Kampfjets für die Ukraine Ein paar F-16 reichen nicht aus, um das Blatt zu wenden

Von Andreas Fischer

31.1.2023

Kampfjets für die Ukraine? Biden sagt «Nein», Macron «vielleicht»

Kampfjets für die Ukraine? Biden sagt «Nein», Macron «vielleicht»

Soll die Ukraine im Kampf gegen die russischen Invasionstruppen auch mit Kampfflugzeugen unterstützt werden? Die westlichen Verbündeten sind in dieser Frage uneins. Während US-Präsident der Lieferung von F-16-Kampfjets eine Absage erteilte, schlie

31.01.2023

Nach den Kampfpanzern bittet die Ukraine nun um Kampfjets: Die einen lehnen die Lieferung solcher komplett ab, andere schliessen nichts mehr aus. Doch was würden die Fighter der Ukraine überhaupt bringen?

Von Andreas Fischer

31.1.2023

«Es ist dazu jetzt alles gesagt, auch von mir», der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat genug von der Diskussion, ob Deutschland und der Westen Kampfflugzeuge an die Ukraine liefern sollen. Der Regierungschef in Berlin hatte sich nach langem Zögern erst vor wenigen Tagen dazu durchgerungen, der ukrainischen Armee Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zur Verfügung zu stellen. Nun will er einen «Überbietungswettbewerb» in der Debatte über Waffen für die Ukraine vermeiden.

Doch so einfach, wie es Olaf Scholz gern hätte, lässt sich die Debatte nicht aussitzen. Zwar hat Joe Biden gerade erklärt, die USA würden keine F-16-Kampfjets zur Verfügung stellen, aber unklar ist, ob das «Nein» des US-Präsidenten nicht doch nur für den Moment gilt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jedenfalls hat sich bereits vorsichtig positiv zu einer möglichen Lieferung französischer Kampfflugzeugen an Kiew geäussert: «Grundsätzlich ist nichts verboten.» Ähnliche Töne sind aus den Niederlanden zu vernehmen: Regierungschef Mark Rutte betonte, es gebe «kein Tabu, aber es wäre ein grosser Schritt», wenn Kampfflugzeuge an Kiew geliefert würden.

Und Polen ist ohnehin bereit, den Nachbarn zu unterstützen. Die Regierung in Warschau hatte schon in den ersten Kriegstagen angeboten, der Ukraine MiG-29-Jets aus sowjetischer Produktion zur Verfügung zu stellen. Dieses Ansinnen wurde damals von den Nato-Partnern, allen voran den USA, abgelehnt. Es könnte nun aber wieder aktuell werden.

Politik und Militärexperten werden in der Kampfjet-Debatte noch einige wichtige Fragen beantworten müssen.

blue News fasst die wichtigsten Aspekte zusammen:

Was würden Kampfjets der Ukraine militärisch bringen?

Kriegsziel der Ukraine ist die komplette Befreiung des von Russland besetzten Staatsgebiets – einschliesslich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim. Für einen effektiven Vormarsch der demnächst von westlichen Kampfpanzern gestärkten Bodentruppen müssen diese idealerweise von der Luftwaffe unterstützt werden.

«Für sich genommen glaube ich kaum, dass sie den Kriegsverlauf verändern», bestätigt Tim Sweijs, Forschungsdirektor am Zentrum für Strategische Studien in Den Haag, bei CNN. Anders sähe es aus, wenn etwa die F-16 in Kombination mit Panzern und Artilleriesystemen mit grösserer Reichweite eingesetzt werden, die in der Lage sind, russische Radarsysteme auszuschalten. «Diese Kombination könnte der Ukraine helfen, das Blatt zu wenden.»

Auch für Douglas Barrie, Experte für Militärflugzeuge am International Institute for Strategic Studies, könnten die Jets nützlich für die Ukrainer sein, wie er dem «Spiegel» sagt. Allerdings hält er die Diskussion gerade auch für ein Stück weit symbolisch. «Ein Kampfflugzeug allein ist erst einmal nicht sonderlich nützlich», entscheidend sei das Waffenpaket, das zusammen mit der Maschine bereitgestellt werde.

