In China inhaftierte Australierin «Ich habe seit drei Jahren keinen Baum mehr gesehen»

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11.8.2023

Die australische Journalistin Cheng Lei sitzt seit drei Jahren in China in Haft.
Die australische Journalistin Cheng Lei sitzt seit drei Jahren in China in Haft.
Bild: Ng Han Guan/AP/dpa

Die australische Journalistin Cheng Lei ist im August 2020 in China verhaftet worden. Sie soll Staatsgeheimnisse im Ausland verraten haben. In einem Brief wendet sie sich nun erstmals an die Öffentlichkeit.

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  • Die australische Journalistin Cheng Lei ist seit August 2020 in China inhaftiert. Ihr wird die Verbreitung von Staatsgeheimnissen im Ausland vorgeworfen.
  • In einem Brief richtet sich Cheng nun zum ersten Mal seit ihrer Inhaftierung an die Öffentlichkeit.
  • Darin beschreibt sie ihre Sehnsucht nach ihrer Heimat, Familie und der Natur. Sie sehe kaum Sonnenlicht und habe seit drei Jahren keinen Baum mehr gesehen.
  • Cheng wurde im März 2022 der Prozess gemacht. Ein Urteilsspruch ist nicht erfolgt.
  • Die chinesische Regierung könnte die Inhaftierung Chengs sowie eines weiteren Journalisten als Druckmittel in Verhandlungen mit der australischen Regierung verwenden.

Im August 2020 wurde die australische Journalistin Cheng Lei in China festgenommen, zuerst ohne Angabe von Gründen. Später wurde ihr vorgeworfen, sie habe Staatsgeheimnisse im Ausland verbreitet.

Nun hat sich Lei zum ersten Mal seit ihrer Verhaftung an die Öffentlichkeit gewandt. «Ich vermisse die Sonne», diktierte die Moderatorin Diplomaten in einem an die Menschen in Australien gerichteten Brief. «Ich kann nicht glauben, dass ich die Sonne mied, als ich in Australien lebte.»

«Ich vermisse die Sonne», bekundet Cheng. «In meiner Zelle scheint Sonnenlicht durch das Fenster, aber darin kann ich nur zehn Stunden im Jahr stehen.» Doch nicht nur an Sonnenlicht mangelt es ihr. «Ich habe seit drei Jahren keinen Baum mehr gesehen», fügt sie hinzu.

Ein «Liebesbrief an 25 Millionen Menschen»

Ihre Zeilen beschreibt die Journalistin als «Liebesbrief an 25 Millionen Menschen». Damit bezieht sie sich auf die Bevölkerungszahl Australiens. Sie schwärmt von ihrer Zeit auf der Insel. «Ich erinnere mich daran, wie ich 1987 zum ersten Mal mit meiner Familie campen gegangen bin», schreibt sie.

Im Gefängnis würde sie die Namen aller Orte leise flüstern, die sie in Australien je besucht habe oder durch die sich auch nur durchgefahren sei.

Neben ihrer Heimat sehnt sie sich nach der Natur: «Ich durchlebe jeden Gang durchs Gebüsch wieder, jeden Fluss, jedes Schwimmengehen am Strand und jedes Picknick zu psychedelischen Sonnenuntergängen, den Himmel, der von den Sternen erleuchtet wird und die stille, geheime Sinfonie der Büsche.»

Karriere im chinesischen Staatsfernsehen

Ausserdem vermisse sie Salzwasser, Sand zwischen ihren Zehen sowie schwarzen Humor. Ihren eigenen Humor scheint sie sich bewahrt zu haben. «Wenn ich wieder in Melbourne bin, regnet es wahrscheinlich zwei Wochen lang.» Bei all der Nostalgie hebt Cheng sich das wichtigste für den Schluss auf: «Am allermeisten vermisse ich meine Kinder», schreibt sie am Ende des Briefes.

Cheng ist in China geboren. Als sie zehn Jahre alt war, wanderte ihre Familie nach Australien aus. Von 2003 bis 2011 war sie China-Korrespondentin für den amerikanischen Fernsehsender CNBC. Von 2012 bis zu ihrer Verhaftung war sie eine prominente Nachrichtensprecherin des englischsprachigen chinesischen Staatssenders CGTN.

Nachdem sie im August 2020 verhaftet wurde, verbrachte Cheng sechs Monate in Einzelhaft. Obwohl sie in dieser Zeit bereits verhört wurde, wurde ihr kein Anwalt zur Verfügung gestellt.

Australischer Premierminister unter Druck

Was der Journalistin im Detail vorgeworfen wird, weiss nicht einmal ihre eigene Familie. Im März des vergangenen Jahres wurde sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht gestellt. Ein Antrag des australischen Botschafters Graham Fletcher, dem Prozess beiwohnen zu dürfen, wurde abgelehnt.

Obwohl ihr Prozess nun mehr als ein Jahr zurückliegt, ist Cheng immer noch nicht verurteilt worden. Beobachter*innen vermuten, die chinesische Regierung würde mit dem Urteil bewusst warten, um ein Druckmittel über die australische Regierung zu haben. Neben Cheng ist mit Yang Hengjun ein weiterer australischer Journalist in China inhaftiert.

Der australische Premierminister Anthony Albanese ist zu einem Treffen mit Chinas Machthaber Xi Jinping eingeladen worden. Er steht in seiner Heimat unter Druck, die Einladung erst wahrzunehmen, wenn Cheng und Hengjun in Freiheit sind.