Widerstand zwecklos Fünf Gründe, warum Donald Trump diese Wahl verloren hat

Von Philipp Dahm

9.11.2020

Je weiter die Wahl zurückliegt, desto deutlicher wird Donald Trumps Niederlage. Fünf Gründe, warum der Präsident das Rennen verloren hat – und auch die Betrugsvorwürfe kaum Aussicht auf Erfolg haben.

Joe Biden und Kamala Harris feiern am Samstag in Wilmington, Delaware, ihren Sieg (siehe Video ganz unten). In seiner Rede betont der Demokrat, er werde der Präsident aller Amerikaner sein. «Heilung tut not», sagte er frei übersetzt – und tatsächlich ist das Land gespalten wie nie.

Wer sieht, dass Donald Trump in einem Bundesstaat wie Wisconsin mit nur gut 20'000 Stimmen unterlegen ist, könnte misstrauisch werden. Doch bei Nachzählungen haben sich bisher Ergebnisse kaum verändert: Selbst der frühere republikanische Gouverneur Wisconins macht sich da keine grosse Hoffnung. «20'000 sind eine hohe Hürde», twitterte Scott Walker.

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Weil auch knappe Ergebnisse Ergebnisse sind

Wie würde so eine Nachzählung ablaufen? Besondere Gründe müssen für die Kontrolle nicht genannt werden: Wenn die Kandidaten weniger als 0,25 Prozent auseinanderliegen, kommt der Bundesstaat für den Aufwand auf, wenn ein Antrag gestellt wird. Da Bidens Vorsprung grösser ist, müssten die Republikaner jedoch in Vorkasse gehen. Nur wenn sich das Ergebnis durch die Nachzählung wesentlich verändert, bekommen sie ihr Geld zurück. 

Sprich: Trump braucht Geld, um das Ergebnis in Wisconsin anzufechten. Die Nachzählung dürfte sich dann bis Anfang Dezember hinziehen. Last but not least sollte man sich in Erinnerung rufen, wie gross Trumps Vorsprung in Wisonsin war, als er hier 2016 Hillary Clinton geschlagen hat – es waren gerade mal 22'748 Stimmen.


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Zur obigen Grafik: Die Wahlergebnisse des Electoral College im Jahr 2016, als Hillary Clinton Donald Trump unterlag. (Quelle: 270ToWin.com)

Im Vergleich zu den aktuellen Wahlergebnissen in den Bundesstaaten sieht die Karte von 2016 auf den ersten Blick gar nicht grossartig anders aus. Doch das, was anders ist, fällt wegen der vielen Wahlleute in jenen Bundesstaaten ins Gewicht. Dass Trump Staaten wie Arizona mit elf Wahlleuten im Südwesten verloren hat, kommt nicht von ungefähr. Die Wähler haben dem Präsidenten nicht vergessen, wie er mit einem ganz Grossen der Partei umgegangen ist.

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Weil Trump auch Republikaner verprellt hat

Der Republikaner John McCain war Senator Arizonas und ein rotes Tuch für Trump, der auch nach dessen Tod 2018 keine guten Worte für den amerikanischen Kriegshelden übrighatte. Dass ausgerechnet McCains Eingeständnis seiner Wahlniederlage gegen Barack Obama von 2008 nun im Internet gefeiert wird, passt ins Bild.

Auch in Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten hat Trump sich bei den republikanischen Wählern nicht wirklich beliebt gemacht. Knapp zwei Wochen vor dem Urnengang erzählte er bei einem Auftritt in Erie frank und frei, er wäre in Pennsylvania sicher nicht vorbeigekommen, wenn die Pandemie ihn nicht gezwungen hätte. «Ich hätte angerufen», sagte er damals mir nichts dir nichts.

Dass Trump seinen knappen Vorsprung von 44'292 Stimmen anno 2016 nicht halten konnte, hat damit zu tun. Die Demokraten haben genau das Gegenteil gemacht, wie das Beispiel von Georgia gut zeigt.

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Weil Trump die Demokraten unterschätzt hat

Am 23. Oktober tritt Kamala Harris in Atlanta auf, vier Tage später folgt Joe Biden. Am Sonntag, zwei Tage vor der Wahl, macht Harris in einem Vorort Atlantas mobil, bevor Barack Obama am Tag vor der Wahl die Trommeln für die Demokraten rührt. Die Folge: Trump verliert seinen Vorsprung von 2016 von 211'141 Stimmen: In Georgia holt Joe Biden 10'000 Stimmen mehr – und die Demokraten fahren den Lohn für ihren gezielten Wahlkampf ein.

Quelle: AP

In der obigen Karte ist die Aufteilung der aktuellen Wahlergebnisse in Georgia zu sehen: Die Demokraten punkten in den bevölkerungsreichen Gebieten um Atlanta und Savannah. Unten dazu eine Karte, der ethnischen Verteilung innerhalb des Bundesstaates: Biden gewinnt dort, wo viele schwarze Wähler leben.

Vorfahren in Georgia (laut Eigenangabe 2016): Lila steht für Afroamerikaner.
Vorfahren in Georgia (laut Eigenangabe 2016): Lila steht für Afroamerikaner.
Karte: WikiCommons/Mapsandfactsarefun

Wie viel für diese Bevölkerungsgruppe auf dem Spiel stand, hat vielleicht der Gefühlsausbruch von Van Jones gezeigt. Als der schwarze Kommentator von «CNN» die Wahlentscheidung einordnen sollte, wurde er zum «Tränenheld», wie eine Twitter-Userin sehr schön beschrieben hat.

