Pressestimmen zu Joe Bidens Verzicht«Fest steht, dass der Nervenkitzel für Europa noch mal grösser wird»
Helene Laube
22.7.2024
Biden will sich nicht um zweite Amtszeit bewerben
STORY: US-Präsident Joe Biden tritt nach wachsenden Zweifeln seiner Parteifreunde an seiner geistigen Leistungsfähigkeit und seinen Wahlchancen gegen Donald Trump als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zurück. Das teilte Biden am Sonntag auf der Plattform X mit. Er werde sich darauf konzentrieren, seine Pflichten in seiner verbleibenden Amtszeit zu erfüllen, die noch bis Januar 2025 dauert, erklärte der 81-Jährige. Er wolle sich im Laufe der Woche an die Nation wenden, um seine Entscheidung zu erklären. «Es war die grösste Ehre meines Lebens, als Ihr Präsident zu dienen», schrieb Biden. Mit dem Rückzug macht Biden den Weg frei für Vizepräsidentin Kamala Harris, in den Wahlkampf gegen Donald Trump zu ziehen. Sie wäre die erste schwarze Frau, die sich um das Amt bewirbt. Biden sagte, er unterstütze Harris als Kandidatin. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump sagt dem US-Sender CNN, seiner Ansicht nach sei es leichter, Kamala Harris in den US-Präsidentschaftswahlen im November zu schlagen als Joe Biden. Nach einem schwachen Auftritt in einem TV-Duell gegen Trump Ende Juni und einigen sprachlichen Ausrutschern war Biden auch in den eigenen Reihen zunehmend unter Druck geraten, Platz für einen neuen Kandidaten zu machen.
21.07.2024
Am Ende war der Druck wohl zu gross: US-Präsident Joe Biden tritt als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zurück. Seine reguläre Amtszeit will er aber beenden. Als Nachfolgerin schlägt er Vizepräsidentin Kamala Harris vor. Das sagt die Presse.
Helene Laube
22.07.2024, 04:00
22.07.2024, 08:08
Helene Laube
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
US-Präsident Joe Biden beugt sich dem Druck aus seiner Partei: Am Sonntag (21. Juli) kündigte er an, dass er im November nicht mehr für eine zweite Amtszeit antritt.
Die Demokraten haben jetzt vier Wochen, um einen neuen Kandidaten zu nominieren.
Kurz nach seiner Ankündigung empfahl Biden, dass seine Vizepräsidentin Kamala Harris die Demokratische Partei im November in den Kampf gegen den Republikaner Donald Trump führe.
Harris gab noch am Sonntag bekannt, dass sie die Ersatzkandidatin der Demokratischen Partei werden will.
«Neue Zürcher Zeitung»: «Ob mit Harris oder einem anderen Kandidaten – die Demokraten müssen nun Historisches leisten, um die Präsidentschaftswahl im November zu gewinnen. Noch nie in der amerikanischen Geschichte ist ein Präsident so spät aus dem Rennen um das Weisse Haus ausgestiegen. [...] Die 59-jährige Harris könnte den Amerikanern den Generationenwechsel anbieten, den sich alle wünschen. Vor allem wenn sie sich etwa einen noch jüngeren, moderaten und weissen Mann wie den Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, zur Seite stellen würde, könnte sie damit eine breite Wählerschicht ansprechen. Sie mag vielleicht nicht die stärkste Kandidatin sein, aber um Trump zu schlagen, könnte es womöglich dennoch reichen. Biden pflegte selbst zu sagen: «Vergleicht mich nicht mit dem Allmächtigen, vergleicht mich mit der Alternative.».[...]
«Tages-Anzeiger»: «Es hat viel zu lange gedauert, bis Joe Biden endlich dazu gezwungen wurde, diese Realität einzugestehen. Statt eine Nachfolge aufzubauen, die seine Erbschaft und sein Andenken gesichert hätte, würgte er bei den Vorwahlen die Diskussion einfach ab, um sich eine weitere Amtszeit zu sichern. Biden machte damit das ganze Land zum Opfer seines übersteigerten Gefühls eigener Grösse, um nicht das Bild des Grössenwahns zu bemühen. Er hinterlässt den Demokraten nun die schwierige Ausgangslage, nicht einmal vier Monate vor den Wahlen eine neue Kandidatur aufzubauen. Mit Erfolg wurde eine solche Taktik in der US-Geschichte bisher noch nie belohnt. Aber die Geschichte muss sich nicht unbedingt wiederholen».
