Corona-Massnahmen in Shanghai«Der Unmut in der Bevölkerung wächst»
Von Uz Rieger
25.4.2022
Shanghai blockiert Zugang zu Gebäuden mit Corona-Infizierten
Corona-Infizierte, die von den Behörden in Quarantänezentren gebracht werden, berichten von menschenunwürdigen Zuständen.
25.04.2022
Trotz strikter Massnahmen steigen die Fallzahlen in der chinesischen Metropole Shanghai deutlich an. SRF-Korrespondentin Claudia Stahel schildert die Situation vor Ort.
Von Uz Rieger
25.04.2022, 16:40
Von Uz Rieger
Nach einem für Peking ungewöhnlichen Corona-Ausbruch wächst nun auch in der chinesischen Hauptstadt die Angst vor einem harten Lockdown wie in Shanghai. Hier reagieren die Behörden seit Wochen mit strikten Massnahmen auf die trotzdem steigenden Fallzahlen. Bereits seit Anfang April ist Chinas grösste Stadt weitgehend abgeriegelt, die meisten der rund 25 Millionen Einwohner dürfen ihre Wohnungen so gut wie nicht verlassen.
Der Verwaltung gelingt dabei kaum, die Konsequenzen für die Eingeschlossenen abzufedern: Die Stadt hat Mühe, ihre Bewohner mit frischen Lebensmitteln zu versorgen oder ärztlich betreuen zu lassen, weil die Gesundheitsdienste in erster Linie für Corona-Tests und -Behandlungen gebraucht werden. Bei den Betroffenen wächst zusehends der Ärger.
SRF-Korrespondentin Claudia Stahel schildert blue News, wie sie die hierzulande unvorstellbare Situation erlebt.
Frau Stahel, wo und wie erfahren Sie von den derzeitigen Massnahmen?
Ich wohne westlich des Huangpu-Flusses in Shanghai. Diese Stadthälfte ging als zweite am 1. April in den Lockdown. Vor rund zwei Wochen hat die Stadt zwar einen Lockerungsfahrplan vorgestellt, trotzdem sitze ich nach wie vor wie Millionen von Einwohnerin*innen zu Hause fest. Wenn in einer Wohnsiedlung innerhalb von zwei Wochen keine positiven Fälle aufgetreten sind, dürfen die Bewohner*innen hier zumindest in ihrem Viertel wieder auf die Strasse.
Eigentlich wäre es bei mir gestern Sonntag so weit gewesen. Aber weil es am 23. April in der Siedlung einen neuen positiven Fall gab, heisst es zurück auf Feld eins. Aktuell darf ich bis auf ein paar Ausnahmen meine Wohnung nicht verlassen. Ich werde zurzeit mehrmals täglich getestet. Zum Beispiel hatten wir heute Mittag einen PCR-Test. Dann muss ich bis heute Abend 19 Uhr einen Selbsttest machen und einen zweiten am Morgen in der Früh bis 6 Uhr. Das Resultat sende ich in einen Gruppenchat.
«Ich werde zurzeit mehrmals täglich getestet.»
Claudia Stahel
Seit Juli 2019 TV-Korrespondentin des SRF in China
Welche Einschränkungen müssen Sie sonst noch hinnehmen?
Die Massnahmen sind sehr strikt. Allerdings gibt es Unterschiede bei der Umsetzung. Während in manchen Wohnsiedlungen die Bewohner*innen nicht einmal ihren Abfall selber nach unten bringen dürfen, kann ich wenigstens nach draussen gehen und die paar Schritte zur Abfallsammelstelle selber machen. Ich erhalte zwar immer wieder Gemüse und Dinge des täglichen Bedarfs wie zum Beispiel Spül- oder Waschmittel von der Regierung, aber alles andere wie etwa Früchte muss ich selbst organisieren.
Das ist gar nicht so einfach. Ich habe mehrere Tage nach Bananen gesucht. Schlussendlich fand ich einen Kurierfahrer, der sich gegen einen Aufpreis auf die Suche nach Früchten für mich machte. Mir macht vor allem die Ungewissheit zu schaffen. Ich kriege zum Beispiel keine verlässlichen Informationen darüber, wie die Pandemiesituation in meiner Wohnsiedlung tatsächlich ist und wann welche Lockerungsschritte anstehen.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Klar ist: Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Das sieht man auch an der Vielzahl an Videos und Fotos, welche die Zustände immer wieder aufs Neue in den chinesischen sozialen Medien anprangern. Vieles wird zwar fortlaufend gelöscht, aber zahlreiche Clips finden den Weg auf Plattformen wie Twitter und YouTube, wo die chinesischen Zensurbehörden keinen Zugriff haben. Und es trenden immer wieder neue Videos und Fotos.
Erwarten Sie, dass die aktuellen Massnahmen Erfolg zeigen werden?
Irgendwann wird der Lockdown in Shanghai vorüber sein. Das ist eine Frage der Zeit. Wann genau, das ist sehr schwierig abzuschätzen. Dazu fehlt es schlichtweg an wichtigen Informationen. Zum Beispiel gibt es kaum Angaben zur Situation in den Spitälern oder wie sich die Ein- und Austritte in den zentralen Quarantäneeinrichtungen genau entwickeln. Laut meinen Berechnungen ist der 7. Mai nun das nächstmögliche Datum, wo ich meine Wohnsiedlung verlassen könnte. Es braucht aber nur einen erneuten positiven Fall und es heisst für mich zurück auf Feld eins.
Hamsterkäufe in Peking aus Angst vor einem Lockdown
Nach einem für Peking ungewöhnlichen Corona-Ausbruch wächst in der chinesischen Hauptstadt die Angst vor einem harten Lockdown wie in Shanghai. Viele Menschen tätigen Hamsterkäufe.
On Sunday, Beijing warned of a «grim» situation. The world's seco