Wahl auf den PhilippinenDer Triumph des philippinischen Social-Media-Flüsterers
SDA
9.5.2022 - 16:50
Präsidentschaftswahl auf den Philippinen: Sieg von Marcos Junior zeichnetsich ab
Bei der Präsidentschaftswahl auf den Philippinen zeichnet sich ein klarer Sieg des Diktatorensohns Ferdinand Marcos Junior ab. Wie philippinische Medien unter Berufung auf Angaben der amtlichen Wahlkommission berichten, liegt der Sohn des gleichna
09.05.2022
Nach ersten Teilauszählungen auf den Philippinen steht der Gewinner bereits fest: «Bongbong» Marcos hat es mit plumper Geschichtsfälschung geschafft, den Namen seiner berüchtigten Familie reinzuwaschen.
09.05.2022, 16:50
dpa/phi
Auf den Philippinen steht die umstrittene Familie des früheren Diktators Ferdinand Marcos vor dem Comeback. Das Volk hatte das autokratische Regime 1986 aus dem Land getrieben – der Machthaber und seine schuhverliebte Ehefrau Imelda mussten nach Hawaii flüchten. 36 Jahre danach gilt ihr Sohn Ferdinand «Bongbong» Marcos Jr. (oder kurz: BBM) als Favorit bei der Präsidentenwahl.
Am Montag waren mehr als 67 Millionen Wahlberechtigte an die Urnen gerufen. Gewinnt der 64-Jährige, dann darf die berühmt-berüchtigte Dynastie triumphal in den Malacañang-Palast in Manila zurückkehren – und nach ersten Teilauszählung lag der Mann mit Abstand vor seiner stärksten Konkurrentin, der bisherigen Vize-Präsidentin und Oppositionsführerin Leni Robredo.
Die studierte Anwältin versprach vor Hunderttausenden Anhängern vor allem eins: Ehrlichkeit. «Sollte ich Präsidentin werden, dann ist es mein Traum, dass alle am Ende meiner Amtszeit stolz darauf sind, Philippiner zu sein», warb die 56-Jährige vor dem Urnengang – vergeblich, wie nun feststeht. Unterschiedlicher als Marcos Jr. und Robredo konnten zwei Konkurrenten nicht sein.
«Die Hauptkandidatin der Opposition will die Demokratie auf den Philippinen wiederherstellen», brachte es Aries Arugay, Professor für Politikwissenschaft an der Universität der Philippinen, auf den Punkt. «Der andere will das Land weiter weg von der liberalen Demokratie führen, es populistischer und autoritärer machen, das ist glasklar.» Schliesslich sei «Bongbong» der Sohn eines Diktators.
3000 Paar Schuhe
Haben die Philippiner vergessen, dass Ferdinand (1917-1989) und Imelda (heute 92) einst vor allem mit Mord, Folter, Kleptokratie und dem spurlosen Verschwinden politischer Gegner von sich reden machten? Oder warum ist ihr Sprössling zum neuen Politstar avanciert? Zur Erinnerung: In den Schränken des Malacañang-Palastes wurden nach der Flucht Hunderte Handtaschen und Abendroben sowie Tausende Paar Schuhe gefunden. Relikte von mehr als zwei Jahrzehnten schamloser Plünderung und einem Jetset-Leben in Saus und Braus.
Interessant auch: An der Seite von Marcos Jr. kandidiert keine Geringere als Sara Duterte-Carpio (43) als Vize-Präsidentin. Und die ist die Tochter des international umstrittenen Noch-Amtsinhabers Rodrigo Duterte. Der darf nach sechs Jahren selbst nicht nochmal antreten. Was von ihm in Erinnerung bleiben wird, ist sein überaus brutaler Kampf gegen die Drogenkriminalität mit Tausenden Toten. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ermittelt gegen ihn.
«Bongbong» und Sara Duterte-Carpio zeigten derweil ein ganz anderes Gesicht während ihrer Kampagne – modern und allseits präsent in sozialen Netzwerken. Viele Wähler sind nicht einmal 30 Jahre alt und haben keine Erinnerung an die Zeit des Marcos-Regimes. Millionen folgen Marcos Jr. auf TikTok und YouTube. Dort verbreitete er vor allem den Slogan «Einheit», um die Folgen der Corona-Pandemie anzugehen.
Eine echte Vision für die Zukunft? Fehlanzeige. Interviews und öffentliche Debatten mied er wie der Teufel das Weihwasser. Gleichzeitig distanzierte er sich nie öffentlich vom Erbe seiner Eltern. Seine Botschaft: Lasst uns nach vorne schauen und nicht mehr über die Vergangenheit streiten. Erst kürzlich bezeichnete er seinen Vater als «Staatsmann, ein politisches Genie». Der eigentliche politische Star in der Familie sei aber Mutter Imelda, die die Herzen aller gewinnen könne, «von den Marktverkäufern bis hin zur Königin von England».
Ungeniert verklärt er die Marcos-Diktatur zu einem vermeintlichen «goldenen Zeitalter» voller Wohlstand für das Land. Gerade jüngere Wähler scheinen ihm das zu glauben – weil Bongbong die Geschichte einfach radikal umgedeutet hat. Seine Eltern hätten ihm beispielsweise beigebracht, dass der Ruhm und Wohlstand der Familie allein deshalb da sei, weil das Volk es ermögliche. Dass dieses Volk um Milliarden geprellt worden ist, lässt Marcos dezent unter den Tisch fallen
John Oliver nimmt in «Last Week Tonight» am 8. Mai die anstehende Philippinen-Wahl kritisch unter die Lupe.
«Das alles zeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, um bei den Menschen ein politisches Bewusstsein zu entwickeln», sagte die prominente Menschenrechtsaktivistin Etta Rosales. «Die Leute lesen nur noch die Schlagzeilen.» Falls Marcos Jr. gewinne, sei die Desinformation der Wähler schuld daran. «Aber was können wir tun? Es bleibt uns nichts, als weiter für die Demokratie zu kämpfen.»
In dem südostasiatischen Inselstaat werden Präsident und Vize-Präsident unabhängig voneinander gewählt. Wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt. Insgesamt bewarben sich neun Männer und eine Frau (Robredo) um das höchste Amt im Staat.
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