«Blick»: «Am Sonntagnachmittag um 14 Uhr Ortszeit geschah, was viele erwartet hatten. US-Präsident Joe Biden (81) zog sich als Kandidat für eine zweite Amtszeit im Weissen Haus zurück. [...] Ein Abgang, der nicht zu vermeiden war. [...] Seit dem für Biden desaströsen TV-Duell vor vier Wochen sanken seine Umfragewerte. Parteifreunde schossen hinter vorgehaltener Hand gegen ihn, andere forderten ihn offen zum Rückzug auf. Selbst sein ehemaliger Vorgesetzter, Ex-Präsident Barack Obama (62), meinte, Biden könne Donald Trump (78) nicht schlagen. Der Rückzug dürfte innerhalb der Demokraten einen heftigen Streit auslösen. Es geht um die Frage, wer dafür verantwortlich ist, dass die Partei Biden überhaupt als Kandidaten zugelassen hat. Warum hat es niemand geschafft, ihn noch vor den Vorwahlen dazu zu bringen, den Stab an seine Vizepräsidentin Kamala Harris (59) zu übergeben?»
«Aargauer Zeitung»: «Bidens Markenzeichen in seiner ganzen Karriere ist, dass er immer wieder aus ausweglosen Situationen herausfand. Diesmal sollte es anders sein. Spätestens als Schwergewichte der Partei wie Barack Obama oder Nancy Pelosi Zweifel äusserten lief die Zeit gegen Biden. [...] Politik ist brutal. Es geht nicht um Loyalität, sondern nur um eines: Ums Siegen. Weil nur Siegen Macht bringt. Die Demokraten verloren den Glauben, dass Trump mit Biden zu schlagen ist. [...] Wäre Biden abgewählt worden, wäre er als gescheiterter Präsident in Erinnerung geblieben. Jetzt hat er die Chance, als durchaus erfolgreicher ‹One-Term-President› in den Geschichtsbüchern verewigt zu werden. Biden hat Amerika aus der Covid-Krise geführt. Und als Russland die Ukraine angriff, baute er eine robuste westliche Allianz auf, ohne die Putin wohl durchmarschiert wäre. Das sind keine geringen Leistungen.»
CH Media: «Bidens Markenzeichen in seiner ganzen Karriere ist, dass er immer wieder Rückschläge überwand und selbst aus ausweglosen Situationen herausfand. Diesmal sollte es anders sein. Spätestens als Schwergewichte der Partei wie Ex-Präsident Barack Obama oder Partei-Doyenne Nancy Pelosi Zweifel äusserten, lief die Zeit gegen Biden.[...] Dass der 81-Jährige nicht früher erkannt hat, dass er Platz machen sollte, ist unverständlich. Er konnte einfach nicht loslassen. Dass er es dennoch tat, hat womöglich weniger damit zu tun, dass er das «Beste für das Land» will, wie er schreibt - denn dann hätte er es früher tun müssen. Sondern damit, sein eigenes Vermächtnis und den eigenen Ruf zu retten.[...]»
«La Liberté»: «Es ist zu befürchten, dass die Kandidatur von Kamala Harris die Kluft zwischen den beiden sich hassenden Amerikas vergrössern wird [...] Ihr wahrscheinliches Duell mit dem milliardenschweren Geschäftsmann ist eine Allegorie auf die Vereinigten Staaten von heute. Sie ist eine Frau, Afro-Afrikanerin, progressiv und muss gegen einen demagogischen und konservativen Macho antreten, der für den Rückzug des Landes auf sich selbst steht.»
«Tribune de Genève»: «Der Druck war zu gross. In seinem Lager, von der Presse und sogar vom Showbusiness, das sich immer für ihn eingesetzt hatte. Nach einer katastrophalen ersten Debatte, gefolgt von Ausfällen infolge einer Quarantäne wegen Covid, wackelte Joe Bidens Position. Das Wunder von Pennsylvania, eine Kugel, die Trumps Kopf streifte, warf ihn endgültig zurück. Er war nur noch der schwache alte Mann im Angesicht des alterslosen Helden. Grausam für einen Präsidenten, der seine Amtszeit mit einer Wirtschaftsbilanz beendet, die viele seiner Vorgänger neidisch machen würde.»
