«Politisch brillanter» PR-AuftrittTrump grinst am Soldatengrab – US-Veteranen reagieren empört
Philipp Dahm
29.8.2024
Unter der Gürtellinie: Trump provoziert mit vulgärem Kommentar zu Harris
Donald Trump provoziert gerne, auch unter der Gürtellinie. Im Wahlkampf verbreitet der Republikaner nun eine vulgäre Bemerkung über seine demokratische Kontrahentin Kamala Harris. Trump teilt auf der Plattform Truth Social den Beitrag eines anderen Nutzers. In dem wird ein älteres Bild von Harris und der früheren US-Aussenministerin und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton kommentiert mit: «Lustig, wie sich Blowjobs auf ihre beiden Karrieren unterschiedlich ausgewirkt haben...»
29.08.2024
Jesse Watters lobt, wie Donald Trump «politisch brillant» Aufmerksamkeit von Harris' Demokraten auf die Republikaner lenkt. Wenn sich der Fox-News-Moderator da nur nicht täuscht.
Philipp Dahm
29.08.2024, 19:55
30.08.2024, 07:15
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Jesse Waters lobt bei Fox News, dass Donald Trump «politisch brillant» das Momentum vom Demokraten-Konvent und der Harris-Nominierung auf die Republikaner umgelenkt habe.
Das habe Trump durch die Unterstützung von Robert F. Kennedy Jr. (RFK) und einem «emotionalen» Besuch auf dem Nationalfriedhof Arlington erreicht.
Doch der Schein trügt: RFKs Frau ist nicht begeistert – und in drei wichtigen Swing States bleibt der Politiker auf dem Wahlzettel.
Trumps Besuch in Arlington hat sich zu einem Skandal ausgeweitet, bei dem es um eine Anzeige, heftige Kritik und verbotene Aufnahmen geht.
Natürlich darf Jesse Watters Kamala Harris kritisieren. Und so lange er nicht mit schlüpfriger Wortwahl den Eindruck erweckt, er sehe die Frau hinter oder gar unter dem Mann, sondern sachliche Argumente ins Feld führt, ist das auch okay.
So wirft der 46-Jährige der Demokratin in der Fox-News-Show «The Five» vor, sie habe Joe Bidens Corona-Ausgaben mitgetragen, die die Inflation in den USA befeuert hätten. Er bemängelt die Ergebnisse, die Harris als «Grenz-Zar» in Sachen Migration vorzuweisen hat.
Und er spricht ihr Anfang der Woche aussenpolitische Kompetenzen ab, was in der unseligen Aussage endet, US-Generäle würden sich an ihr «zu schaffen machen», falls sie gewählt würde. Das geht natürlich nicht. Und gleich im Anschluss an dieses Segment gibt der Moderator einen weiteren Kommentar zum Besten, der bis heute gar nicht gut gealtert ist.
«Politisch brillant»
«Trump hat heute den [Nationalfriedhof Arlington] verlassen, und neben dem emotionalen Effekt, den das hatte, weil das Ganze so traurig war, war es politisch brillant», sagt Watters. «Harris und [Joe] Biden haben freigenommen. [Trump] hat sehr präsidial ausgesehen. Und das und die RFK-Veranstaltung am Freitag haben das Momentum komplett von Harris und dem Partei-Konvent weggenommen.»
Mit dem «RFK event» meint Watters den Ausstieg von Robert F. Kennedy aus dem Rennen ums Weisse Haus, den die Republikaner tatsächlich medienwirksam inszeniert haben. Dass der dritte Kandidat nun Trump unterstützt, kommt nicht überall gut an: Die Reaktion seiner Frau sei «das Gegenteil von ermutigend».
«Sie ist schon ihr ganzes Leben lang Demokratin», sagt RFK zu TMZ, «und die Idee, dass ich Donald Trump unterstütze, ist etwas, dass sie sich nie hätte träumen lassen. Etwas, das sie nie gewollt hat in ihrem Leben.» Doch diese familiäre Differenz ist nur einer von mehreren Knackpunkten im Team Trump-Kennedy.
RFK kann sich in wichtigen Swing States nicht zurückziehen
Denn auch juristisch läuft es nicht, wie sich Trump und sein neuer Fan es gern hätten: Nachdem RFK zunächst Millionen investiert hat, um in allen 50 Bundesstaaten auf den Wahlzettel zu kommen, hat er nun Mühe, sich wieder von diesen streichen zu lassen.
RFK Jr.’s campaign filed official paperwork with our office today withdrawing him from AZ’s 2024 election. That filling will be available on our website tomorrow at https://t.co/GsXDYD1kDYpic.twitter.com/JJTG9Q77Vx
Ausgerechnet in drei der entscheidenden Swing States lehnen die Behörden diesen Schritt ab: In North Carolina, Wisconsin und Michigan bleibt der Name Kennedy auf dem Wahlzettel, berichtet NPR. Das hänge mit Regelungen und Fristen in den Bundesstaaten zusammen, heisst es weiter – und angesichts des knappen Rennens könnte RFKs Verbleib womöglich das Zünglein an der Waage sein.
Und nicht nur der Kennedy-Effekt verpufft: Donald Trumps Besuch auf dem Nationalfriedhof Arlington entpuppt sich nicht als «brillanter» und «emotionaler» Auftritt, sondern artet in ein politisches Desaster aus, das das Gegenteil von dem erreicht, was es bewirken sollte.
Was Trump mit dem Arlington-Stunt erreichen wollte
Der 78-Jährige hat den Soldatenfriedhof am 26. August besucht, um einen Kranz für jene Soldaten niederzulegen, die beim Rückzug aus Afghanistan gestorben sind. Der New Yorker dürfte dabei zwei Hintergedanken haben: Zum einen will er den Eindruck verwischen, dass Veteranen ihm egal sind.
