Bild: Keystone/dpa
Augenzeugen berichten von einer orangefarbenen Wolke über dem Hafen, wie sie nach der Verpuffung von Nitraten häufig auftritt.
Bild: Getty Images
In den Wohnvierteln nahe des Hafens taumeln verletzte Menschen durch die Strassen. Umgeworfene Autos und Trümmer versperren den Weg.
Bild: Keystone/dpa
«Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm», sagt ein Einwohner im Gespräch mit «blue News». Er blieb zum Glück unverletzt.
Bild: Keystone/dpa
Auch die Schweizer Botschaft in Beirut wird durch die Wucht der Detonation schwer beschädigt. Die Schweizer Botschafterin erleidet dabei leichte Verletzungen.
Bild: Aussendepartement EDA
Fenster und Türen sind auch in mehreren Kilometern Entfernung herausgerissen.
Bild: Keystone/dpa
Stunden nach der Explosion rasen Krankenwagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt und transportierten Verletzte ab.
Bild: Keystone/dpa
Rund 6000 Personen werden verletzt, die Spitäler stossen an ihre Kapazitätsgrenzen.
Bild: Keystone/dpa
Ärzte bitten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
Bild: Keystone/dpa
Die Detonation ist sogar im 200 Kilometer entfernten Zypern zu hören und zu spüren.
Bild: Keystone/dpa
Der Gouverneur von Beirut, Marwan Abbud, bricht am Ort des Geschehens in Tränen aus. «Beirut ist eine verwüstete Stadt», sagt er.
Bild: Keystone/dpa
Die politische Aufarbeitung der Tragödie kommt kaum voran. Auch ein Jahr später warten Angehörige der Opfer auf Antworten, etwa zur Frage, wer verantwortlich ist. Im Juli 2021 demonstrieren Hinterbliebene in Beirut gegen die Regierung.
Bild: AP Photo/Bilal Hussein
Der frühere Ministerpräsdient Najib Mikati (Mitte) wird am 26. Juli 2021 mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zwei Vorgänger sind an dieser Aufgabe gescheitert.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Die Zerstörung des wichtigsten Hafens trifft den Libanon zu einem Zeitpunkt, als das Land ohnehin schon in einer schweren Wirtschaftskreise steckt.
Bild: Keystone/dpa
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Beirut, ein Jahr nach der Katastrophe: Die Aufräumarbeiten im Hafen kommen nur schleppend voran. Für die Opfer der verheerenden Explosion ist ein Mahnmal errichtet worden.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Eine immense Explosion erschüttert am 4. August 2020 die libanesische Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verlieren ihr Leben.
Bild: Keystone/dpa
Grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert waren, hatten sich entzündet.
Bild: Keystone/dpa
Augenzeugen berichten von einer orangefarbenen Wolke über dem Hafen, wie sie nach der Verpuffung von Nitraten häufig auftritt.
Bild: Getty Images
In den Wohnvierteln nahe des Hafens taumeln verletzte Menschen durch die Strassen. Umgeworfene Autos und Trümmer versperren den Weg.
Bild: Keystone/dpa
«Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm», sagt ein Einwohner im Gespräch mit «blue News». Er blieb zum Glück unverletzt.
Bild: Keystone/dpa
Auch die Schweizer Botschaft in Beirut wird durch die Wucht der Detonation schwer beschädigt. Die Schweizer Botschafterin erleidet dabei leichte Verletzungen.
Bild: Aussendepartement EDA
Fenster und Türen sind auch in mehreren Kilometern Entfernung herausgerissen.
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Stunden nach der Explosion rasen Krankenwagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt und transportierten Verletzte ab.
Bild: Keystone/dpa
Rund 6000 Personen werden verletzt, die Spitäler stossen an ihre Kapazitätsgrenzen.
Bild: Keystone/dpa
Ärzte bitten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
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Die Detonation ist sogar im 200 Kilometer entfernten Zypern zu hören und zu spüren.
Bild: Keystone/dpa
Der Gouverneur von Beirut, Marwan Abbud, bricht am Ort des Geschehens in Tränen aus. «Beirut ist eine verwüstete Stadt», sagt er.
Bild: Keystone/dpa
Die politische Aufarbeitung der Tragödie kommt kaum voran. Auch ein Jahr später warten Angehörige der Opfer auf Antworten, etwa zur Frage, wer verantwortlich ist. Im Juli 2021 demonstrieren Hinterbliebene in Beirut gegen die Regierung.
