Mit oder ohne Joe Biden? Diese Optionen bleiben den US-Demokraten

Stefan Michel

30.6.2024

Kann die Demokratische Partei mit Joe Biden die Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump gewinnen? Die Demokraten stecken in der Zwickmühle. 
Kann die Demokratische Partei mit Joe Biden die Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump gewinnen? Die Demokraten stecken in der Zwickmühle. 
Bild: IMAGO/ZUMA Press Wire

Nach einem denkwürdig schwachen Auftritt Joe Bidens in der TV-Debatte stellen sich viele die Frage, ob die Demokraten mit ihm die Wahlen gewinnen können. Eine neue Kandidatur wäre aber ebenfalls riskant. 

Stefan Michel

30.6.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Nach der TV-Debatte halten viele Präsident Biden für unfähig, die Wiederwahl gegen Donald Trump zu schaffen.
  • Ihn so spät zu ersetzen, wäre nach Ansicht von Experten unter Umständen möglich.
  • Namen von möglichen neuen Kandidaten kursieren.
  • Doch auch mit einer neuen Kandidatur wäre die Demokratische Partei in der Defensive.

Einer scheint entschieden zu haben: Joe Biden gibt sich weiterhin überzeugt, der richtige Kandidat der Demokraten für die Wahlen im November zu sein. «Ich würde nicht wieder antreten, wenn ich nicht mit meinem ganzen Herzen und meiner Seele glauben würde, dass ich diesen Job machen kann».

Diverse prominente Mitglieder der Demokratischen Partei eilen Biden zur Hilfe, allen voran Ex-Präsident Barack Obama: «Schlechte Debatten passieren. Glaubt mir, ich weiss das», schrieb er auf X. Er erinnert dann daran, dass es darum gehe, wofür die beiden Kandidaten stehen – Biden kämpfe für die einfachen Leute, Trump nur für sich selbst, Biden könne Recht von Unrecht unterscheiden, Trump lüge zu seinem eigenen Vorteil schamlos, so Obama.

Auch Gavin Newsom, Gouverneur von Kalifornien, versichert dem Präsidenten seine Unterstützung. Dies, obwohl ihm selber Ambitionen auf die Präsidentschaft nachgesagt werden. Allerdings haben ihn die meisten Beobachter erst 2028 als ernsthaften Anwärter gesehen. Zumindest bis zur TV-Debatte.

Rechtlich heikel, aber möglich

Die Demokratische Partei nominiert ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl am 5. November im Rahmen der Democratic National Convention vom 19. bis 22. August. Sie könnte nach Ansicht vieler Beobachter durchaus eine andere Person auf den Schild heben. 

Am einfachsten ginge das, wenn Präsident Biden selber das Handtuch werfen würde. Denn die Delegierten der Partei haben sich in den Vorwahlen ihrer Bundesstaaten in erdrückender Mehrheit für ihn als Kandidaten ausgesprochen und ihm ihre Unterstützung garantiert, woran die «BBC» erinnert.

Die Parteitagsregeln werden von den Parteien selbst bestimmt. Das Statut der Demokraten besagt: «Delegierte, die für den Parteitag gewählt werden und einem Präsidentschaftskandidaten verpflichtet sind, sollen nach bestem Wissen und Gewissen die Gefühle derjenigen widerspiegeln, die sie gewählt haben.» Die Parteiführung könnte die Regeln vor Beginn des Parteitages am 19. August in Chicago noch ändern. Doch das ist unwahrscheinlich, so lange Biden an seiner Kandidatur festhält.

Eine konservative Gruppe hat zudem angekündigt, dass sie im ganzen Land Klagen einreichen würde, sollte sich der demokratische Kandidat so kurz vor der Wahl zurückziehen. Die auf Nominierungsfragen spezialisierte Elaine Kamarck von der Brookings Institution in Washington, die auch Mitglied des Regelungsausschusses der Demokratischen Parteiführung ist, sagte jedoch, dass sich die Gerichte stets aus politischen Vorwahlen herausgehalten haben. «Es ist verfassungsrechtlich ganz klar, dass dies in den Zuständigkeitsbereich der Partei fällt»

Wer könnte Biden ersetzen?

Hinter den demokratischen Kulissen sollen die Verantwortlichen dennoch nach einem Plan B, nach einer Alternative zu Joe Biden suchen. Die Agentur Reuters zitiert einen anonymen Spender der Demokraten, der fordere, dass ein anderer Kandidat aufgestellt werde. Die «New York Times», die seit Jahren den Fehlleistungen Donald Trumps viel Platz widmet, schreibt im Namen der Redaktionsleitung: «Um seinem Land zu dienen, sollte Joe Biden aus der Wahl aussteigen».

Gegen den Willen des Amtsinhabers wird das schwierig, darauf weisen ebenfalls diverse Experten hin. Doch auch eine neue Kraft würde die Demokraten nicht automatisch auf die Siegerstrasse bringen. Schliesslich begann Trumps Kampagne für seine Wiederwahl im Prinzip mit seiner Weigerung, das Resultat der letzten Wahl anzuerkennen – also seit vier Jahren. Eine neue demokratische Kandidatin oder ein Kandidat hätte hingegen keine drei Monate Zeit, um die Wähler*innen der USA von sich zu überzeugen.

Dennoch kursieren einige Namen. Neben jenem von Gavin Newsom sind das etwa Gretchen Whitmer, die Gouverneurin von Michigan, der schwerreiche Hyatt-Erbe J. B. Pritzker, Gouverneur von Illinois, Josh Shapiro, sein Amtskollege in Pennsylvania oder Andy Beshear, der Kentucky regiert. 

Whiter und Shapiro regieren einen der Battleground States, die in der Wahl 2024 als zwischen den beiden Parteien als besonders umkämpft gelten. Newsom und Pritzker hingegen stammen aus Staaten, die ohnehin als sicher demokratisch gelten und den «Blauen» keine dringend benötigten zusätzlichen Stimmen einbringen. Andy Beshear hat in einem «roten», also republikanischen Bundesstaat, den Amtsinhaber besiegt. Allerdings würde dieser den Demokraten nur 8 Stimmen bringen. Da sind Michigan mit 15 und Pennsylvania mit deren 19 wichtiger, um die 270 Wahlmänner-Stimmen zusammenzubringen, die für das Präsidentenamt nötig sind.

Die Rolle von Jill Biden

Und was ist mit Vize-Kandidatin Kamala Harris? Eigentlich wäre sie die logische Nachfolgerin als Kandidatin der Demokraten. Jedoch hat sie es in den vier Jahren an der Seite von Präsident Biden nicht geschafft, einen genügend grossen Teil der Öffentlichkeit für sich einzunehmen. Grössere Chancen werden der ehemaligen First Lady Michelle Obama eingeräumt. Die will aber von einer Kandidatur nichts wissen.

Joe Biden macht bis anhin keine Anstalten, seinen Platz als Kandidat der Demokraten freizugeben. Da müsste erst noch Überzeugungsarbeit geleitet werden. «Wer sagt's ihm?», fragt der Tages-Anzeiger rhetorisch. Zumindest für die einflussreiche New York Times ist die Antwort klar: First Lady Jill Biden. Für Erste hat aber auch sie ihrem Mann den Rücken gestärkt.

Mit Material der DPA