US-Wahlen 2024 im Fokus
Amerika wählt am 05. November einen neuen Präsidenten. Aber nicht nur der Präsident, sondern auch 35 Senatssitze, das komplette Repräsentantenhaus sowie elf Gouverneure werden neu gewählt. blue News begleitet die heisse Phase des Duells um das Weisse Haus nicht nur mit dem Blick aus der Schweiz, sondern auch mit Berichten direkt aus den USA.
Patrick Semansky/AP/dpa
Trump hatte am 15. August gesagt, die zivile Presidential Medal of Freedom sei «viel besser« als die militärische Medal of Honor, dessen Träger «entweder in schlechter Verfassung oder tot» seien. Das hat nicht nur Veteranen empört.
Zum anderen will Trump damit wohl einen Kontrapunkt gegen Harris setzen, die sich zuletzt rühmte, sie sei «die letzte Person im Raum» gewesen, bevor sich Biden für den Afghanistan-Rückzug entschloss. Doch nun hagelt es schon wieder Kritik – von den Veteranen, von Arlington-Mitarbeitern und natürlich auch aus der Politik.
Daumen hoch am Veteranen-Grab
Den Veteranen missfällt unter anderem, dass sich der Republikaner mit erhobenem Daumen und breitem Grinsen an den Gräbern fotografieren lässt.
— Republicans against Trump (@RpsAgainstTrump) August 26, 2024
«Trump kümmert sich nur dann um die Gefallenen, wenn er ihre Opfer zu seinen eigenen Gunsten ausnutzen kann. Für ihn sind sie nur ‹Idioten und Loser›», ätzt die Organisation VoteVets. Auch viele Bürger*innen machen ihrem Ärger auf Social Media Luft.
My father is buried in Arlington, and it makes me so angry to see him step one foot in behind the gates. https://t.co/IAAjygn6k1
Using Arlington National Cemetery as a photo op is not only disrespectful but also illegal and deeply selfish. Our fallen heroes deserve our solemn respect, not to be used for personal gain. Leadership is about honor, not exploitation. We owe it to those who made the ultimate… https://t.co/BSvigZKSof
Dass sich der «emotionale Moment», den Watters herbeiredet, zu einem Fiasko entwickelt, ist allein die Schuld von Trumps Team: Sie laufen mit ihm in die «Sektion 60» des Friedhofs, in dem Aufnahmen verboten sind. Dort nehmen sie ein TikTok-Video für den Wahlkampf mit ihm auf.
Als ein Arlington-Angestellter einschreiten will, kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung, in dessen Verlauf der Mann weggeschubst wird, berichtet NPR. Trump-Sprecher Steven Cheung rechtfertigt das Ganze damit, dass ein «Individuum, das offensichtlich unter psychischen Problemen leidet», die «sehr feierliche Zeremonie» Trumps gestört habe.
Die US-Wahl im Ticker
Verpasse keine wichtige Meldung im US-Wahlkampf 2024. blue News informiert laufend im Newsticker zu den Präsidentschaftswahlen: Alle relevanten News und Ergebnisse auf einen Blick.
J. David Ake/AP/dpa
Diese «jämmerliche» Person sei eine «Schande» für den Nationalfriedhof, ergänzt Trump-Berater Chris LaCivita. Arlington hat inzwischen Anzeige erstattet, während das Trump-Lager behauptet, es habe die Erlaubnis gehabt, einen Fotografen mitzubringen. Doch die Nachrichtenagentur AP schreibt, dass sein Team explizit davor gewarnt worden ist, dort Aufnahmen zu machen, bevor der Tross die Sektion 60 erreicht hat.
Trumps Vize schaltet sich am gestrigen Mittwoch in die Affäre ein: «Mit der Auseinandersetzung auf dem Nationalfriedhof Arlington erschaffen die Medien eine Story, wo, glaube ich, gar keine ist», sagt James David Vance bei einer Wahlkampfveranstaltung in Erie, Pennsylvania. Es gebe Beweise dafür, dass der Fotograf eine Erlaubnis für den Zutritt gehabt habe. Zudem hätten die Familien der Veteranen Trump gebeten, da zu sein.
Hinterbliebene können Verbot nicht aufheben
Doch die Kritik an Trump reisst nicht ab. «Donald Trump hat kein Recht, unseren heiligsten Grund für seine politischen Zwecke zu missbrauchen», sagt der 22-jährige Veteran Fred Wellman «USA Today».
«Viele von uns sind wütend.» Statt den Arlington-Mitarbeiter anzugehen, solle Trump sich entschuldigen: Die Hinterbliebenen der Veteranen könnten das Verbot für politische Agitation auf dem Friedhof nicht aufheben.
«Ich kann mir wahrlich nichts Abscheulicheres vorstellen, als ein politisches Spektakel auf Land zu beginnen, in dem die Familien [von gefallenen Soldaten] trauern», schimpft der pensionierte Generalmajor Paul Eaton in der Zeitung. «Jemand, der sowas tut, sollte nie Oberbefehlshaber werden.»
Vielleicht hat Jesse Watters sogar recht – und zwar damit, dass die Aufmerksamkeit dank RFK und Arlington sich von den Demokraten zu den Republikanern verlagert hat. Doch dass das ein «politisch brillanter» Zug war, lässt sich wohl ausschliessen.
Ausgangssperre in Studen BE: «So hängen die Kinder nachts nicht draussen rum»
Die Berner Seeländer Gemeinde Studen führt abends eine Ausgangssperre für Kinder unter 14 Jahren ein. blue News war vor Ort und wollte wissen: Braucht es die wirklich und was sagen die Anwohner*innen dazu.