Bild: AP Photo/Bilal Hussein
Der frühere Ministerpräsdient Najib Mikati (Mitte) wird am 26. Juli 2021 mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zwei Vorgänger sind an dieser Aufgabe gescheitert.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Die Zerstörung des wichtigsten Hafens trifft den Libanon zu einem Zeitpunkt, als das Land ohnehin schon in einer schweren Wirtschaftskreise steckt.
Bild: Keystone/dpa
Die Explosion in Beirut hat Teile der Stadt zerstört – samt der wichtigsten Lebensader Libanons. Selbst im Bürgerkrieg sei die Stadt nie so schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, sagt ein Bewohner Beiruts zu «Bluewin».
Am Dienstag um 18:12 Uhr, mitten in der Stosszeit, haben ein Knall und eine Druckwelle Beirut erzittern lassen. In einem Lagerhaus im Hafen der Stadt hatte ein Brand eine massive Explosion ausgelöst. Michel Saad war zu der Zeit gerade in seiner Wohnung im gediegenen Viertel Achrafieh nahe der Küste – und in ein Videospiel vertieft.
«Ich hörte erst einen kleinen Knall, dann plötzlich eine Riesenexplosion. Mein Fenster fiel mir auf den Kopf, die Holztür zu meiner Wohnung barst», sagt Michel im Telefonat mit «Bluewin».
«Ich rannte los und holte meine Mutter, sagte ihr, sie solle alles stehen lassen und mit mir in den Luftschutzbunker unseres Hauses gehen.» Zuerst dachte er, dass es sich um einen israelischen Luftangriff handle – die beiden Länder haben schon mehrfach gegeneinander Krieg geführt. «Meine Mutter hatte Panik.»
Als es dann ein paar Sekunden ruhig blieb, sei er zum Balkon gegangen, berichtet Michel. «Ich sah überall Menschen am Boden liegen, auf der Strasse haben sich unzählige Unfälle ereignet.» Die Schäden hätten ein unvorstellbares Ausmass: «Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm.» Der Bürgerkrieg tobte von 1975 bis 1990.
Michel selbst ist unversehrt geblieben. Viele Menschen in Beirut hatten weniger Glück: Tausende wurden bei der Explosion verletzt, die Zahl der Toten liegt derzeit bei über 100 und steigt stetig weiter. Weil der Explosion ein Brand vorausgegangen war, dürften sich unter den Opfern auch zahlreiche Mitglieder der Rettungskräfte befinden. «Wir wissen nicht, wo die Feuerwehrleute sind. Ich denke, sie sind alle tot.»
Nicht nur Michels Haus trug schwere Schäden davon, auch die Bar, die er betreibt, wurde weitgehend zerstört, sagt er zu «Bluewin». Dabei hatte er Glück im Unglück: «Unsere Bar war wegen der Pandemie bereits geschlossen, weil ab heute Mittwoch in Beirut ein Lockdown wegen Covid-19 gilt.» Andere Bars und Restaurants seien dagegen noch geöffnet gewesen.
Die Gründe für die immense Explosion im Hafen sind noch immer unklar. Laut Regierung ist ein Container mit Feuerwerk in Brand geraten, dann haben die Flammen auf ein Lager von Ammoniumnitrat übergegriffen. Der brandgefährliche Stoff wird zu Dünger oder Sprengstoff weiterverarbeitet. Doch niemand glaube der Regierung oder den lokalen Medien. «Es kursieren etliche Versionen davon, was passiert ist», sagt Michel. «Hier kannst du niemandem trauen.»
Zur menschlichen Tragödie kommt eine wirtschaftliche: Libanon befand sich bereits zuvor in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise, das libanesische Pfund befindet sich im freien Fall, der Krieg im Nachbarland Syrien und die Flüchtlingsströme setzen dem Land schon seit Jahren zu – und nun wütete auch noch die Coronapandemie. Das Land ist weitgehend bankrott, das Geld für einen Wiederaufbau schlicht nicht vorhanden.
Nun hat die Detonation die wichtigste Lebensader Libanons zerstört. Der Hafen ist der zentrale Punkt für Ein- und Ausfuhren, auf dem Gelände lagerten grosse Mengen von Grundnahrungsmitteln und anderen wichtigen Gütern.
«Mit der Explosion haben wir die letzte wirtschaftliche Perspektive verloren. Wir sitzen tief im Schlamassel», sagt Barbetreiber Michel. Und weiss nicht, wie es weitergehen soll. Sein Land brauche nun dringend eine Pause, das sei das Wichtigste. «Wir brauchen Frieden, und wir wollen unsere Würde zurück.»