Luxus-Datscha auf der Krim FSO-Agent packt aus: So sehr fürchtet Putin um sein Leben

Von Philipp Dahm

13.9.2023

Vitali Brischati war beim FSO, dem russischen Secret Service, für Wladimir Putins Sicherheit verantwortlich, wenn der seine Krim-Datscha besucht hat. Er konnte nach Ecuador fliehen – und kritisiert nun seinen Ex-Boss.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der russische FSO schützt wie der amerikanische Secret Service den Präsidenten.
  • Vitali Brischati hat als Hunde-Experte für den FSO in Wladimir Putins Datscha in Oliva im Süden der Krim gearbeitet.
  • Brischati berichtet einerseits vom Luxusleben, aber auch von an Paranoia grenzenden Sicherheitsvorkehrungen.
  • Als Brischati wegen des Krieges in der Ukraine kündigen wollte, wurde ihm mit Fronteinsatz gedroht.
  • Dank seiner ukrainischen Frau konnte Brischati schliesslich nach Ecuador fliehen, wo er die russische Regierung nun offen kritisiert.

Der Federalnaja Sluschba Ochrany (FSO) ist in Russland das, was der Secret Service in den USA ist: Die Organisation soll den Präsidenten und die Regierung schützen. Vitali Brischati hat für den FSO gearbeitet, doch nun konnte der Russe nach Ecuador fliehen – und kritisiert im Exil den Kreml und Wladimir Putin scharf.

Brischati ist als Hunde-Ausbilder beim FSO und für den Schutz von Putins Datscha auf der Krim verantwortlich. So nennen die Russen ihre Garten- oder Wochenendhäuser. Brischati kommt aus dem Fernen Osten des Landes: Er wächst auf der Halbinsel Kamtschatka auf und heiratet eine Krim-Ukrainerin.

Vitali Brischati erklärt sich im Exil in Ecuador dem Sender Dozhd TV.
Vitali Brischati erklärt sich im Exil in Ecuador dem Sender Dozhd TV.
Screenshot: Youtube/Телеканал Дождь

Das Paar lässt sich auf der Krim nieder, die bereits von Russland besetzt worden ist. Der Ehemann verdient seine Weggli zunächst als Hundeführer bei der Bereitschaftspolizei, bevor ihn der FSO anheuert, andere im Umgang mit den Tieren auszubilden und Putins Villa in Oliva zu bewachen. 

Nicht nur Putin, sondern auch andere Kleptokraten haben sich nach der Krim-Annexion in dem Ferienort im Süden der Halbinsel niedergelassen. Nebenan wohnen Putins Kettenhund Dmitri Medwedew und Alexander Bortnikow, der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB.

«Die Datschas funktionieren permanent»

Die Männer leben in purem Luxus: Es gibt Teehäuser, Fitnessbereiche, Pools und Privatstrände. Ein Helikopter-Landeplatz garantiert schnelle Transportwege und Checkpoints, dass niemand diese unkontrolliert nutzt. Drei Meter hohe Zäune und Kameras schützen die Villen an Land, zur See sind Taucher im Einsatz. Das gemeine Volk darf das Gebiet nicht betreten.

Brischati mit Diensthunden.
Brischati mit Diensthunden.
Bild: Youtube/Телеканал Дождь

Jedes dieser Häuser hat einen Musikraum, der 422’000 Franken kostet, wird Brischati später berichten. Der Betrieb wird laufend aufrechterhalten – auch wenn die Bewohner gar nicht da sind. «Die Datschas funktionieren permanent», erklärt Brischati. «Die Leute arbeiten und Essen wird gebracht, falls der Besitzer oder Gäste eintreffen. Wenn das Essen verdirbt, wird es weggeschmissen und neues gebracht.»

Wenn Putin sich ankündigt, werde mitgeteilt, dass er in Sewastopol oder Simferopol landen werde. Die Flughäfen sind 100 Kilometer voneinander entfernt. Es könne aber durchaus auch sein, dass der Präsident dann doch per Schiff anreise oder mit dem Helikopter komme. Nicht mal seiner Leibwache würde Putin trauen: «So sehr fürchtet der Mann um sein Leben», sagt Brischati in einem Interview mit Dozhd TV.

Lastwagen voller Geschenke

Den FSO-Agenten ist es während des Aufenthalts in den Datschen nicht erlaubt, ihr Smartphone zu benutzen, obwohl die Kommunikation via Whatsapp läuft, berichtet der Geflüchtete. Zivilisten werden direkt das Handy und auch der Pass abgenommen.

Brischatis Aufgabe ist es, mit seinen Hunden nach Sprengstoff zu suchen. Auch in den Lastwagen, mit denen Geschenke für die Besitzer der Datschen gebracht werden. Wenn etwa der Gouverneur von Sewastopol treffen wollte, gebe es einen Vorlauf von drei Wochen, in dem die Person überwacht werde: Wer nicht aus Moskau kommt oder ein enger Freund Putins ist, gelte als verdächtig.

Nach dem zweiten Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wird Brischatis Leben sehr viel komplizierter. Es ist FSO-Agenten verboten, Kontakte zu Ukrainern, Amerikanern oder Europäern zu pflegen. Der Offizier, der mit einer Ukrainerin verheiratet ist, will hinwerfen – doch die Drohung, an die Front geschickt zu werden, hält ihn bei der Stange.

Kündigung? «Viel Glück an der Front»

Ein weiteres Problem: Ein früherer Klassenkamerad von Brischati konnte in die USA fliehen. Das könnte ihn ebenso in Bedrängnis bringen wie ein simpler Like unter einem kremlkritischen Post. «Es ist einfach verrückt», meint Brischati. Schliesslich bekommt seine Frau eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Ecuador, die sich auch auf ihn erstreckt. 

Erst als er seine Vorgesetzten darüber informiert, wird er gefeuert. «Die letzte Phrase, die ich hörte, war: ‹Viel Glück an der Front.›» Von seinen Verwandten wird er für seinen Abgang angefeindet. Sein Vater will die Entscheidung nicht akzeptieren. «Weil er Fernsehen guckt», sagt Brischati zynisch. Er kann jedoch das Land mit seiner Frau verlassen. Seinen früheren Boss Putin kritisiert er als «Kriegsverbrecher».

Brischati ist erst der zweite FSO-Offizier, der geflüchtet ist. Im April hat sich Gleb Karakulow der Öffentlichkeit anvertraut. Er ist im Oktober 2022 während einer Geschäftsreise nach Kasachstan getürmt. «Unser Präsident ist ein Kriegsverbrecher geworden», begründet er das bei Radio Free Europa/Radio Liberty. «Es ist Zeit, den Krieg zu beenden und das Schweigen zu brechen.»