Kara-Mursa, Gershkovich, Nawalny Der Kreml stellt seine Kritiker kalt

Von Philipp Dahm

18.4.2023

Russland: 25 Jahre Haft für Kreml-Kritiker Kara-Mursa

Russland: 25 Jahre Haft für Kreml-Kritiker Kara-Mursa

SHORT PROFILE OF Russian opposition activist Vladimir Kara-Murza Der Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa ist wegen «Hochverrats» und «Verbreitung von Falschinformationen» über die russische Armee zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Der langjährige

17.04.2023

Wladimir Kara-Mursa ist trotz zweier Gift-Anschläge nach Russland zurückgekehrt. So wie Alexei Nawalny: Der wird in Haft nun langsam vergiftet, beklagen seine Helfer. Mit seinen Feinden ist Putin gnadenlos.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Journalist und Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa ist in Moskau wegen Hochverrats zu 25 Jahren Haft verurteilt worden.
  • Obwohl bereits zwei Gift-Anschläge auf ihn verübt worden sind, ist Kara-Mursa 2022 zurück nach Russland gegenagen, um gegen den Krieg zu protestieren.
  • Der amerikanische «Wall Street Journal»-Journalist Evan Gershkovich soll nach seinem anstehenden Spionage-Prozess ausgetauscht werden.
  • Alexei Nawalny wird im Gefängnis langsam vergiftet, befürchten Unterstützer des oppositionellen Russen.

Wladimir Kara-Mursa ist ein unglaublich mutiger Mann. Der russische Journalist und Oppositionelle, der auch einen britischen Pass hat, wurde bereits zwei Mal vergiftet. Seit dem letzten Anschlag 2017 ist Kara-Mursa gesundheitlich schwer angeschlagen.

Und dennoch geht der heute 41-Jährige im März zurück in seine alte Heimat, als 2022 der Krieg gegen die Ukraine ausbricht. «Er wollte explizit zurückgehen, um gegen den Krieg zu protestieren», erinnert sich Bill Browder. «Und ich sagte: ‹Das kannst du nicht machen. Sie haben schon zwei Mal versucht, dich zu töten.›»

«Ich muss zurückgehen»

Browder, ein Geschäftsmann und Aktivist, fährt beim «Times Radio» fort: «Er sagte: ‹Ich muss zurückgehen. Wenn ich zu viel Angst habe, in mein eigenes Land zurückzukehren, wie kann ich da das russische Volk dabei anführen, sich gegen diesen schrecklichen, mörderischen Krieg zu stellen?›»

Vom Regime verhasst: Wladimir Kara-Mursa am 17. April vor Gericht in Moskau.
Vom Regime verhasst: Wladimir Kara-Mursa am 17. April vor Gericht in Moskau.
EPA

Zurück in Moskau nennt Kara-Mursa den Krieg beim Namen – und Putin einen Mörder. Am 15. April 2022 wird er deswegen verhaftet und eingesperrt. Anfangs werden ihm bloss Vergehen vorgeworfen, dann jedoch schwenkt die Staatsanwaltschaft um: Plötzlich geht es um Hochverrat.

«[Kara-Mursa] hat im Gefängnis extrem gelitten», klagt Browder: «Er hat etwa 17 Kilogramm Gewicht verloren. Wegen der Nervenschäden durch die Vergiftungen spürt er seine Füsse nicht mehr, und er kann keine Übungen machen.» Trotz der Doppelbürgerschaft hält sich London in der Causa zurück. «[Das] ist so schockierend, dass man es nicht glauben kann», kritisiert Browder aufgebracht die britische Regierung.

Gershkovich: Politische Haft

Ein anderer Journalist mit einem ausländischen Pass, der in die Mühlen der russischen Politik und Justiz geraten ist, ist Evan Gershkovich: Der Reporter des «Wall Street Journal» wird am 29. März in Jekatarinenburg verhaftet – angeblich wegen Spionage für die USA. Nach Kara-Mursas heutiger Verurteilung zu 25 Jahren Gefängnis ist er der nächste Presse-Vertreter, dem viele Jahre Knast drohen.

Zumindest kann Gershkovich auf die Unterstützung seiner Regierung zählen. «Journalismus ist kein Verbrechen», teilt das Aussenministerium am 10. April mit. «Wir verurteilen die fortgesetzte Unterdrückung unabhängiger Stimmen in Russland durch den Kreml und dessen anhaltenden Kampf gegen die Wahrheit.» Auch 200 russische Journalisten und  Journalistinnen fordern die Freilassung des Kollegen.

Das ist jedoch ein frommer Wunsch: Wie «Bloomberg» berichtet, hat Wladimir Putin die Festnahme des Amerikaners höchstpersönlich angeordnet. Dass die Vorwürfe rein politischer Natur sind, legt Russlands Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow nahe: Der stellt einen Austausch in Aussicht, sobald das Urteil gegen den 32-Jährigen ergangen ist.

Nawalny: Lässt Putin in jetzt langsam vergiften?

Bei Alexei Nawalny schliesst sich der Kreis. Der ist zwar Anwalt und kein Journalist, aber wie Kara-Mursa Mitglied der Opposition. Und: Kara-Mursa wird vor seinen Vergiftungen 2015 und 2017 vom selben Team des Inlandsgeheimdienstes FSB beschattet wie Nawalny, der 2020 auf einem Flug von Tomsk nach Moskau mit einem Toxin angegriffen wurde.

Nawalny kehrt nach einer Behandlung in Deutschland 2021 nach Russland zurück – wohl wissend, dass er nach seiner Ankunft umgehend verhaftet wird. Der heute 46-Jährige sitzt nun eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen diverser vermeintlicher Taten ab. Die Haftbedingungen im Straflager Nr. 2 in Pokrow 100 Kilometer östlich von Moskau sind mies: 2021 geht Nawalny in einen Hungerstreik.

Sprecherin befürchtet erneute Vergiftung Nawalnys

Sprecherin befürchtet erneute Vergiftung Nawalnys

Eine Sprecherin von Alexej Nawalny hat vor einer möglichen Vergiftung des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers gewarnt. «Wir schliessen nicht aus, dass Alexej Nawalny in diesem Moment langsam vergiftet wird, langsam getötet wird, damit es weniger Aufmerksamkeit erregt», schrieb Kira Jarmysch am 13. April auf Twitter.

17.04.2023

Doch nun werfen seine Unterstützer dem Kreml eine noch perfidere Schikane-Taktik vor: Sie glauben, dass Nawalny nun im Gefängnis langsam vergiftet wird. Am 14. April wird der Sträfling wegen gesundheitlicher Probleme in die Strafkolonie Nummer 6 in Melekhovo verlegt, die für ihre Brutalität bekannt ist.

Nawalny habe in gut zwei Wochen 8 Kilogramm Gewicht verloren, schreibt seine Sprecherin Kira Yarmysch auf Twitter. Man dürfe ihm kein Essen mehr schicken: «Wir schliessen nicht aus, dass er diesen mal mit etwas vergiften wird, dass seine Gesundheit langsam, aber kontinuierlich angreift. Sein Zustand verschlechtert sich demnach täglich.»