Chinas Zorn auf Taiwan und USA «Eine Entspannung ist kaum zu erwarten»

Von Andreas Fischer

7.4.2023

Taiwans Präsidentin besucht USA – China droht mit «entschlossener Reaktion»

Taiwans Präsidentin besucht USA – China droht mit «entschlossener Reaktion»

Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, hat Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen die Unterstützung der USA im Konflikt mit China zugesichert. Tsai traf in Kalifornien mit McCarthy zusammen. China reagierte verärger

06.04.2023

Als Reaktion auf den USA-Besuch von Taiwans Präsidentin fährt China vor der Insel einen Flugzeugträger auf und inspiziert taiwanische Schiffe. China-Experte Ralph Weber erklärt, wie ernst die Drohgebärden sind.

Von Andreas Fischer

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • China fühlt sich durch das Treffen der taiwanischen Präsidentin mit einem hochrangigen US-Politiker provoziert.
  • Die Spannungen machen sich auch in taiwanischen Gewässern bemerkbar.
  • China-Kenner Ralph Weber warnt vor drastischen Folgen einer möglichen Eskalation.

Die Antwort aus Peking liess nicht lange auf sich warten: «Als Reaktion auf das ungeheuerliche Fehlverhalten der USA und Taiwans wird China starke und entschlossene Massnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen», tönte es aus dem Aussenministerium der Volksrepublik. China fühlt sich durch das Treffen der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mit einem hochrangigen US-Politiker provoziert.

Bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, dem Republikaner Kevin McCarthy, hat sich Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen für die fortwährende Unterstützung der USA für ihr Land bedankt. Diese Unterstützung versichere dem Volk Taiwans, «dass wir nicht isoliert sind und dass wir nicht allein sind», sagte Tsai nach dem Treffen am Mittwoch (Ortszeit). «Wir befinden uns wieder einmal in einer Welt, in der die Demokratie bedroht ist.»

China verschärft die Drohgebärden

Die Unterstützung Taiwans erhöht die Spannungen zwischen China und den USA weiter. Im Februar hatte das Eindringen eines mutmasslichen chinesischen Spionageballons in den US-Luftraum für Zerwürfnisse gesorgt. Der Ballon wurde einige Tage später vom US-Militär abgeschossen.

Dennoch verschärfte China seine Drohgebärden unmittelbar nach dem Treffen zwischen Tsai Ing-wen und Kevin McCarthy. Ein Flugzeugträger-Verband durchquerte Gewässer im Südosten Taiwans.

Zudem will Peking alle Schiffe in der Taiwanstrasse kontrollieren und inspizieren. Auf einen Besuch von McCarthys Vorgängerin, der Demokratin Nancy Pelosi, in Taiwan im vergangenen August hatte die chinesische Führung mit einem mehrtägigen Militärmanöver reagiert, es wurden Raketen abgeschossen und vermehrt Cyberangriffe lanciert.

Peking hat einen Flugzeugträger (Archivbild aufgenommen während einer Militärparade) in die Taiwanstrasse geschickt – als starke und entschlossene Reaktion auf ein Treffen von Taiwans Präsidentin mit hohen US-Politikern. 
Peking hat einen Flugzeugträger (Archivbild aufgenommen während einer Militärparade) in die Taiwanstrasse geschickt – als starke und entschlossene Reaktion auf ein Treffen von Taiwans Präsidentin mit hohen US-Politikern. 
Bild: Keystone

«Drastische Schritte würden eine Eskalation bedeuten»

Doch wie weit ist China diesmal bereit zu gehen? China-Experte Ralph Weber von der Universität Basel hofft, «dass sich hier in erster Linie zwei Grossmächte auf rhetorischer Ebene gegenseitig abmessen», wie er blue News zu Protokoll gibt. «Die Volksrepublik China hat schon im Vorfeld gegen ein Treffen protestiert, worauf McCarthy noch viel weniger zurückkrebsen konnte», erklärt Weber.

Nachdem das Treffen aber stattfand, habe Peking wiederum eine Reaktion zeigen müssen, «auch über die Rhetorik hinaus». Dennoch glaubt Weber: «An einer Eskalation dürfte derzeit aber keine der zwei Mächte ein echtes Interesse haben.»

Würde China aus Zorn über das Treffen zwischen Tsai Ing-wen und Kevin McCarthy drastische Schritte unternehmen, wäre der Preis hoch. «Drastische Schritte würden eine Eskalation bedeuten, die schnell unkontrollierbar werden könnte.» China sei bewusst gewesen, so Weber, dass das Treffen über die Bühne gehen würde. «Es geht also nicht um echten ‹Zorn› oder um eine emotionale Reaktion.» Das Hin und Her folge eher einem eingespielten Drehbuch.

«Nicht immer geben rationale Gründe den Ausschlag»

Dennoch sei die Gefahr, dass Peking den Taiwan-Konflikt militärisch eskalieren lässt, schwierig abzuschätzen. «Die Kosten einer solchen militärischen Eskalation scheinen für alle beteiligten Seiten enorm hoch zu sein», schätzt Ralph Weber die Lage ein. Zudem sei der Erfolg für die Volksrepublik China unsicher. «Leider geben aber nicht immer rationale Gründe den letztendlichen Ausschlag.» Es sei äusserst wichtig, dass im Hintergrund die Kommunikationskanäle zwischen den USA und der Volksrepublik China gut funktionieren.

Auffällig bei dem Besuch von Tsai Ing-wen ist die rhetorische Zurückhaltung der taiwanischen und US-amerikanischen Akteure. Ein Zeichen der Entspannung möchte Weber in die moderaten Töne nicht hineininterpretieren: «Eine Entspannung ist kaum zu erwarten. McCarthy möchte sicherlich zeigen, dass er sich von der Volksrepublik China nicht einschüchtern lässt und empfängt, wen immer er empfangen möchte. Aber er will auch nicht mehr als nötig provozieren. Von daher ist man vorsichtig.»

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.