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Weil Trump die Minoritäten verloren hat

Jones sagte, er lebe nun leichter als Vater, während seine Stimme bricht. «Es ist einfacher, seinen Kindern zu erzählen, dass es auf den Charakter ankommt. Dass Wahrheit wichtig ist. Dass es wichtig ist, ein guter Mensch zu sein.»

CNN-Moderator Van Jones bricht bei seiner Analyse in Tränen der Erleichterung aus.

Jones: «Es ist für viele Leute leichter. Wenn du Muslim in diesem Land bist, musst du dir keine Sorgen mehr machen, dass der Präsident dich hier nicht will. Wenn du Einwanderer bist, musst du dir keine Sorgen mehr machen, dass dir dein Baby entrissen wird oder [in den USA geborene Kinder illegaler Einwanderer] ohne Grund ausgewiesen werden ... Es ist eine Rehabilitation für viele, die gelitten haben. Die wirklich gelitten haben.»

Mit Blick auf Mai 2020, als Polizisten in Minneapolis einen fünffachen Familienvater bei der Verhaftung brutal erstickt haben, sagt Jones: «‹Ich kann nicht atmen› – das war nicht nur George Floyd. Viele Leute haben gefühlt, dass sie nicht atmen können.»

Gedanken zum Wahlausgang: der Monolog des Comedians Dave Chappelle vorgestern bei «Saturday Night Live».

Die Stimmung im Land sei immer feindseliger geworden. «Du machst dir Sorgen um deine Kinder und deine Schwester. Schafft sie es, mit dem Auto in den [Supermarkt] zu fahren, ohne dass jemand etwas zu ihr sagt, und verbringst einfach so viel Lebensenergie damit, alles zusammenzuhalten. Es ist eine grosse Sache, endlich etwas Frieden zu finden. Ich will meinen Söhnen sagen können: Es ist einfach, es auf die billige Tour zu machen und davonzukommen, aber irgendwann musst du dafür bezahlen.»

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Weil es keine Beweise für Betrug gibt

Bizarre Situation am Wochenende: Während Republikaner in Arizona vor den Wahllokalen «Zählt die Stimmen» riefen, forderten Trump-Anhänger in Michigan: «Stoppt die Auszählung!» Die Szene steht stellvertretend für die widersprüchlichen Anschuldigungen des Präsidenten, er sei bei der Wahl betrogen worden.

Donald Trump am 1. Juni vor der verbarrikardierten Kirche St. John's nahe des Weissen Hauses, nachdem Demonstranten mit Tränengas vertrieben worden sind.
Donald Trump am 1. Juni vor der verbarrikardierten Kirche St. John's nahe des Weissen Hauses, nachdem Demonstranten mit Tränengas vertrieben worden sind.
Bilde: Keystone

Bisher entbehren die Anschuldigungen jeglicher Faktengrundlage. Zum Teil ist der Wahlverlauf sogar selbst verschuldet: In Michigan und Pennsylvania wollten die Wahlleiter Gesetze ändern, um dort eine frühzeitige Zählung der Briefwahlzettel zu ermöglichen – was an den Republikanern scheiterte. Dann hätte Biden erst einen haushohen Vorsprung gehabt, bevor ihm Trump ganz nahe gekommen wäre. Stattdessen lief es andersrum.

Der Bezirksanwalt, der Trumps Antrag auf Auszählungsstopp in Pennsylvania abgewiesen hat, wurde unter dem Republikaner George W. Bush berufen. Und selbst der fragte Trumps Anwälte irgendwann genervt: «Was ist eigentlich Ihr Problem?» Das Problem ist: Es liegen ganz offenbar keinerlei Beweise für Betrug vor – und ohne Beweise wird es schwer. Nicht zuletzt deshalb ruft das Weisse Haus fast schon verzweifelt Zeugen auf, sich zu melden.

Die Aussichten

Trump ist ein Meister darin, Narrative zu bestimmen. Gerade erst twitterte er, kein amtierender Präsident habe jemals so viele «popular vote»-Stimmen bekommen. Das stimmt wohl – aber in den USA leben heute mehr Menschen als je zuvor, von denen sich bei dieser Wahl viel mehr Leute zur Wahl registriert haben. Richtig ist gleichzeitig auch: Noch nie hat ein Kandidat so viele Stimmen bekommen wie Biden. Doch Trump hält das nicht ab, zu prahlen.

Die nackten Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache – und weil der 74-Jährige diese nicht anfechten kann, wird er das Weisse Haus wohl räumen müssen. Auch Trumps Anhänger dürften nach dem langen Wahlkampf erschöpft sein, und sie werden mit Erleichterung wahrgenommen haben, dass Joe Biden ihnen in seiner Siegesrede die Hand gereicht hat.

Jetzt erwägt Trump übrigens, wieder Veranstaltungen abzuhalten – um mit dem Geld seiner Zuhörer Wahlklagen und Nachzählungen zu finanzieren. Ob und wann der New Yorker einlenkt, steht in den Sternen. Dass er nach seiner Niederlage gleich wieder in den Wahlkampfmodus für 2024 schaltet, sollte man definitiv nicht ausschliessen.

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