Late Night USA «Gigantische Schwachstelle» – wie Trump Wahlleute umdrehen will

Von Philipp Dahm

18.11.2020

Wahlleute als Schwachstelle: Bleibt uns Donald Trump vielleicht noch länger erhalten?
Wahlleute als Schwachstelle: Bleibt uns Donald Trump vielleicht noch länger erhalten?
Screenshot: YouTube

Donald Trump hat keine Beweise für einen Wahlbetrug. Nun versucht der Präsident offenbar, selbst zu manipulieren. Er setzt bei den Wahlleuten an, weiss «Daily Show»-Host Trevor Noah.

Nach wie vor hat die Trump-Administration keine schlagenden Beweise dafür vorgelegt, dass es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Und wenn, dann haben sie sich als haltlose Behauptungen oder als schlichtweg falsch entpuppt.

Zuletzt musste eine Klage in Arizona zurückgezogen werden: Die Menge der beanstandeten Stimmen hätte das Ergebnis auch dann nicht gedreht, wenn die Kläger Erfolg gehabt hätten, weiss das US-Portal «Axios».

In Nevada geben die Anwälte des Präsidenten dagegen noch nicht auf. «Wenn man den Betrug und die Unregelmässigkeiten berücksichtigt, hat Donald Trump gewonnen», versicherte Jesse Binnall. 40'000 Stimmen stellen die Republikaner in Nevada infrage – Joe Biden hat dort mit 33'596 Stimmen Vorsprung gewonnen.

Doch selbst wenn Donald Trump den Staat drehen würde: Die sechs Wahlleute würden nichts an seiner Niederlage ändern. Und so langsam geht dem 45. Präsidenten im Kampf ums Weisse Haus die Munition aus, doch «es gibt noch eine Sache, die Trump probieren kann», erklärt Trevor Noah in seiner «Daily Show». 

Faithless electors – treulose Wahlleute

Es geht dabei um die 538 Wahlleute aus den Bundesstaaten, die im Electoral College den Präsidenten wählen. Sie sind angehalten, entsprechend dem Wahlausgang in ihrem Staat zu stimmen. Wer Wahlfrau oder Wahlmann wird, entscheiden die Bundesstaaten jeweils selbst. 

Staatskunde mit Trevor Noah.
Staatskunde mit Trevor Noah.
Screenshot: YouTube

Der Präsident und seine Entourage versuchen nun aber angeblich, die Normen zu brechen: Demnach haben sie republikanische Gouverneure aufgefordert, Wahlleute aufzustellen, die Trump wählen – auch wenn der dort nicht gewonnen hat. Solche Personen heissen im Fachjargon «faithless electors» – treulose Wahlleute.

«Auch wenn sich ‹faithless electors› wie der Titel eines Erotikromans deiner Tante anhört, ist es das nicht», kalauert Noah. Und das Vorhaben hat eigentlich kaum Aussicht auf Erfolg. «Es ist so wahrscheinlich wie Mitch McConnell auf dem Titel von ‹Men's Health›. Aber theoretisch könnten treulose Wahlleute Trump zum Präsidenten machen.»

Fake News: Mitch McConnell als Coverboy.
Fake News: Mitch McConnell als Coverboy.
Screenshot: YouTube

Was soll das mit dem Electoral College eigentlich?

Als Kind habe man vielleicht noch geglaubt, dass der Präsident wird, der die meisten Wählerstimmen bekommt, doch die Gründungsväter hatten ein Problem mit der Formel «Eine Person – eine Stimme», erklärt Noah. Warum? Als die US-Verfassung geschrieben worden ist, stellte sich die Frage, wer den Präsidenten bestimmt. Würde der Kongress ihn wählen, wäre der Präsident von diesem Repräsentantenhaus abhängig.

Late Night USA – Amerika verstehen
blu News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Sollte das Volk bestimmen, wer ins Weisse Haus einzieht? Die Gründungsväter hatten Angst, die Amerikaner könnten jemanden wählen, der schrecklich ist. Das Land war damals ihrer Meinung nach zu gross und die Leute zu wenig informiert. Die Wähler sollte deshalb in den Bundesstaaten abstimmen, die wiederum Wahlleute aus den politischen Eliten bestellen, die weniger verführbar seien als das gemeine Volk.

«Amerikaner wählen nicht den Präsidenten. Amerikaner wählen eine Wahlleute-Kandidatenliste, und die wählen dann den Präsidenten», fasst Noah zusammen. «Die Idee, dass Wahlleute klüger als die Massen sind, hat sich ziemlich schnell überholt. Das war vor hunderten von Jahren, als Informationen schwerer zu beschaffen waren.»

«Gigantische Schwachstelle»

Dass die Wahlleute den Willen des Wählers erfüllen, sei aber nun mal nur eine Annahme und kein Gesetz, so Noah. So hätten 2016 etwa von zwölf Wahlleuten des Bundesstaates Washington vier nicht für Hillary Clinton gestimmt, obwohl die Demokraten dort gewonnen hatten. Seit Gründung des Electoral Colleges hat es schon 167 jener treulosen Wahlleute gegeben.

Fathless electors: klingt nach Schundroman, ist aber Realpolitik.
Fathless electors: klingt nach Schundroman, ist aber Realpolitik.
Screenshot: YouTube

43 Prozent von ihnen haben anders gestimmt, weil der Kandidat verstorben ist, 17 Prozent sind nicht aufgetaucht und 40 Prozent änderten ihre Meinung einfach so. «Was für eine gigantische Schwachstelle», stöhnt Noah. «Das ist, als fände man heraus, dass der Schlüssel zu Fort Know unter der Fussmatte liegt.»

Nur 14 der 50 Bundesstaaten haben Gesetze gegen «faithless electors», erklärt der News-Ausschnitt ab Minute 7. Doch die Strafen sind lächerlich: In der Regel drohe bloss eine Busse. Bekommt Trump womöglich doch eine zweite Amtszeit? «Die gute Nachricht ist, dass Trump so viele Wahlleute fehlen, dass es unwahrscheinlich ist», so Noah. Die schlechte Nachricht sei, dass dieses System bei knappem Wahlausgang prädestiniert ist für Betrug.

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