Kommt hinzu, dass Russland über eine durchaus fähige Flugabwehr im Kriegsgebiet verfügt. Dadurch werden die Einsatzmöglichkeiten der Jets eingeschränkt: Sie müssten im Tiefflug operieren und könnten nur in «einem Abstand von mehreren Dutzend Kilometern von der Front fliegen. Dies würde die effektive Reichweite der Raketen drastisch verringern und die Angriffsmöglichkeiten einschränken», erklärt Justin Bonk vom britischen Royal United Services Institute (Rusi).

Welche Flugzeugtypen kämen für die Ukraine infrage?

Die Debatte dreht sich vor allem um die von Polen angebotenen sowjetischen MiG-29- und US-amerikanischen F-16-Fighter. Die MiG-29 ist vor allem auf den Luftkampf ausgerichtet und würde vornehmlich der Abwehr feindlicher Jets dienen. Die F-16 können mit Bomben und Raketen ausgestattet werden, um russische Stellungen in der Ukraine zu bombardieren oder Ziele jenseits der Grenze, etwa russische Militärflughäfen, zu treffen.

Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Juri Ihnat, nannte in der spanischen Zeitung «El País» jüngst als Ziel zwei Staffeln mit je zwölf Kampfflugzeugen – also insgesamt 24 Maschinen. Idealerweise sollte es sich dabei um US-Kampfjets vom Typ F-16 handeln.

Die Ukraine hofft, von den westlichen verbündeten F-16 Kampfflugzeuge zu bekommen.
Die Ukraine hofft, von den westlichen verbündeten F-16 Kampfflugzeuge zu bekommen.
Keystone/

Warum sind westliche Partner bei Kampfjets bisher zögerlich?

Bei allen gelieferten Waffensystemen haben die Nato-Partner bisher darauf geachtet, dass sie nicht zu einer Eskalation des Konflikts und ukrainischen Angriffen auch auf russisches Staatsgebiet führen können. Deswegen wurden auch die US-Raketenwerfer HIMARS nur mit Kurzstreckenmunition geliefert. Auch wenn Kiew zusichert, dass es dies nicht plant, hätte es mit Kampfjets die Möglichkeit, die Kampfzone auf Russland auszuweiten.

Der deutsche Veteidigungsminister Boris Pistorius betont in der «Süddeutschen Zeitung»: «Kampfflugzeuge sind viel komplexere Systeme als Kampfpanzer und haben eine ganz andere Reichweite und Feuerkraft. Da würden wir uns in Dimensionen vorwagen, vor denen ich aktuell sehr warnen würde.»

Auch Emmanuel Macron hat für eine allfällige Lieferung von Kampfjets unter anderem die Bedingung gestellt, dass sie «keinen russischen Boden berühren, sondern ausschliesslich die Abwehrfähigkeit unterstützen» dürften.

Wie schnell wären westliche Kampfjets in der Ukraine einsetzbar?

Selbst wenn die Ukraine nun rasch westliche Kampfflugzeuge bekäme, dürften sie auf absehbare Zeit keine Rolle im Kriegsgeschehen spielen. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte dem Nachrichtenportal «Politico», die Schulung von Piloten seines Landes auf westlichen Jets werde «sechs Monate oder länger» dauern.

Umso wichtiger sei es, dass die Entscheidung zur Lieferung bald falle. Zumal die ukrainische Regierung befürchtet, dass Russland seine Angriffe im Vorfeld des Jahrestages des Einmarsches am 24. Februar 2022 nochmals verstärken wird. Zuletzt hatte Kiew bereits von immer stärkerem Druck der Aggressoren im Osten des Landes berichtet. Russland könnte versuchen, vor dem Eintreffen der bereits zugesagten westlichen Kampfpanzer seine militärische Lage zu verbessern.

Woher könnten die MiG-29 kommen?

Die Ukraine verfügt noch über diese Maschinen, ihre Piloten können also ohne weitere Schulung mit ihnen umgehen. Die Bundeswehr nutzte nach der Wiedervereinigung noch einige MiG-29 der DDR. Ende 2002 wurden alle verbliebenen 22 MiG-29 an Polen abgegeben. Ihre Weitergabe an die Ukraine müsste Deutschland als ursprünglicher Eigner wohl ausdrücklich genehmigen: Das letzte Wort in der Debatte hat also auch diesmal Olaf Scholz.

Mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und afp.