Nun also doch: Die US-Demokraten stossen ein Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump an. Weshalb geschieht das gerade jetzt? Und warum dürfte das dem Präsidenten mehr nutzen als schaden? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist genau passiert?
Am Wochenende haben amerikanische Medien berichtet, dass ein Geheimdienst-Mitarbeiter einen Whistleblower-Bericht gegen Donald Trump eingereicht habe. Der Vorwurf wurde erst nur in Grundzügen bekannt: Der US-Präsident soll einem Ausländer am Telefon etwas versprochen haben, das besorgniserregend sei.
Inzwischen sind die Einzelheiten zum Vorwurf durchgesickert: Trump soll in einem Telefonat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unter Druck gesetzt haben, gegen Hunter Biden und seinen Vater Joe zu ermitteln. Joe Biden war Vizepräsident unter Obama und ist der derzeit aussichtsreichste demokratische Präsidentschaftsanwärter. Trump wirft Biden Senior vor, dass er versucht habe, den ukrainischen Generalstaatsanwalt loszuwerden, weil dieser gegen eine Firma ermittelt hat, in die Biden Junior involviert war. Trump soll den Druck erhöht haben, indem er mehrere hundert Millionen Dollar Hilfsgelder an die Ukraine zurückgehalten habe.
Warum kommt das Verfahren genau jetzt?
Trumps Amtsführung stand praktisch von Beginn weg unter grosser Kritik der Demokraten. Der Ruf nach einem Impeachment, also einem Amtsenthebungsverfahren, wurde dann erstmals wegen der Russland-Affäre laut. Der abschliessende Muller-Bericht verzichtete aber auf eine klare Empfehlung. Es wurde mit der Vielzahl der Vorgänge argumentiert.
Bei der Ukraine-Affäre ist die Ausgangslage eine andere: Es existiert eine Whistleblower-Meldung eines Geheimdienst-Mitarbeiters und ein Transkript des Telefonats von Trump mit Selenskyj. Zudem ist belegt, dass die Zahlung von Hilfsgeldern an die Ukraine verzögert wurde. Es gibt also nicht die gleiche Flut von Beweisen, was den Interpretationsspielraum verkleinert: Im Fall der Ukraine-Affäre fällt es Trump und seinen Fürsprechern schwerer, Zweifel an den Vorwürfen zu sähen.
Zuletzt war der Druck, ein Impeachment anzuschieben, immer weiter gewachsen – bis schliesslich Nancy Pelosi, der demokratischen Präsidentin des Repräsentantenhauses, kaum mehr ein anderer Weg blieb. Sie hatte sich bisher immer gegen ein Impeachment ausgesprochen, weil sie fürchtete, Trump damit eher zu nutzen als zu schaden. Doch hätte sie nun das Verfahren weiterhin hinausgezögert, hätte sie mit einem Aufstand in ihrer demokratischen Partei rechnen müssen.
Was passiert jetzt?
Es ist das Repräsentantenhaus, das nun eine formelle Impeachment-Untersuchung einleitet. Deren Ziel ist es, die Vorwürfe gegen Präsident Trump wenn möglich zu erhärten. Denn bisher hat der Kongress, der eigentlich die Aufsicht über die Regierung hat, weder den Whistleblower-Bericht noch das Transkript des Anrufs gesehen – letzteres will Trump nun zugänglich machen, hat er jüngst angekündigt. Ob er seiner Ankündigung auch Taten folgen lässt, muss sich allerdings erst zeigen.
Legen die Beweise tatsächlich den Schluss nahe, dass Trump «Verrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen» begangen hat – so die Anforderung laut Verfassung –, muss das Repräsentantenhaus einen Impeachment-Prozess beschliessen. Dafür reicht eine einfache Mehrheit aus – eine tiefe Hürde, da die Demokraten eine Mehrheit haben in der grossen Kammer des US-Kongresses.
Anschliessend muss der Senat befinden, ob die Vorwürfe eine Amtsenthebung rechtfertigen; geleitet wird diese Verhandlung vom Vorsitzenden des Obersten Gerichts. Nur wenn mindestens zwei Drittel der Senatorinnen und Senatoren dieser Meinung sind, würde Trump des Amtes enthoben.
Wird Trump stürzen?
Nein – jedenfalls nicht nach dem aktuellen Kenntnisstand, Beweise hin oder her. Denn der Präsident sitzt fest im Amt und geniesst weiterhin grossen Rückhalt bei der Basis der Republikaner. Für eine Verurteilung im Senat müssten mindestens 19 Republikaner mit den Demokraten für eine Amtsenthebung stimmen – nach derzeitigem Stand ist das schlicht undenkbar. Zumal sich etliche Senatoren im November 2020 der Wiederwahl stellen müssen und sicher alles vermeiden werden, was ihre Wählerschaft verärgert.
Wer profitiert?
Wohl doch Trump. Der US-Präsident weiss die Sache bisher geschickt für seine Sache zu nutzen. Zum einen schreit er bereits wieder auf und spricht von Präsidenten-Belästigung und Hexenjagd, wie er das auch schon während der Russland-Affäre gemacht hat. Zum anderen wiederholt er jedes Mal, wenn die Sache zur Sprache kommt, die Vorwürfe gegen Joe Biden. Hier gilt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Denn Trump geht es darum, seinen aktuell stärksten Herausforderer in ein schlechtes Licht zu rücken. Und ab jetzt wird jedes Mal, wenn Biden Trump für seine Verfehlungen als Präsident angreift, jemand einwenden, dass der einstige Vizepräsident selber keine Weisse Weste habe.
Die Angelegenheit nützt Trump auch, weil er im direkten Zweikampf am stärksten ist. Dann kann er sein Charisma am besten ausspielen, dann verstummt jede parteiinterne Kritik an ihm. Scheitert die Amtsenthebung im Senat – und davon ist auszugehen, siehe oben – dürfte er gestärkt ins Wahljahr gehen. Wie man das Impeachment zum eigenen Vorteil nutzen kann, hat einst Trumps Vor-Vor-Vorgänger Bill Clinton gezeigt: Seine Beliebtheit stieg nach dem gescheiterten Verfahren damals deutlich an.
Ein Lichtblick bleibt den Demokraten bei der Sache: Wenn sie ihre Karten richtig spielen, kann die Sache ihre Basis für die Präsidentschaftswahlen mobilisieren. Das ist allerdings alles andere als sicher.
Das (vorläufige) Fazit
Trump sitzt trotz der schweren Vorwürfe gegen ihn in einer komfortablen Situation: Ziehen die Demokraten das Amtsenthebungsverfahren durch und scheitern, wird Trump dies als völligen Freispruch werten. Entscheidet sich die demokratische Mehrheit im Senat gegen das Impeachment, verliert die Partei vor ihrer eigenen Basis das Gesicht, denn dort wird der Ruf nach einem offenen Kampf gegen Trump immer lauter.
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