Keine Bühne für Saudi-Arabien Dem Online-Gipfel der G20 fehlt der Glamour

AP/toko

19.11.2020 - 20:38

Der russische Präsident Vladimir Putin mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman im  Oktober 2019.
Der russische Präsident Vladimir Putin mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman im Oktober 2019.
EPA/BANDAR ALJALOUD HANDOUT/Keystone

Der Gastgeber Saudi-Arabien kann bei dem Gipfel am Wochenende nicht die grosse Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. Wegen des Coronavirus findet die Veranstaltung online statt. Die Saudis sind auf diese Weise auch vor Kontroverse geschützt.

Der Gipfel der G20 an diesem Wochenende zeichnet sich eher mit dem aus, was er nicht ist, als mit dem, was er ist. Das Treffen von Staats- und Regierungschefs von Ländern, die rund 85 Prozent der wirtschaftlichen Produktion der Welt ausmachen, wird in diesem Jahr wegen des Coronavirus online abgehalten. Sie wird keine Gelegenheit für Könige, Präsidenten und Ministerpräsidenten bieten, Diplomatie hinter verschlossenen Türen zu machen oder für denkwürdige Fotos zu posieren. Sie wird dem Gastgeber Saudi-Arabien auch ein Medienspektakel vorenthalten, mit dem er seine Stellung in der Welt vor Augen führen könnte.

Die Veranstaltung wird voraussichtlich auch keine vereinte Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie nach sich ziehen. Mit dem Coronavirus sind inzwischen mehr als 1,3 Millionen Menschen gestorben, wie aus einer Zählung der Johns-Hopkins-Universität hervorgeht.

Online-Gipfel kann Blamage verhindern

In einem Brief an die G20-Staats- und Regierungschefs teilte der UN-Generalsekretär António Guterres vor kurzem mit, dass die internationale Gemeinschaft es mit ihrem grössten Test seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun habe. «Die Pandemie muss ein Weckruf für alle Führer sein, dass Spaltung eine Gefahr für jeden ist, und dass Prävention Geld und Leben rettet», schrieb Guterres. Er lobte die Entscheidung der G20, den am schwersten betroffenen armen Ländern zu gestatten, ihre Schulden erst später zurückzuzahlen, und in den schwersten Fällen, Schulden möglicherweise abzuschreiben. Guterres rief dazu auf, die Zugeständnisse auch für anfällige Länder mit mittlerem Einkommen zu machen.

Etwas Erhebliches kann der virtuelle Gipfel aber: Er verschont den saudischen Kronprinzen Mohammed vor der Möglichkeit, dass ihn einige Staats- und Regierungschefs wegen der Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi nicht in Riad aufgesucht hätten. Westliche Geheimdienste haben dem Prinzen die Verantwortung für die Tötung des saudischen Kolumnisten Khashoggi in der Türkei durch saudische Agenten gegeben. Der Thronfolger hat eine Verwicklung darin bestritten.

US-Kongress will Trump nicht dabei haben

Die Bürgermeister von New York und London haben sich geweigert, an einem Treffen im Zusammenhang mit den G20 über städtische Entwicklung teilzunehmen. Sie verwiesen auf das Vorgehen Saudi-Arabiens gegen Menschenrechtsaktivisten und den Krieg im Jemen. Mitglieder des US-Kongresses haben die Regierung von Präsident Donald Trump aufgefordert, sich vom Gipfel zurückzuziehen. Mitglieder des EU-Parlaments haben ähnliche Aufrufe an EU-Staats- und Regierungschefs gemacht.

Es ist unklar, ob Trump am Gipfel teilnehmen wird. Kronprinz Mohammed kommt um ein Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan herum, dessen Regierung offenbar das saudische Konsulat in Istanbul hatte verwanzen lassen, um den Druck wegen der Tötung von Khashoggi zu erhöhen. Er trifft auch nicht persönlich den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der Proteste von Muslimen ausgelöst hat, weil er Karikaturen ihres Propheten Mohammed verteidigt hatte.

«Gastgeber von Grossereignissen wie dem G20 zu sein, gibt dem Königreich nicht nur das Image eines starken, modernen Landes und einer globalen Wirtschaftsmacht, sondern zieht auch internationale Aufmerksamkeit weg von der Realität von Rechtsverletzungen, die sich nur Meilen entfernt ereignen», schrieb Lina al-Hathlul, deren Schwester Ludschain mit anderen saudischen Frauenrechtsaktivistinnen inhaftiert worden ist, in der Zeitung «The Washington Post».

Der US-Diplomat David Rundell, der 15 Jahre Erfahrung in Saudi-Arabien hat, sagte, die Botschaft von Saudi-Arabien sollte lauten, dass Isolation nicht das gewünschte Ergebnis erreichen werde, doch Zusammenarbeit das könne. «Saudi-Arabien braucht Ermutigung für seine Wirtschaftsreformen, aber auch für seine Menschenrechtsbilanz», sagte Rundell bei einer Veranstaltung von Chatham House.

Der Stolz des Gastgebers

Die G20 wurde 1999 gegründet, damit Finanzminister und Zentralbankgouverneure über die globale Wirtschaft reden können. Gipfel der G20 bieten neben der Gelegenheit zur globalen Zusammenarbeit auch Gastgebern die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Saudi-Arabien ist sehr Stolz darauf, erstmals den rotierenden Vorsitz der G20 zu haben.

Auch wenn der diesjährigen Veranstaltung der Glamour fehlt, hat es den G20-Gipfeln Einschätzungen zufolge manchmal auch ohnehin an Substanz gemangelt. «Du kommt zum Kongress und dann kommst du zum G20, und auf jeder Ebene hast du diese Erwartung, dass die Dinge kultivierter, weltgewandter, nachdenklicher, rigoroser, selbstloser sind, und es stellt sich heraus, dass alles noch immer wie in der Oberschule ist», sagte der frühere US-Präsident Barack Obama in dieser Woche in einem Interview der Zeitschrift «The Atlantic».

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