Endspurt bei der Weltklimakonferenz «Die Welt schaut auf Glasgow»

dpa/toko

10.11.2021 - 18:38

Entwurf der COP26-Abschlusserklärung: Appell zu weniger Emissionen

Entwurf der COP26-Abschlusserklärung: Appell zu weniger Emissionen

Der erste Entwurf der Abschlusserklärung der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26) fordert schnellere und verstärkte Klimaschutzanstrengungen von den Staaten. Kritiker bemängeln die Formulierungen als zu weich.

10.11.2021

Das angestrebte 1,5-Grad-Ziel liegt noch immer in weiter Ferne, die Welt steuert weiter auf die Klimakatastrophe zu. In Glasgow legen die Verhandler nun Nachtschichten ein. Doch die Zeit läuft ab.

Mehr Tempo beim Kohleausstieg, verschärfte Klimaschutzpläne bis Ende 2022 und kein Steuergeld mehr für Gas, Öl oder Kohle: Sieben Seiten Text mit so mancher knackigen Forderung sollen den notorischen Bremsern im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe endlich Beine machen.

Es ist der erste ausformulierte Entwurf für die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz in Glasgow, die nun nach knapp zwei Wochen auf die Zielgerade einbiegt. Veröffentlicht hat der britische Vorsitz das mit Spannung erwartete Dokument mit dem sperrigen Titel «1/CMA.3» um 5.51 Uhr, noch bevor über Schottland die Sonne aufging.

Eine Teilnehmerin einer Protestaktion von Fridays for Future bei der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow.
Eine Teilnehmerin einer Protestaktion von Fridays for Future bei der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow.
Christoph Soeder/dpa

Beachtlich, auch aus Sicht von Klimaschützern: Erstmals seit 25 Jahren soll in der sogenannten «Cover Decision» der Kohleausstieg überhaupt erwähnt und konkret eingefordert werden, dazu das Ende aller Subventionen für fossile Energieträger. Umweltorganisationen würdigten das – bemängelten aber sogleich, dass ein konkretes Datum dafür fehle. Zudem sei der Fokus auf die Kohle zu eng, sagte etwa Cansim Leylim vom Klimabündnis 350.org.

Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Auch das Verbrennen von Gas und Öl müsse schliesslich enden, um den Ausstoss klimaschädlicher Treibhausgase wie Kohlendioxid und Methan gen Null zu drücken. Ob dem aber Staaten wie Saudi-Arabien oder Russland zustimmen könnten, deren Wirtschaft komplett auf dem Öl- und Gasexport fusst, wird sich im Schlussspurt der COP26 zeigen. Zu bedenken ist: Alle Beschlüsse in Glasgow müssen einstimmig fallen, was jedem Staat auch Blockademöglichkeiten eröffnet.



Ist das Glas nun halb voll oder halb leer, kurz vor dem geplanten Gipfelende am Freitag? Am Ziel seien die Verhandlungspartner noch nicht, sagte der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, Kopf der Verhandlungsdelegation. Der Vorschlag für das Abschlussdokument atme aber «durchweg den Geist von mehr Anstrengungen im Klimaschutz». Was in dem Entwurf bislang fehle, sei der Bezug zu den grössten Verursachern von Treibhausgasen, kritisierte Flasbarth. «80 Prozent der Emissionen kommen aus den G20-Staaten.» Dem müsse auch das Abschlussdokument Rechnung tragen.

In Glasgow verhandeln rund 200 Staaten darüber, wie die globale Klimakrise und die Erderwärmung eingedämmt werden sollen.
In Glasgow verhandeln rund 200 Staaten darüber, wie die globale Klimakrise und die Erderwärmung eingedämmt werden sollen.
dpa

Sichtbare Fortschritte im Vergleich zu den Vorjahren gab es auch beim Thema, wie streng die Staaten im Abschlusstext dazu angehalten werden, ihre insgesamt völlig unzureichenden Pläne zur Drosselung von Treibhausgasen nachzubessern. Der Ausstoss müsse schnell, stark und nachhaltig runter, und zwar um 45 Prozent bis 2030 und dann auf netto Null bis zur Mitte des Jahrhunderts, heisst es dazu.

Anders lasse sich die Erderwärmung nicht wie angestrebt auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzen. Nicht im Textentwurf findet sich aber eine konkrete Selbstverpflichtung der etwa 200 vertretenen Länder, dies auch zu tun. Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig äusserte sich skeptisch zu der Textpassage. «Ob der Aufruf zu deutlich mehr Klimaschutz führen wird, ist daher fraglich.»

Alle Interessen und Einwände unter einem Hut zu bringen, das ist eine komplexe Aufgabe. Archie Young, Chef-Verhandler Grossbritanniens, formulierte es diese Woche so: «Stell dir vor, du willst 197 Freunde zusammenbekommen und dich darauf einigen, wo man gemeinsam Mittagessen geht.» Auf den Verhandlern lastet der Druck, dass es in diesen entscheidenden Tagen in Glasgow um ein wenig mehr geht als die Wahl zwischen Pizza oder Fish und Chips.



Enttäuschend für die ärmeren Staaten fielen die Formulierungen zum Thema Schadenersatz für schon durch den Klimawandel entstandene, unvermeidbare Schäden aus. Es fehlt zum einen ein handfester Auftrag, über das Thema zu verhandeln, zum anderen werden aber auch Zeitpläne oder gar Summen genannt. Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan sagte, in den Text gehörten «echte Zahlen», es gehe um eine Grössenordnung von Hunderten Milliarden Dollar.

Reiche Länder müssen zahlen

Etwas konkreter wird es zumindest bei den Finanzhilfen reicher Staaten für die Anpassung an Klimaschäden und Klimaschutzmassnahmen. Es sei «sehr besorgniserregend», dass die derzeitigen Hilfen unzureichend seien. Die Industriestaaten sollen nun aufgefordert werden, ihre Gelder für die Klimaanpassung «mindestens zu verdoppeln». Doch auch hier bleibt offen: Bis wann? Und von welcher Basis aus gerechnet?

Konferenzpräsident Alok Sharma liess sich mittags öffentlich aus den einzelnen Arbeitsgruppen berichten. Sein Fazit: Jetzt müssten alle die Ärmel hochkrempeln, denn die Zeit läuft ab. «Ich habe immer noch die Absicht, diese Konferenz am Freitagabend abzuschliessen. Diesen Freitag, nur um das klarzustellen», sagte er unter dem Gelächter der Delegierten und vieler Minister, die teils die Nacht hindurch verhandelt hatten. Alle müssten den «höchsten gemeinsamen Nenner» finden. Dann wurde er feierlich: «Die Welt schaut auf Glasgow», mahnte er. Was hier vereinbart werde, «entscheidet über die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder».

Wie geht es nun weiter? So wie gehabt, sagt Sharma: Schon in der Nacht zum Donnerstag sollten weitere «fast fertige» Texte zu verschiedenen Themen veröffentlicht werden.

dpa/toko