Potenzielle Urteil-Folgen Donald Trump könnte auch aus dem Gefängnis kandidieren

Von Jan-Niklas Jäger

4.8.2023

Nach Anklage: Trump muss vor Gericht erscheinen

Nach Anklage: Trump muss vor Gericht erscheinen

e angeklagt worden.

03.08.2023

Von Donald Trumps Anklagen ist das aktuelle Verfahren wegen kriminellen Verhaltens im Amt das schwerwiegendste. Wie würde sich eine Verurteilung auf seine Zukunft auswirken?

Von Jan-Niklas Jäger

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Donald Trump ist wegen kriminellen Verhaltens im Präsidenten-Amt angeklagt worden.
  • Der ehemalige US-Präsident soll versucht haben, den Amtsantritt Joe Bidens im Jahr 2020 zu verhindern. Dabei geht es auch um den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar des Folgejahres.
  • Sollte Trump vor der Präsidentschaftswahl 2024 verurteilt werden, könnte er trotzdem kandidieren.
  • Wie ein inhaftierter Präsident regieren kann, was mit den dann eventuell noch laufenden Verfahren geschieht, und ob er sich selbst begnadigen könnte, sind Fragen, die das Justizsystem der USA auf die Probe stellen würden.

Donald Trump muss erneut wegen einer Anklage vor Gericht erscheinen. Wegen versuchter Beeinflussung der Präsidentschaftswahl 2020 und in diesem Zusammenhang des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 wird ihm kriminelles Verhalten im Amt zur Last gelegt.

Es ist bereits die vierte Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten: Wegen der fälschlich deklarierten Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, der widerrechtlich einbehaltenen Geheimdokumente, die auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago gefunden wurden, sowie einem weiteren Fall von Wahlbeeinflussung im für die Wahl 2020 entscheidenden Bundesstaat Georgia muss sich Trump bereits vor Gericht verantworten.

Zivilprozess geht in zweite Runde

Dazu kommt der Zivilprozess, in dem ihm die Kolumnistin E. Jean Carroll sexuelle Nötigung und Vergewaltigung vorgeworfen hat. Hier wurde Trump bereits zu Schadensersatz von fünf Millionen Dollar verurteilt, von dem Vorwurf der Vergewaltigung aber freigesprochen.

Doch es wird eine Fortsetzung geben: Ein weiterer Prozess im kommenden Jahr wird sich mit vermeintlicher Verleumdung auseinandersetzen. Es geht um Aussagen Trumps als amtierender US-Präsident im Jahr 2019, als er auf die Einreichung der Klage äusserte, Carroll lüge, um sich selbst zu bereichern; ausserdem sei sie nicht «sein Typ».

Der Klage wurde nach dem ersten Prozess ein weiterer Punkt hinzugefügt, nachdem Trump Carroll in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN als «Lügnerin» und ihre Geschichte trotz Schuldigspruchs als «Fake» bezeichnete.

Trump muss eigenen Glauben an Wahlbetrug beweisen

Von all diesen Vorwürfen ist der neuste jedoch der schwerwiegendste: Trump wird nicht weniger als Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Amerika vorgeworfen. Doch wie realistisch ist eine Verurteilung und wie könnte die Verteidigungsstrategie des Republikaners aussehen?

Donald Trump bei der Kundgebung am 6. Januar 2021, nach der einige seiner Anhänger das Kapitol stürmten. (Archivbild)
Donald Trump bei der Kundgebung am 6. Januar 2021, nach der einige seiner Anhänger das Kapitol stürmten. (Archivbild)
Bild: AP Photo/Evan Vucci, File / Keystone

Trump betont, dass er wirklich glaube, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Mit gutem Grund: Das amerikanische Strafrecht legt hohen Wert darauf, dass eine Straftat vorsätzlich geschehen ist. Kommt die Jury zu dem Schluss, dass Trump wirklich im Glauben gewesen sei, um seinen Sieg betrogen worden zu sein, wäre das ein grosser Gewinn für ihn.

