US-WahlenTrump oder Biden – der Tag der Entscheidung ist da
Von Gil Bieler
3.11.2020
Nach einem erbitterten Wahlkampf geht es in den USA ans Eingemachte: Regiert Donald Trump weiter oder zieht Joe Biden ins Weisse Haus ein? Alles zu den «Jahrhundertwahlen» in der Übersicht.
Wie wird gewählt?
In den USA wird indirekt gewählt. Die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger gehen also nicht direkt aufs Konto eines Kandidaten, sondern an die sogenannten Wahlleute. Jeder Staat hat eine bestimmte Anzahl dieser Wahlleute zugute, die wiederum den US-Präsidenten wählen. Insgesamt zählt dieses Gremium – das sogenannte Electoral College – 538 Mitglieder.
Wer gewinnt?
Präsident wird nach US-Wahlsystem nicht, wer am meisten Wählerstimmen bekommt – Hillary Clinton etwa hatte bei den Wahlen 2016 fast drei Millionen Stimmen mehr erhalten als Donald Trump. Sieger wird vielmehr, wer die Stimmen von mindestens 270 der insgesamt 538 Wahlleute holt. Mehr zu den Eigenheiten des US-Wahlsystems erfahren Sie hier.
Die US-Wahlen bei «blue News»
Wir berichten ab Dienstagmittag durchgehend mit einem Live-Ticker, aktuellen Hintergründen und Analysen über die Wahlen in den USA.
Republikaner oder Demokraten?
Auch wenn bei den US-Wahlen immer wieder Aussenseiterkandidaten antreten, gewinnt stets einer der offiziellen Kandidaten der beiden grossen Parteien: Amtsinhaber Donald Trump tritt 2020 erneut für die Republikaner an, sein Herausforderer Joe Biden für die Demokraten. In den USA ist vollmundig von einer «Jahrhundertwahl» die Rede, beide Kandidaten warnen vor verheerenden Folgen, sollte die Gegenseite gewinnen.
Eines steht aber fest: Wer auch immer siegt, wird beim Amtsantritt am 20. Januar 2021 der älteste Präsident sein, der jemals in das Amt eingeschworen wurde: Trump ist 74 Jahre alt, Biden 77.
Wo wird die Wahl entschieden?
Viele der 50 US-Staaten wählen traditionell zuverlässig republikanisch oder demokratisch. Es gibt aber auch Staaten mit wechselnder Mehrheit, die sogenannten Swing States oder Battleground States. Zu diesen umkämpften Staaten, in denen das Ergebnis häufig knapp ausfällt, gehören unter anderem Ohio, Florida und Pennsylvania. In diesem Jahr stehen aber auch eine ganze Reihe anderer Staaten auf der Kippe, darunter Arizona, Wisconsin, Michigan und Nevada. Sogar in Texas, das sonst stramm republikanisch wählt, sagen Umfragen ein knappes Rennen voraus.
Bei früheren Wahlen stand der Sieger meist schon im Verlauf der Wahlnacht fest und der unterlegene Kandidat akzeptierte seine Niederlage. In diesem Jahr gehen Beobachter jedoch von einer Verzögerung aus. Zum einen haben aufgrund der Coronavirus-Pandemie ungewöhnlich viele Wählerinnen und Wähler brieflich abgestimmt, wodurch das Auszählen länger dauern könnte. Zum anderen hat Präsident Trump mehrfach durchblicken lassen, dass er eine Niederlage nicht akzeptieren würde. Er könne nur verlieren, wenn es massiven Wahlbetrug gebe, lautet seine Botschaft. Es ist also gut möglich, dass sich am Ende die Gerichte mit dem Wahlausgang befassen müssen.
Ist mit Ausschreitungen zu rechnen?
«Proud boys – stand back and stand by» – mit dieser Aussage aus dem chaotischen ersten TV-Duell hat Donald Trump für Aufsehen gesorgt. Die angesprochenen Proud Boys sind eine der zahlreichen bewaffneten Milizen im Land und dem rechtsextremen Lager zuzurechnen. Der Präsident distanzierte sich erst auf grossen öffentlichen Druck hin von der Bewegung.
Trumps Aussage «Haltet euch zurück und haltet euch bereit» wird von Beobachtern als Ermutigung an solche Milizen gedeutet, auf die Strasse zu gehen, sollte das Wahlresultat nicht in ihrem Sinne ausfallen – mit entsprechend steigendem Risiko von Gewalteskalationen. Der USA-Experte Marco Steenbergen von der Universität Zürich sagte jüngst im Interview mit «blue News»: «Ich denke, dass es nach den Wahlen grosse Unruhen geben wird – unabhängig davon, wer gewinnt. Aber ich hoffe, dass dies nur von kurzer Dauer sein wird.»
Wer gilt als Favorit?
Die meisten Umfragen sehen Joe Biden in Führung. Die Website RealClearPolitics etwa kam zuletzt auf 51 Prozent Stimmen für Biden und 44 Prozent für Trump. Jedoch sahen die Prognosen 2016 auch Hillary Clinton klar im Vorteil, und bekanntlich machte am Ende – dank der Eigenheiten des US-Wahlsystems – Trump das Rennen.
Für Trump spricht ausserdem der Amtsinhaber-Bonus: Amtierende Präsidenten werden in den allermeisten Fällen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Der letzte US-Präsident, dem das misslang, war George H. W. Bush, der sich 1992 Bill Clinton geschlagen geben musste.