Ukraine-KonfliktSchweizer Diplomat hält Risiko eines Krieges in Europa für hoch
sda/dor
14.2.2022 - 05:37
Ukraine übt den Ernstfall
Es sieht bedrohlich aus, ist aber zum Glück nur eine Übung. Am Samstag haben ukrainische Polizeikräfte, Nationalgardisten sowie Grenzschützer und Rettungsdienste ein umfangreiches Training durchgeführt. In der südlichen Region des Landes, an der Grenze zu Russland, sollten Abläufe getestet werden, die nach einer möglichen Provokation notwendig werden würden.
14.02.2022
Wegen des Osteuropa-Konflikts ist das Risiko eines Krieges in Europa so hoch wie nie in den vergangenen drei Jahrzehnten. Der Schweizer Spitzendiplomat Thomas Greminger teilt diese Einschätzung des polnischen Aussenministers.
14.02.2022, 05:37
14.02.2022, 12:29
SDA/dor
Das Risiko eines Krieges in Europa ist wegen des Konflikts um die Ukraine derzeit so hoch wie nie in den vergangenen drei Jahrzehnten. Er teile diese Einschätzung des polnischen Aussenministers Zbigniew Rau, sagte der Schweizer Spitzendiplomat Thomas Greminger in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Die Lage sei sehr ungemütlich. Er glaube aber nach wie vor, dass nördlich, östlich und südlich der Ukraine ein militärisches Muskelspiel grossen Stils im Gange sei. Er sehe jedenfalls kein Interesse Russlands an militärischen Operationen gegen die Ukraine.
Die Kosten wären derart hoch, dass selbst ein geringfügiger Angriff gegen die Ukraine keinen Sinn ergebe. Er halte jedenfalls den russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen rational denkenden und handelnden Staatspräsidenten.
Das grösste Risiko sei eine Provokation, etwa mit einer verdeckten Operation (False Flag) an der Kontaktlinie zum Donbass. Hier müsse die Welt am genauesten hinschauen, sagte Greminger in dem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» weiter.
Würden Russlands Forderungen nicht erfüllt, berge dies die Gefahr eines Gesichtsverlustes vor dem Heimpublikum. Wenn Putin aber geschickt vermarkte, was in den letzten Wochen alles auf seinen Verhandlungstisch gekommen sei, könne er dies als Erfolg feiern.
Plötzlich werde wieder über Rüstungskontrolle, Prävention von Zwischenfällen oder mehr Transparenz bei Grossmanövern gesprochen. Über Jahre sei erfolglos versucht worden, darüber im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu debattieren. Jetzt sei es auf dem Tisch.
Greminger hat verschiedene leitende Funktionen im EDA bekleidet. Er war ab 2010 Schweizer Botschafter bei der OSZE, die er in der Ukraine-Krise nach der Annexion der Krim während des Schweizer Vorsitzes als Vermittlerin positionierte. Ein Durchbruch war der NZZ zufolge die Einigung auf eine ständige Beobachtermission im März 2014. Die Verhandlungen im Vorfeld bezeichnete Greminger im Gespräch mit der Zeitung als die «drei dramatischsten Wochen meines Lebens». Seit Mai 2021 ist der 60-jährige Direktor des Geneva Centre for Security Policy (GCSP).