Sieht sie es hingegen als erwiesen an, dass er den Amtsantritt seines Nachfolgers Joe Biden verhindern wollte, obwohl er wusste, dass es wahrscheinlich keinen Betrug gegeben hat, würde sich das schwer auf das Urteil auswirken.

Kandidatur aus dem Gefängnis heraus möglich

Sein ehemaliger Justizminister William Barr hat bereits öffentlich zu Kunde gegeben, den damaligen Präsidenten informiert zu haben, dass die Betrugsvorwürfe keinen Halt hätten.

Tritt also dieser Fall ein und Trump wird wegen des vorsätzlichen Versuchs, das Ergebnis einer legitimen Wahl zu verhindern, verurteilt, stellt sich die Frage, wie sich das auf die Präsidentschaftswahl 2024 auswirken wird, bei der er erneut kandidieren möchte. Könnte ein inhaftierter Donald Trump der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden?

Die klare Antwort darauf lautet: Ja. Eine Verurteilung wirkt sich nur auf das aktive Wahlrecht aus, also das Recht, bei einer Wahl die eigene Stimme abzugeben. Das passive Wahlrecht, also das Recht für ein politisches Amt zu kandidieren, wird dadurch auf Bundesebene (es gibt lokale Ausnahmen in manchen US-Staaten) nicht beeinflusst.

Trump und der «Tiger King»

Es ist also möglich, dass Trump zum Präsidenten gewählt wird, selbst aber nicht wählen durfte. Es ist auch kein Problem, vom Gefängnis aus für das Präsidentenamt zu kandidieren.

Er wäre nicht einmal der einzige inhaftierte Kandidat: Auch der aus der Netflix-Dokuserie «Tiger King» bekannte Joe Exotic, der wegen Verstössen gegen Tierschutzgesetze im Gefängnis sitzt, hat seine Kandidatur verkündet.

Den Präzedenzfall hierzu gab es 1920, als der inhaftierte Sozialist Eugene V. Debs zur Wahl antrat. Debs hatte die Amerikaner während des Ersten Weltkriegs dazu aufgerufen, sich der Einberufung ins Militär zu widersetzen und war deshalb wegen Aufruhr angeklagt und verurteilt worden.

Wie regiert man aus der Zelle heraus?

Sollte Trump tatsächlich im Gefängnis sitzen und gewählt werden, würde das die USA vor eine immense Herausforderung stellen. Wie ein inhaftierter Präsident aus dem Gefängnis heraus regieren soll, ist nämlich nicht klar: Es gab diesen Fall schlicht noch nie. Theoretisch könnte Trump dann des Amts enthoben werden, weil er nicht in der Lage ist, es auszuführen.

Doch das müssten dann auch der Vizepräsident und der Kongress unterstützen – die in dem Fall einer Wahl Trumps den Präsidenten sicherlich mehrheitlich unterstützen würden.

Trump könnte sich theoretisch selbst begnadigen, was aber immense politische Folgen haben würde und wahrscheinlich juristisch geprüft werden müsste.

Wird Trump auf Joe Biden angewiesen sein?

Wahrscheinlicher ist da das Szenario, dass der in diesem Fall scheidende Präsident Joe Biden die Begnadigung anordnet – eben aus dem Grund, um eine effektive Regierung des Landes zu gewährleisten.

Aber dass Trumps Verfahren bis zur Wahl im November 2024 abgeschlossen sind, kann noch gar nicht gesagt werden und ist in manchen der Fälle auch unwahrscheinlich. Auch dieser Fall würde zu Komplikationen führen: Denn ein amtierender US-Präsident ist gegen Strafverfolgung immun: Das würde ihn an der Ausführung seines Amtes hindern.

Ob diese Regel auch für Verfahren gilt, die bei der Wahl des Präsidenten bereits liefen, ist juristisch ebenfalls unklar. Die Anklagen auf Bundesebene könnte ein von Trump ernannter Justizminister aber einstellen.