Wahldebakel der Demokraten «Trump hat natürlich seinen grossen Spass daran»

Von Gil Bieler

4.2.2020

Die Vorwahlen in Iowa sind eine Blamage für die Demokraten – und beim Impeachment droht bereits die nächste. Claudia-Franziska Brühwiler von der Uni St. Gallen über die Probleme der Partei und den Profiteur: Trump.

Frau Brühwiler, die Vorwahlen in Iowa gingen zu Ende, ohne dass am Wahltag bei den Demokraten der Sieger feststand. Schlimmer hätte es für die Partei nicht kommen können, oder?

In der Tat, das wirft wirklich ein denkbar schlechtes Licht auf die Wahlorganisation in Iowa. Vor allem, da das Caucus-Wahlsystem so speziell ist und deshalb ohnehin schon unter Beschuss steht.

Worauf zielt denn diese Kritik ab?

Der einstige demokratische Kandidat Julian Castro hat etwa kritisiert, dass die Vorwahlen überhaupt in Iowa starten, da dieser Bundesstaat nicht sehr repräsentativ ist für die Diversität der USA. Die Bevölkerung von Iowa ist zu rund 90 Prozent weiss. Und das Caucus-System kommt einer bestimmten Art von Wählern zugute.

Welche Wähler sind das?

Um zu wählen, muss man ja abends an eine der rund 1'600 Versammlungen gehen. Dafür muss man erstens die Zeit haben. Und zweitens wählt man offen – man muss also willens sein, in einer Gruppe hinzustehen und zu zeigen, welchen Kandidaten man unterstützt. Es gibt also kein Wahlgeheimnis, wie wenn man einfach einen Stimmzettel einwirft. Das kennen wir ja so ähnlich von Gemeindeversammlungen in der Schweiz.

Dieses System halten viele in den USA für antiquiert und bemängeln, dass es die besonders passionierten Wähler fördere. Davon profitiert ein Kandidat wie Bernie Sanders, da er viele stark engagierte Wähler hat, die auch willens sind, sich zu exponieren.

Zur Person
zVg

Claudia-Franziska Brühwiler ist Lehrbeauftragte für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist amerikanischer Konservatismus.

Nach der Panne in Iowa ist das Fingerzeigen bereits voll im Gang. Liegt der Bock irgendwo in der Demokratischen Partei?

Die Vorwahlen liegen immer in der Hand der jeweiligen Partei im jeweiligen Bundesstaat – also sind hier die Demokraten in Iowa «schuld». Wobei man das Ganze auch nicht überdramatisieren sollte: Es gab allem Anschein nach Probleme bei der Übermittlung der Resultate, und immerhin haben sie diese Unregelmässigkeiten noch rechtzeitig entdeckt.

Schlimmer wäre es gewesen, wenn sie fehlerhafte Resultate veröffentlicht hätten, die man später hätte korrigieren müssen. Das ist zumindest die Situation, wenn man sie ganz nüchtern betrachtet. Aber für die Verantwortlichen vor Ort ist das natürlich ein Super-GAU, weil alle Augen auf sie gerichtet und die Erwartungen so hoch sind.



Und freuen kann sich einer: Donald Trump.

Der hat jetzt natürlich seinen grossen Spass daran, ja.

Unabhängig vom Ausgang in Iowa wird bei den Demokraten darüber diskutiert, ob man mit einem moderaten oder einem klar liberal positionierten Kandidaten bessere Chancen gegen Trump hat. Ihre Einschätzung?

Das ist die Million-Dollar-Frage. Immerhin herrschte 2016 auch die Meinung vor, dass die Republikaner mit einem so radikalen Kandidaten wie Donald Trump keine Chancen hätten. Ich kann nicht sagen, wer der ideale Kandidat wäre, glaube persönlich aber, dass ein Bernie Sanders – der ja als weniger eingemittet gilt – nicht das Momentum hat, um die nationalen Wahlen zu gewinnen.

Die ‹New York Times› hat mit einem Umfrageinstitut ermittelt, welche Chancen verschiedene Kandidaten in den entscheidenden Swing States hätten. Dabei hat sich gezeigt, dass Joe Biden der sicherste Wert wäre. Aber ob sich das konkret auch so abspielen würde, wissen wir schlicht und ergreifend nicht.


Galerie: Der lange Weg zum Impeachment

Im Senat wird diese Woche die Entscheidung im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump erwartet – wobei er mit einem Freispruch durch die Senatoren rechnen darf. Wird er das als Signal verstehen, dass jetzt alles erlaubt ist?

