Nach Soleimani-Tod Droht neuer Krieg? USA entsenden Tausende Soldaten in Nahen Osten

SDA / dpa / tmxh

4.1.2020

Ghassem Soleimani war in der arabischen Welt als wichtigster Vertreter des iranischen Militärs berühmt-berüchtigt. Nach seiner Tötung drohen die USA und der Iran gegenseitig mit Gewalt. Bis zu 3'500 weitere Soldaten wollen die USA nun in den Nahen Osten entsenden.

Nach der Tötung des iranischen Top-Generals Ghassem Soleimani bei einem US-Raketenangriff im Irak wächst im Nahen Osten die Sorge vor einem neuen Krieg. Die oberste Führung in Teheran und verbündete Milizen drohten Washington am Freitag mit Vergeltung.

«Soleimanis Weg wird auch ohne ihn weitergeführt, aber die Kriminellen erwartet eine schwere Rache», schrieb Ajatollah Ali Chamenei in einem Beileidsschreiben.

Auch Irans Präsident Hassan Ruhani kündigte Vergeltung an. «Zweifellos werden der Iran und andere unabhängige Staaten dieses schreckliche Verbrechen der USA rächen», erklärte er. Aussenminister Mohammed Dschwad Sarif twitterte: «Die Ermordung General Soleimanis war extrem gefährlich und wird zu einer Eskalation der Krise führen.»

Die Überreste des von Raketen getroffenen Fahrzeugs von Ghassem Soleimani. 
Die Überreste des von Raketen getroffenen Fahrzeugs von Ghassem Soleimani. 
Source: Iraqi Prime Minister Press Office/dpa

Die USA sprachen hingegen von einem Akt der Selbstverteidigung und forderten Teheran zur «Deeskalation» auf. US-Präsident Donald Trump erklärte auf Twitter, Soleimani sei für den Tod von «Tausenden Amerikanern» verantwortlich. Er habe noch «viele weitere» töten wollen, sei nun aber «erwischt» worden. «Er war direkt und indirekt verantwortlich für den Tod von Millionen Menschen, inklusive der grossen Zahl jüngst im Iran selbst getöteter Demonstranten.» Weiter schrieb Trump: «Er hätte vor vielen Jahren getötet werden sollen.»

US-Aussenminister Mike Pompeo rief den Iran auf, sich nun wie ein normales Land zu verhalten und keine Terroristen mehr zu fördern. Sollte Iran einen anderen Weg verfolgen, sei die US-Regierung bereit, «angemessen zu antworten», sagte er dem Sender Fox News. Zugleich betonte er: «Wir wollen keinen Krieg mit dem Iran.»

Nach der gezielten Tötung des iranischen Generals entsenden die USA tausende zusätzliche Soldaten in den Nahen Osten. Es würden zwischen 3'000 und 3'500 Soldaten in die Region geschickt.

Das berichteten am Freitag mehrere US-Medien unter Berufung auf Quellen im US-Verteidigungsministerium. Der «Washington Post» zufolge sollen die Truppen zunächst in Iraks Nachbarland Kuwait stationiert werden. Dem Nachrichtensender CNN zufolge handelt es sich bei den Soldaten um Fallschirmjäger aus dem US-Bundesstaat North Carolina. Aus deren Verband waren am Mittwoch bereits 750 Soldaten nach Kuwait verlegt worden. Eine offizielle Bestätigung lag zunächst nicht vor.

Auf Anweisung von Trump

Soleimani, der Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, war in der Nacht zum Freitag bei einem US-Drohenangriff nahe dem Flughafen der irakischen Hauptstadt Bagdad getötet worden. Nach Angaben irakischer Sicherheitskräfte trafen drei Raketen zwei Fahrzeuge. Insgesamt seien acht Menschen getötet worden, hiess es. Darunter waren demnach auch der hohe irakische Milizenanführer Abu Mahdi al-Muhandis, ein enger Verbündeter des Irans, und ein Schwiegersohn Soleimanis.

