Putin bekräftigt Bereitschaft zu Verhandlungen mit Ukraine
Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach mehr als acht Monaten Krieg gegen die Ukraine seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen bekräftigt. Allerdings habe sich die Regierung in der Ukraine unter dem Einfluss der USA gegen solche Gespräche entschieden. Das sagte Putin am Donnerstag bei einem Moskauer Diskussionsforum mit internationalen Experten.
28.10.2022
Plötzlich differenziert: Neben den gewohnten Tiraden gegen den Westen sieht Wladimir Putin dort nun auch Gleichgesinnte. Auch sie stünden für traditionelle, christliche Werte. Der Feind: die «neoliberale Elite».
Von Philipp Dahm
29.10.2022, 07:50
29.10.2022, 10:30
Philipp Dahm
Jahr für Jahr besucht der russische Präsident in Moskau eine Konferenz über Aussenpolitik und beantwortet in diesem Rahmen in einem Plenum auch entsprechende Fragen Auch am 27. Oktober gibt Wladimir Putin wieder Auskunft – und zwar dreieinhalb Stunden lang.
Hier gibt sich Putin betont locker und nahbar – im Gegensatz zu seinen sonst eher steifen Auftritten. Der Kreml-Chef plaudert aus dem Nähkästchen: Nur Moskau könne den Bestand und die territoriale Einheit der Ukraine garantieren, weil Russland das Land erst erschaffen habe, erzählt er dem Publikum.
Putin über die britische Ex-Premierministerin Liz Truss («Das Mädchen spinnt»), angeblichen russischen Beschuss des AKW Saporischschja («Sind die vollkommen verrückt?») und den Vorwurf, Kiew wolle eine schmutzige Bombe zünden («Wir wissen sogar, wo es sein wird»).
Die Vorwürfe, die Putin dem Westen macht, sind bekannt. Dieser provoziere, destilliere den Energie- und den Nahrungsmittel-Markt und sei verantwortlich für die Zerstörung der Ostsee-Pipelines: «Dieses Spiel ist sicherlich gefährlich, blutig und schmutzig. Es verneint die Souveränität von Ländern und Nationen, ihre Verschiedenheit und Einzigartigkeit und kümmert sich nicht um die Interessen anderer Staaten.»
«Neue Zentren einer multipolaren Weltordnung» seien entstanden: «Irgendwann muss der Westen auf Augenhöhe Gespräche über unsere gemeinsame Zukunft führen», sagt Putin. Er lehne die Gleichmacherei – und das westliche System – ab, betont der St. Petersburger. Umso lobt er den indischen Premier Narendra Modi für dessen «Unabhängigkeit», weil der sich den Sanktionen gegen Russland nicht anschliesst.
«Sie sind mit uns. Wir wissen das»
So weit, so vorhersehbar. Doch während es einerseits nicht überraschend ist, dass Putin, dessen Truppen die Ukraine überfallen haben, dem Westen Aggressivität unterstellt, fällt Experten auf, dass der Kreml-Chef seinen Feind nun nicht mehr über einen Kamm schert: «Es gibt zwei Arten des Westens», erklärt er plötzlich.
Auf der einen Seite sei da jener Westen, der «traditionelle, vor allem christliche Werte» vertrete. Mit diesem Teil könne sich Russland identifizieren. Aber dann ist da ja noch die dunkle Seite, beschwört Putin. «Es gibt den anderen Westen: aggressiv, kosmopolitisch, neokolonial – der als Waffe der neoliberalen Elite fungiert.»
Das zeige sich auch in den «Dutzenden Geschlechtern» und «Homo-Paraden». Dass Putin damit eine besondere Zielgruppe ansprechen will, legt dieser Satz nahe: «In den Vereinigten Staaten gibt es einen sehr starken Teil der Öffentlichkeit, der traditionelle Werte hochhält, und sie sind mit uns. Wir wissen das.»
Auch Tucker Carlson, Star des konservativen Senders Fox News, hat aus seiner Bewunderung für Wladimir Putin oder aber Ungarns starken Mann Viktor Orban nie einen Hehl gemacht. Auch die Aussage von Kevin McCarthy dürfte ihm gefallen haben: Der republikanische Fraktionsführer betonte unlängst mit Blick auf Waffenhilfen für die Ukraine, man dürfe Kiew keinen Blankoscheck geben.
«Das ist ein Trick – niemand sollte deswegen entspannen», warnt die russische Analystin Tatiana Stanovaya in der «New York Times». «Putin baut eine antiwestliche Koalition auf globaler Ebene. Er glaubt nicht, dass er in die Ecke gedrängt ist. Er glaubt, er ist Zeuge der Geburt einer neuen Welt.»
Pikant: Putin versucht auch mit Geld, seine Zielgruppe in den USA zu erreichen. Während Medienhäuser wie YouTube keine Geschäfte mehr mit Russland machen, buttert der Kreml weiterhin Millionen in andere westliche Presseprodukte, berichtet «Politico». So habe Ghebi, eine Firma, die Radiosendungen produziert, über 3,2 Millionen Dollar aus russsichen Quellen erhalten.