Nun, dieses Gefühl hat er ja schon lange. Dafür braucht er kein Impeachment. Das Problem ist, dass ihn seine Partei nicht in die Schranken weist. Zumindest deutet nichts von dem, was wir öffentlich mitbekommen, darauf hin. Man muss aber auch sehen: Es war von vornherein klar, dass dieses Impeachment für die Demokraten ein sehr schwieriges Unterfangen sein würde. Sie haben sich daher auch erst dazu durchgerungen, als sie zu viele rote Linien überschritten sahen – auch um die Glaubwürdigkeit als Partei zu wahren.

Wird es den Demokraten schaden, wenn das Impeachment-Verfahren scheitert?

Auf lange Sicht gesehen glaube ich das nicht. Jedoch wird es auf lange Sicht infrage stellen, welches Verständnis von Ehre und Moral in der Republikanischen Partei herrscht – dass man sich an die Macht klammert, komme, was da wolle.

Wie kommt es eigentlich, dass die Partei so geschlossen zu Trump steht? Pures Machtkalkül?

Ein Stück weit schon. Die Republikaner sehen, dass der Präsident noch immer den Rückhalt seiner Wähler geniesst. Das ist ein Kontrast zum Impeachment-Verfahren gegen Präsident Richard Nixon in den Siebzigerjahren. Er hatte das Vertrauen der Bevölkerung verloren, worauf ihn die Senatoren seiner Partei unter Druck setzten und er von sich aus zurücktrat. Bei Trump dagegen scheint es mir, als dass er noch zu populär wäre – nicht insgesamt, aber bei seinen Wählern. Das führt zu einer Art Teufelspakt, der die Partei an ihn bindet.



Wieso schaffen es die Demokraten denn nicht besser, Profit aus Trumps tiefen Umfragewerten und all seinen Eskapaden zu schlagen?

Es ist eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. Zum einen sind wir uns an all die Skandale mittlerweile gewöhnt, abgestumpft. Seit seiner Wahlkampagne haben wir so ziemlich alles gesehen: Vorwürfe der sexuellen Belästigung, der Korruption, die Vermischung von Amt und Geschäft. Auch in der Tonalität war schon alles dabei, von dem man dachte, das bricht einem Präsidenten das Genick. Mittlerweile hat jeder seine Meinung dazu gefasst und die Konsequenzen gezogen. Die Frage für die Demokraten ist also, wie sie jene, die immer noch hinter dem Präsidenten stehen, auf ihre Seite ziehen können. Und das Rezept dafür haben sie noch nicht gefunden.

Und welche anderen Faktoren machen den Demokraten zu schaffen?

Dass sich die Partei in den letzten Jahren so stark verändert hat. Sie ist nicht mehr die klassische Arbeiterpartei, sondern hat sich zu einer sehr progressiv-urbanen Partei gewandelt. Diese innere Zerrissenheit sieht man nun auch am Feld der Kandidaten, das von jungen, hippen Leuten bis zur alten Garde reicht. Die Partei ist in einem Selbstfindungsprozess, versucht herauszufinden, wie sie die urbane, progressive Schicht weiterhin ansprechen kann und gleichzeitig wieder den Draht zu ihren früheren Wählern findet. Das ist kein einfacher Spagat.



Und die Wirtschaft läuft ja gut, was die Arbeiter kaum zum Wechseln animiert.

Genau. Schon Bill Clinton hat in den Neunzigerjahren das Motto geprägt: «It’s the economy, stupid!» Wenn die Wirtschaft rund läuft, ist es sehr schwierig, den Amtsinhaber abzuwählen. Zumal seine Wähler ja mit ihm zufrieden sind.

Also deutet momentan noch alles auf eine Wiederwahl hin?

An dieser Frage will sich noch niemand die Finger verbrennen, aber wir müssen zugeben: Trump 2020 ist nicht unwahrscheinlich. Auf den Prognosemärkten liegt er zumindest in Führung.

Eines Ihrer Schwerpunktthemen ist amerikanische Literatur. Können Sie ein Buch empfehlen, damit man als Schweizer besser versteht, wie die Welt eines typischen Trump-Wählers aussieht?

Es gibt zwei exzellente Bücher, die in deutscher Übersetzung vorliegen: Zum einen von J. D. Vance ‹Hillbilly-Elegie – Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise›. Das wurde auch in den USA oft genannt als jenes Buch, um zu verstehen, worunter die arme Schicht der Amerikaner leidet. Das sind sehr persönliche Memoiren des Autors. Zum anderen empfehle ich ein eher wissenschaftlicheres Buch von Arlie Russell Hochschild: ‹Fremd in ihrem Land – Eine Reise ins Herz der amerikanischen Rechten›.

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