Das Pentagon erklärte, die Operation sei auf Anweisung von Präsident Trump erfolgt, um weitere Angriffe auf US-Kräfte zu verhindern. Pompeo zufolge stand ein von Soleimani geplanter Angriff unmittelbar bevor. Dieser hätte «Dutzende, vielleicht sogar Hunderte Leben von US-Bürgern in Gefahr gebracht», sagte Pompeo dem Sender CNN unter Verweis auf Erkenntnisse der Geheimdienste.

Im Iran kam es am Freitag in fast allen Teilen des Landes zu spontanen Kundgebungen gegen die USA. Die US-Botschaft in Bagdad rief ihre Staatsbürger zur sofortigen Ausreise aus dem Irak auf. Als Reaktion auf die Lage im Nahen Osten zogen die Öl- und Goldpreise deutlich an, auf den Finanzmärkten weltweit breitete sich Unruhe aus.

In den USA entbrannte eine Debatte über die Rechtmässigkeit des US-Angriffs. «Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen», erklärte der frühere US-Vizepräsident und demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden.

Beobachter fürchten Eskalation

Beobachter befürchten eine gefährliche Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran. Die im Irak eingesetzten Bundeswehrsoldaten verschärften ihre Sicherheitsmassnahmen, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam sagte. Im Militärkomplex Tadschi nördlich von Bagdad sind derzeit 27 Bundeswehrsoldaten für die Ausbildung irakischer Kräfte im Einsatz. Zudem gibt es in Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Bagdad fünf deutsche Soldaten. Knapp 90 Bundeswehrleute sind im nordirakischen Kurdengebiet im Einsatz, um dort kurdische Kräfte auszubilden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu brach wegen der Lage im Irak seinen Besuch in Griechenland ab und stellte sich an die Seite der USA. «So wie Israel das Recht zur Selbstverteidigung hat, haben auch die Vereinigten Staaten exakt dasselbe Recht», sagte er. Das Land befindet sich nach dem Vorfall in erhöhter Alarmbereitschaft. Israel und der Iran sind Erzfeinde. Teheran hat in der Vergangenheit mit Vergeltungsschlägen gegen den US-Verbündeten gedroht.

Auch Russland befürchtet nach der Tötung Soleimanis weitere Gewalt im Irak. Es könne zu Zusammenstössen zwischen radikalen Schiiten und den USA kommen, sagte der prominente russische Aussenpolitiker Konstantin Kossatschow am Freitag der Agentur Interfax zufolge in Moskau. «Kriege lassen sich leicht beginnen, aber nur schwer beenden.»

US-Politiker debattierten über die Rechtmässigkeit des US-Angriffs in Bagdad und seine möglichen Folgen. Die Demokraten werfen Trump vor, ohne Zustimmung des Kongresses gehandelt zu haben. Der republikanische US-Senator Marco Rubio rechtfertigte die Tötung auf Twitter als Selbstverteidigung. Die UN-Menschenrechtsexpertin Agnes Callamard erklärte hingegen über Twitter, bei der gezielten Tötung Soleimanis handele es sich wahrscheinlich um einen Verstoss gegen internationales Recht.

Schweizer Kommunikationskanal

Die Schweiz vertritt im Rahmen eines Schutzmachtmandates die Interessen der USA in Teheran. Sie rief am Freitag beide Seiten dazu auf, jegliche Eskalation zu vermeiden, wie das Aussendepartement EDA am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schrieb.

Der Geschäftsträger der Schweizer Botschaft in Teheran war vom iranischen Aussenministerium erneut einberufen worden. Der Diplomat sei über die Position des Irans in Kenntnis gesetzt worden, schrieb das EDA. Seinerseits habe er die Botschaft der USA überbracht.

Dem Diplomaten sei gesagt worden, dass «die Ermordung von General Soleimani» ein «eklatantes Beispiel für den amerikanischen Staatsterrorismus sei, und dass das amerikanische Regime für die Folgen der Tat voll verantwortlich sei», hatte am Morgen ein Sprecher des iranischen Aussenministeriums auf Twitter erklärt.

Das Schutzmachtmandat erlaube die Aufrechterhaltung eines diplomatischen Kommunikationskanals zwischen den USA und dem Iran. «Der Schweizer Kommunikationskanal funktioniert», schrieb das EDA.

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