Russen zurück in Belarus«Ich habe keinen Zweifel, dass sie es wieder in Kiew versuchen»
Von Philipp Dahm
19.12.2022
Bachmut trotzt dem russischen Beschuss – und dem Winter
Seit einem halben Jahr schon ist das ostukrainische Bachmut umkämpft. Die Auswirkungen des monatelangen Beschusses sind überall in der Stadt sichtbar, die Infrastruktur der Industriestadt liegt am Boden. Doch die Ukrainer leisten weiter Widerstand
17.12.2022
Wladimir Putin plant Anfang kommenden Jahres eine neue Grossoffensive, ist sich das ukrainische Militär sicher. Nach wie vor wird spekuliert, dass Belarus in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden soll.
Von Philipp Dahm
19.12.2022, 14:22
19.12.2022, 15:10
Philipp Dahm
Erst am 3. Dezember hat der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu überraschend Belarus besucht. Und nun wird Wladimir Putin in Belarus erwartet: Am heutigen 19. Dezember soll seine Maschine in Minsk landen, wo sich der Kreml-Herrscher mit Alexander Lukaschenko austauschen will.
Schon Schoigu unterzeichnete mit seinem Amtskollegen Dokumente, über deren Inhalt jedoch nichts nach aussen drang. Putin selbst war 2019 zuletzt im Nachbarland. Der Reise vorausgegangen ist ein Treffen zwischen dem russischen Präsidenten und seinen Militärs am 16. Dezember.
Dass es bei Putins Visite in Minsk um den Krieg in der Ukraine gehen wird, liegt auf der Hand. «Während dieses Gesprächs werden Fragen für weitere Aggressionen gegen die Ukraine und eine breitere Einbindung der belarussischen Streitkräfte geklärt», ist sich der ukrainische Armeechef Serhiy Nayev sicher. «Unserer Meinung nach geht es dabei insbesondere um Bodentruppen.»
Bereits in der vergangenen Woche hat sich Walerij Saluschnyj zu Wort gemeldet. Der ukrainische General rechnet mit einem erneuten Angriff auf Kiew «vielleicht bereits im Januar, doch wahrscheinlicher im Frühling», sagte er dem «Economist»: «Die Russen bereiten rund 200'000 frische Truppen vor. Ich habe keinen Zweifel, dass sie es wieder in Kiew versuchen.»
Lukaschenko: «Niemand ausser uns führt Belarus»
Der 49-Jährige fordert mit Blick auf die russische Mobilisierung «300 Kampfpanzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen». Das Problem: Das Gros des Grenzgebiets zu Belarus besteht aus Sümpfen und Flusslandschaften. Im Sommer wirken sie wie eine Barriere, doch bei Frost ist das Gebiet kein Hindernis, um nach Süden vorzurücken.
Belarusslands Diktator Alexander Lukaschenko bemüht sich allerdings, nicht als Übernahmekandidat der Russischen Föderation daherzukommen. «Gerade nach diesen grossen Verhandlungen wird jeder sagen: ‹Das war's. Es gibt keine Autoritäten mehr in Belarus. Die Russen laufen herum und führen das Land›», wird der Präsident zitiert.
Dann betont Lukaschenko: «Ich möchte das nochmal besonders unterstreichen: Niemand ausser uns führt Belarus.» Der Hintergrund: Der russische Krieg gegen die Ukraine ist in Belarus äusserst unbeliebt. Sollte Minsk sich Moskau anschliessen, dürfte das den Widerstand gegen das Regime in Belarus massiv stärken.
«Nächste Wellen von Offensiven« im Februar
Gleichzeitig ist es fraglich, wie erfolgreich ein erneuter Angriff im Norden verlaufen könnte. «Eine erneute russische Offensive im Norden – auch eine, die Belarus beinhaltet – ist möglich», bewertet die private Sicherheitsfirma Rane die Lage, «aber immer noch unwahrscheinlich angesichts des Mangels ans Ressourcen und des hohen Risikos, das mit solchen Operationen verbunden ist.»
Auch das Institute for the Study of War ist eher skeptisch, was eine neue Offensive im Norden angeht. «Die Kapazität des russischen Militärs, eine effektive, weitläufige, mechanisierte Offensive in den nächsten Monaten vorzubereiten und durchzuführen, ist selbst bei einer Verstärkung durch belarussische Kräfte fragwürdig», schreiben die Washingtoner.
Der Grund: Der Kreml kommt nicht mit der Ausbildung und Ausrüstung der neuen Rekruten hinterher, schreibt das Institut. Moskau habe schon genug Probleme, die Kämpfer im Donbass adäquat zu unterstützen. «Putin könnte dennoch eine erneute grosse Offensive später im Winter starten, aber es ist wichtig, die möglichen Kapazitäten von Russland oder Belarus-Russland nicht zu überschätzen.»
Auch Oleksij Resnikow rechnet mit einer neuen russischen Offensive Anfang nächsten Jahres. «Die Rekruten brauchen eine Vorbereitung von mindestens drei Monaten», erklärt der ukrainische Verteidigungsminister dem «Guardian». «Das heisst, dass sie wahrscheinlich versuchen werden, im Februar die nächsten Wellen von Offensiven durchzuführen – wie im Jahr davor. Das ist ihr Plan.»