Grounding in den USA «Das System ist absolut kritisch für den Flugverkehr»

Von Oliver Kohlmaier

11.1.2023

Computerpanne: Alle US-Inlandsflüge müssen am Boden bleiben

Computerpanne: Alle US-Inlandsflüge müssen am Boden bleiben

Die US-Flugaufsichtsbehörde FAA hat Airlines angewiesen, dass alle Inlandsflüge bis 9.00 Uhr Ortszeit am Boden bleiben müssen.

11.01.2023

Durch eine Panne bei der Luftfahrtbehörde kommt es in den USA zu drastischen Einschränkungen im Flugverkehr. Warum mussten Tausende Flieger am Boden warten? Luftfahrt-Expertin Laura Frommberg ordnet ein.

Von Oliver Kohlmaier

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen kommt es in den USA zu signifikanten Einschränkungen in der Luftfahrt. Während um die Weihnachtszeit ein verheerender Wintersturm zu drastischen Störungen im Flugverkehr   führte, stellte nun eine Panne bei beim sogenannten NOTAM-System Tausende Fluggäste auf die Geduldsprobe.

Was ist das NOTAM-System, und warum mussten so viele Flieger am Boden bleiben? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Bei der US-Flugaufsichtsbehörde FAA ist es am Mittwoch zu einer grösseren Störung gekommen. Alle Inlandsflüge mussten bis 9 Uhr Ortszeit in Washington (15 Uhr Schweizer Zeit) zunächst am Boden bleiben, teilte die US-Flugaufsichtsbehörde FAA über Twitter mit.

Die ersten Nachrichten über die Panne tauchten am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) auf, als Passagiere im ganzen Land bereits an den Check-in-Schaltern warteten. Einige erwischte die Massnahme auch, als sie bereits im Flieger sassen.

Im weiteren Verlauf erwies sich die Zeitangabe der US-Luftfahrtbehörde als weitgehend korrekt. Wie die Behörde später mitteilte, wurden erste Starts um 15 Uhr Schweizer Zeit durchgeführt, unter anderem am wichtigen Drehkreuz Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. 

Was ist das Notam-System?

Zur Person
zVg

Laura Frommberg ist Luftfahrtexpertin, Gründerin sowie Chefredakteurin des Luftfahrt-Onlinemagazins «Aerotelegraph».

Grund für das Grounding war eine Panne beim sogenannten Notam-System bei der US-Luftfahrtbehörde der FAA. «Bei den ‹Notice to Air Missions› handelt es sich um sicherheitsrelevante Mitteilungen für die Pilot*innen», erklärt Luftfahrt-Expertin Laura Frommberg im Gespräch mit blue News. Etwa, wenn ein bestimmtes Gebiet nicht überflogen werden dürfe oder am Zielflughafen der Treibstoff knapp sei.

«So war das etwa am Flughafen San Diego um den Jahreswechsel, als dort aufgrund eines Pipeline-Lecks der Treibstoff knapp war», sagt Frommberg. Die Pilot*innen könnten sich dann darauf einstellen, die Route verändern oder vor dem Start mehr Treibstoff aufnehmen. «Auch wenn zum Beispiel eine Piste nicht nutzbar ist, würde das in einem Notam stehen», sagt die Expertin.

Diese Mitteilungen seien zum Teil so kurzfristig, dass sie nicht auf anderem Wege verbreitet werden können. Wenn die Pilot*innen keinen Zugriff auf das Notam-System haben, besteht im Zweifel auch kein Zugriff auf wichtige Informationen, die möglicherweise den Flug beeinflussen könnten oder auch relevant für die Flugsicherheit sind.

«Das System ist also absolut kritisch für den Flugverkehr.»

Das System, das Piloten und Bodenpersonal mit Informationen über Störungen im Flugablauf versorgt, sei ausgefallen, heisst es auf der Websete der FAA.
Das System, das Piloten und Bodenpersonal mit Informationen über Störungen im Flugablauf versorgt, sei ausgefallen, heisst es auf der Websete der FAA.
Jacquelyn Martin/AP/dpa

Wie stark wurde der Flugverkehr beeinträchtigt?

«Delayed», verspätet, blinkte am Mittwoch auf Anzeigetafeln an Flughäfen überall in den USA auf. Ein vergleichbares Flugverbot in den USA hatte es seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA nicht mehr gegeben. «Airlines for America», ein Zusammenschluss von US-Fluglinien, erklärte, der Ausfall führe zu «signifikanten Verspätungen» im Flugplan. 

«Ein solcher Vorfall hat natürlich Auswirkungen auf den Flugverkehr und kann einen grossen Rattenschwanz nach sich ziehen», sagt Frommberg und fügt hinzu: «Das haben wir zuletzt auch bei der Skyguide-Panne hier bei uns in der Schweiz gesehen». Bis sich also alles eingependelt habe, könne es noch eine Weile dauern: «Vor allem wer umsteigen muss, muss sich wohl in Geduld üben.»

Warum starteten Flüge aus Europa in die USA?

Während Tausende Flieger in den USA warten mussten, hoben Flüge etwa aus Europa zum Teil planmässig ab. 

In den sozialen Netzwerken zeigten sich nicht wenige darüber verwundert. Schliesslich handle es sich um eine Frage der Sicherheit, ist das nicht ein wenig riskant?

Keineswegs, sagt Frommberg: «Notams sind das, was die Pilot*innen bei der Flugplanung erhalten. Flugzeuge, die bereits unterwegs sind, sind nicht in ihrer Sicherheit gefährdet.»

Was war die Ursache für die Panne?

Wie es zu der Panne kam, ist bislang noch nicht bekannt. US-Präsident Joe Biden wurde bereits frühzeitig gebrieft. Er habe mit dem US-Verkehrsminister Buttigieg gesprochen, teilte Biden mit und erklärte: «Sie wissen nicht, was die Ursache ist.»

Buttigieg schrieb auf Twitter, er habe eine Untersuchung zu dem Ausfall angeordnet. Anzeichen für einen Cyberangriff habe man derzeit nicht, hiess es zudem aus dem Weissen Haus.

«Technik ist Technik — und die kann ausfallen», sagt Frommberg und fügt hinzu: «Das Notam-System ist nur ein Teil des Ganzen, was die FAA allerdings als sicherheitsrelevant erachtet. Deshalb blieben so viele Flugzeuge am Boden.»