Ökonomen zum Bruch der Ampel Kann es sich Deutschland leisten, mit Neuwahlen zuzuwarten?

Samuel Walder

8.11.2024

Deutschland braucht nun eine schnelle Lösung, um die Wirtschaft nicht weiter zu schwächen. (Archivfoto)
Deutschland braucht nun eine schnelle Lösung, um die Wirtschaft nicht weiter zu schwächen. (Archivfoto)
Kay Nietfeld/dpa

Nach dem Ende der Ampel-Koalition und dem Rücktritt von Finanzminister Lindner spitzt sich die Lage in Deutschland zu. Ökonomen warnen vor Verzögerungen und fordern Neuwahlen – so schnell wie möglich.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Bruch der Ampel-Koalition und der Rücktritt von Finanzminister Lindner haben eine Debatte über die deutsche Regierung entfacht.
  • Experten wie Clemens Fuest und Andreas Peichl betonen, dass es keine unerwarteten Notlagen gibt, die eine Auflösung der Schuldenbremse rechtfertigt.
  • Beide fordern schnelle Neuwahlen zur Stabilisierung der Wirtschaft.

Das Ampel-Aus vom Mittwochabend erschüttert Deutschland, Europa und die ganze Welt. Nach der Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner durch Kanzler Olaf Scholz will dieser zusammen mit den Grünen bis im Januar weiterregieren, um dann die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Doch die Mehrheit der Deutschen will schnelle Neuwahlen.

Andreas Peichl ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Clemens Fuest Präsident des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München. Beide Experten haben sich mit dem Ampel-Bruch auseinandergesetzt und beantworten die drängendsten Fragen.

Hat Lindner mit seinem Nein zur Auflösung der Schuldenbremse die Wirtschaft blockiert?

Andreas Peichl: Die Wirtschaft braucht dringend eine tragfähige wirtschaftspolitische Strategie zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Es gibt aber keinen neuen Grund zur Auflösung der Schuldenbremse, da es keine neue haushaltspolitische Notlage gibt.

Dafür müsste es sich um eine überraschende Veränderung handeln. Da kommt aber nichts überraschend, weder Ukraine-Krieg noch der Trump-Sieg sind überraschend, es gab genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Welche Herausforderungen oder Chancen erwarten Sie in den nächsten Monaten?

Andreas Peichl: Die kommenden Monate werden von erheblichen Herausforderungen geprägt sein, darunter wirtschaftliche Unsicherheiten und der Bedarf an entschlossenen politischen Massnahmen.

Gleichzeitig bieten sich Chancen für strukturelle Reformen und Investitionen in zukunftsweisende Sektoren, die nachhaltiges Wachstum fördern können.

Was sagen Sie zum Nachfolger von Christian Lindner, dem Wirtschaftsberater Jörg Kukies?

Adreas Peichl: Jörg Kukies ist ein ausgewiesener Experte und war ja auch schon Staatssekretär im Finanzministerium. Seine Erfahrungen aus der Privatwirtschaft und der Regierung könnten zu einem pragmatischeren Ansatz führen, um den aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen.

Olaf Scholz hat am Donnerstag gesagt, dass «die Wirtschaft nicht warten kann». Stimmt das?

Clemens Fuest: Die Wirtschaft braucht dringend eine tragfähige wirtschaftspolitische Strategie zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen. Deshalb braucht sie so schnell wie möglich Neuwahlen.

Neuwahlen zu verzögern, um Einzelmassnahmen noch durchs Parlament zu bringen, schädigt die Wirtschaftsentwicklung, weil die Phase der Unsicherheit verlängert wird.

Also kommen die Neuwahlen im März zu spät? «Für die Verzögerung gibt es keine überzeugende Rechtfertigung», erklärt Fuest.

Schaut die Wirtschaft stärker auf die Wahlen in den USA oder auf das Ampel-Aus?

Clemens Fuest: Sicherlich auf beides. Allerdings ist keines von beiden wirklich überraschend.

Rechtfertigt der Ukraine-Krieg in Jahr 3 aus Ihrer Sicht eine haushaltspolitische Notlage?

Clemens Fuest: Nein. Es müsste sich um eine überraschende Veränderung handeln. Da kommt nichts überraschend, auch der Trump-Sieg ist nicht überraschend, es gab genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.