«24 Heures»: «Ja, die Zeit ist knapp geworden für die Demokraten. Und man muss nicht lange suchen, um eine Kandidatin zu finden. Nicht, dass sie unbedingt ideal wäre: Wir wissen nicht viel über die Fähigkeiten von Kamala Harris, so wenig Raum wurde ihr gelassen, um sich einen eigenen Platz zu schaffen [...] Aber nur sie hat die Unterstützung, finanziell [...] und politisch [...] Und ausserdem ist Trump in einer Kampagne, in der das Image so viel zählt, nun der alte Mann des anderen Partei.»
Watson.ch: «Dieser Schritt muss ihm unendlich schwergefallen sein. Fast ein halbes Jahrhundert hatte Joseph R. Biden auf den Einzug ins Weisse Haus hingearbeitet. 2020 hatte er es endlich geschafft, und nun hätte er gerne noch etwas mehr Zeit dort verbracht. In den letzten Tagen aber wurde der Druck auf ihn so gross, dass er keine andere Wahl hatte als den Rückzug. [...] Nun haben die Demokraten wieder eine echte Chance, den «Halbgott» der Republikaner zu besiegen. Trumps «Läuterung» nach dem Nahtoderlebnis vor einer Woche war von sehr kurzer Dauer. Das zeigt seine Reaktion auf Bidens Rückzug, die null Respekt und viel Hass enthält. Trump bleibt Trump, und allein deshalb kann man ihn im November schlagen.[...]»
US- und andere internationale Medien
«New York Times»: «Biden hat eine mutige Entscheidung getroffen. Die Demokraten müssen die Gelegenheit beim Schopf packen. [...]Präsident Bidens Entscheidung, nicht zur Präsidentschaftswahl 2024 anzutreten, ist ein passender Schlussakkord für einen Mann, der sein Leben dem öffentlichen Dienst gewidmet hat. Biden war ein guter Präsident. Indem er sich bereit erklärt hat, nach Ablauf seiner Amtszeit im Januar zurückzutreten, erhöht er erheblich die Chance seiner Partei, das Land vor den Gefahren zu schützen, die mit einer Rückkehr von Donald Trump ins Präsidentenamt verbunden wären. [...] Wäre er an der Spitze des Wahlzettels geblieben, hätte er die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass Trump das Präsidentenamt wieder übernimmt und möglicherweise auch beide Kongresskammern kontrolliert. Biden selbst hat wiederholt vor dieser Bedrohung für das Land und seine demokratischen Traditionen gewarnt. [...] Mit Bidens Rücktritt haben die Demokraten die Möglichkeit, die öffentliche Aufmerksamkeit von Fragen zu seiner Tauglichkeit auf Trumps offensichtliche moralische und mentalitätsmässige Untauglichkeit zu lenken — und auf die Gefahren, ihm wieder die beträchtlichen Befugnisse des Präsidentenamts zu übergeben.»
«Frankfurter Allgemeine Zeitung»: «Die Demokraten lassen sich kurz vor der Wahl auf ein ungewisses Experiment ein. Auch Kamala Harris muss die Partei erst einmal von sich überzeugen. Fest steht, dass der Nervenkitzel für Europa noch mal grösser wird.»
«Süddeutsche Zeitung»: «Der US-Präsident zieht die notwendige Konsequenz aus seiner sichtbaren Schwäche. Nun wartet das Chaos auf die Demokraten – und womöglich eine grosse Chance.»
«The Guardian:» «Der beste Zeitpunkt für Joe Biden, aus dem Präsidentschaftsrennen auszusteigen, wäre vor mehreren Wochen gewesen, in den panischen Tagen nach seiner katastrophalen Leistung im Fernsehduell. [...] Der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt. Indem Biden sich aus dem Präsidentschaftsrennen zurückzieht, hat er dem Land eine Aussenseiterchance gegeben, Trump zu besiegen und das Schlimmste abzuwenden, was die extreme Rechte für Amerika geplant hat. Er hat sich dafür entschieden, die Aussicht auf einen demokratischen Sieg im November zu bewahren, selbst auf Kosten seines eigenen Egos, selbst angesichts einer zweifellos grossen persönlichen Demütigung. Viele Politiker – allen voran Trump selbst – haben deutlich gemacht, dass nichts ihnen mehr bedeutet als ihre eigene Selbstverherrlichung.»